Hebammen: „Wir geben alles, doch in diesem System gehst du kaputt“
Auf den Geburtsstationen der Krankenhäuser ist es stressig für die Mitarbeiter:innen: Dienste ohne Pausen sind wegen der permanenten Unterbesetzung nicht die Ausnahme, sondern Alltag. Wer darunter leidet? Die gebärenden Frauen.
Tini arbeitete als Hebamme in einer Klinik. Für sie und ihre Kolleg:innen sei es frustrierend, wenn sie die Frauen und ihre Babys gut und kompetent begleiten möchten, aber das System es nicht zulässt. Dabei wäre eine 1:1 Betreuung so wichtig für eine gute Geburtshilfe, sagt sie in unserer Interview-Reihe „Wie ist es…“.
Passieren Fehler in der Geburtshilfe, hat das häufig längerfristige Folgen. Die betroffenen Frauen benötigen oft psychologische Betreuung, viele auch Physiotherapie. Wird bei der Geburt Stress gemacht, leidet der Beckenboden, erklärt Tini.
Wenn du weißt, es könnte gut laufen und die Frau könnte ein gutes Geburtserlebnis haben, aber das System lässt’s einfach nicht zu. Das ist grausam.
Das könnte verhindert werden, wenn die Geburt besser begleitet und den Frauen mehr Zeit gelassen würde, sagt Tini. “Und das liegt nicht an den Klinik-Hebammen, das liegt ganz klar am Zeitfaktor.” Ein Teufelskreis. Denn diese Frauen brauchen viel mehr Hebammen-Nachsorge-Stunden. Zeit, die es offenbar nicht gibt.
Die Nachtdienste ohne Pause aufgrund der ständigen Unterbesetzung haben an Tinis Kräften gezerrt. Sie fühlte sich erschöpft und übermüdet und schlitterte Richtung Burnout, erzählt sie. Weil ihre Gesundheit darunter litt, verließ sie das Krankenhaus. Tini arbeitet nun selbstständig als Wahl-Hebamme. Sie betreut werdende Mütter vor und nach der Geburt. Sie kann sich ihre Pausen und ihren Tag selbst einteilen. So könne sie „ihren“ Familien endlich die Aufmerksamkeit schenken, die sie benötigen.
Zur Person: Tini arbeitet als freiberufliche Wahl-Hebamme in Wien.
Auf ihrer Instagram Seite @hebamme.tini klärt sie rund um das Thema Schwangerschaft & Geburt auf.
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