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Arbeitswelt

Hitzefrei auf der Baustelle? Für Beschäftigte eine seltene Ausnahme – das soll sich ändern

Hitzefrei auf der Baustelle? Für Beschäftigte eine seltene Ausnahme – das soll sich ändern
Es ist Mitte Oktober, die Tage werden langsam kühler, nach Hitzefrei ruft gerade niemand mehr. Aber die heißesten dieses Jahres haben sich vielen stark ins Gedächtnis eingebrannt, vor allem bei Arbeitnehmer:innen. Gerade für Beschäftigte am Bau sind Hitzetage eine enorme Herausforderung. Und es werden wieder welche kommen.

„Es waren die heißesten Monate, die ich bisher erlebt habe”, sagt Andreas Fischer zu MOMENT.at. Er ist Maurer in Hainfeld, Niederösterreich. Der Handwerker bildet sich das nicht ein. Der Sommer 2023 war der heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen. 

Arbeitsbedingungen am Bau unter Extremtemperaturen kaum auszuhalten

In Österreich sind dabei vor allem die rund 400.000 Outdoor-Beschäftigten der Hitze und UV-Strahlung im Freien oft schutzlos ausgeliefert. Darunter laut der Gewerkschaft Bau-Holz etwa 100.000 Beschäftigte am Bau – wie Fischer. 

Auf Dächern oder in Baugruben steigen die Temperaturen in den Sommermonaten auf bis zu 50°C. Die Folge: Kreislaufprobleme, Hitzschläge aber auch Langzeitfolgen wie Hautkrebs. Und durch die höhere Arbeitsbelastung steigt auch das Risiko auf Arbeitsunfälle. 

Hitzefrei? Kein Regelfall auf Baustellen

Fischer hat sich in diesem Sommer deshalb vier Mal „Hitzefrei“ genommen: „Waren die Temperaturen über 32,5 Grad, konnte ich zwei bis drei Stunden früher Schluss machen“, sagt der Maurer aus Niederösterreich. Damit hat er fast schon Glück. Dass das in seinem Betrieb so einfach möglich ist, stellt aber eine Ausnahme dar.

Was fehlt, ist ein Gesetz. Erst ab 32,5°C Schattentemperatur besteht auf Baustellen die Möglichkeit, das Arbeiten im Freien einzustellen. Das ist aber kein Recht. Die Entscheidung liegt in den Händen der Unternehmen. Bei hitzefreien Stunden bekommen die Arbeitnehmer:innen 60% vom Lohn. Unternehmen bekommen das zurück – von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK). 

Nur jede:r vierte am Bau Beschäftigte bekam Hitzefrei

Dass die freiwillige Gewährung von Hitzefrei durch Baustellenverantwortliche nicht ausreicht, verdeutlichen die Zahlen der BUAK für den Sommer 2023. Bei etwa 100.000 Beschäftigten am Bau gab es 71.000 Stunden hitzefrei. Also nicht einmal eine Dreiviertelstunde im Jahr. Trotz Hitzerekorden durfte sich nur jede:r vierte am Bau Beschäftigte stundenweise freinehmen. 

Das Arbeitsrecht in seiner jetzigen Form stammt aus einer Zeit, in der die Folgen der Erderhitzung noch wenig Rolle für die Politik spielten. Klima-Aktivist:innen von Fridays for Future und System Change not Climate Change, Arbeiterkammer und die Gewerkschaft Bau-Holz wollen das mit einer gemeinsamen Initiative ändern.

Menschen und Klima schützen statt Profite 

Das haben sie am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien bekannt gegeben. Gemeinsam fordern sie unter anderem:

  • ein verpflichtendes Recht auf bezahltes Hitzefrei bereits ab 30°C,
  • die Anpassung des Arbeitsrechts an die Folgen der Klimakrise
  • sowie eine ökologische Umrüstung öffentlicher Gelder im Gebäudesektor. 

„Wenn die Gesundheit der Beschäftigten am Bau weiterhin gefährdet wird, sehen wir uns zum Handeln gezwungen“, sagt GBH-Vorsitzender Josef Muchitsch. Werde bis zum nächsten Sommer nichts für Bauarbeiter:innen getan, würden Gewerkschaft und Klimabewegung „jene Baustellen blockieren, die trotz gefährlicher Hitze weiter schuften lassen“.

Eigeninitiative statt Arbeitnehmer:innenrechte?

Das ist natürlich keine Langzeitlösung. Andreas Fischer wünscht sich eine fixe Regelung seitens der Politik. Dass sein Betrieb ein Paradebeispiel darstellt, ist dem Maurer bewusst. „Bei Kolleg:innen in anderen Firmen gibt es oft Druck seitens der Auftraggebenden.” Fertigstellung des Projekts statt Hitzefrei sei die Devise. Es falle schwer von sich aus zu sagen „mir ist zu heiß, ich gehe jetzt nach Hause.” Deshalb braucht es geregelte Rechte.

Fischer weist darauf hin, dass die Arbeit auf der Baustelle bei Extremtemperaturen nicht den ganzen Tag niedergelegt wird. Oft sind es bereits sechs bis sieben Stunden in der Sonne, bevor das Thermometer über die Marke von 32,5 Grad im Schatten klettert. „Bis dahin ist man schon ordentlich ausgelaugt“, sagt Fischer. 

Würden klare gesetzliche Regelungen geschaffen werden, entlaste das auch die Arbeitgeber:innen, findet der Maurer. Denn dann gäbe es keine Grauzonen mehr. Eine leichte Verzögerung im Projekt ist dann gegenüber Auftraggebenden einfach zu erklären.

Die Anzahl der Hitzetage wird in Zukunft steigen. Je weniger Klimaschutz es gibt, desto mehr werden es. Und um diesen umzusetzen, wird auch viel gebaut und umgebaut werden. Faire Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten am Bau sind dabei die Grundlage. 

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