Naturkatastrophen: Kapitalismus will profitieren, Menschen wollen helfen

Elon Musk wäre nicht Elon Musk, würde er nicht in Katastrophenfällen großmäulig versprechen, was er dann nicht hält. So geschehen ist das bei Hurrikan Helene, dem “Auftakt” zu Hurrikan Milton. Betroffene bekämen gratis Internetzugang über “Starlink”, dem Satelliten-Internetsystem von SpaceX, so das Versprechen von Musk. Funktionierendes Internet kann die Situationen von Menschen in Katastrophengebieten auf jeden Fall verbessern. Ein menschenfreundliches Angebot von Musk?
Nun: “Gratis” ist ein dehnbarer Begriff. In diesem Fall bedeutet es: mindestens 400 Dollar zu zahlen. Denn wer das Angebot annimmt, muss erstmal so viel für die Geräte inklusive Lieferung hinlegen. Betroffene werden automatisch in einen Vertrag aufgenommen, der nach dem ersten Monat 120 Dollar kostet. Die Lieferzeit beträgt mehrere Wochen. Zusätzlich benötigt man Strom und eine funktionierende Handyverbindung zum Aktivieren.
Hurrikan Milton führt zu steigenden Preise für Flüge und Treibstoff
Nicht nur Musk schlägt Profit aus dem Leid der Menschen. Viele mussten aus Florida vor Hurrikan Milton fliehen. Nachdem Warnungen ausgesprochen wurden, häuften sich Berichte darüber, wie die Preise für Flüge sprunghaft anstiegen. Sie waren plötzlich zehnmal so teuer wie im Normalfall. Auch Hotelpreise und die Kosten für Treibstoff stiegen in vielen Regionen an.
Zwar ist in Florida ein Gesetz gegen “price gouging”, also Wucher, in Kraft getreten. Das gilt nur im Fall von Naturkatastrophen. Betroffene müssen Verstöße dagegen an eine Behörde melden. Die haben in Ausnahmesituationen aber andere Sorgen. Gegen allgemeine Verbote von Wucher hat sich die Republikanische Partei bisher gewehrt.
Nach der Katastrophe kommen die Heuschrecken
Die Profite sprudeln vor allem in den Nachwirkungen solcher Ereignisse – hier greift das Gesetz nicht mehr. Journalistin und Autorin Naomi Klein hat dafür den Ausdruck “Katastrophen-Kapitalismus” geprägt. Der profitiert von Unruhen, Umstürzen, Kriegen – und auch Naturkatastrophen.
Das funktioniert nach einem einfachen Prinzip: Nach schweren Naturkatastrophen herrscht ein Ausnahmezustand. Menschen haben genug damit zu tun, ihr Leben zu sortieren. Sie haben nicht die Kraft oder die Zeit, sich gegen Änderungen zu wehren. Auch die Politik ist oft überfordert. Für solche Situationen sind so manche Unternehmen bestens gewappnet.
Nach den verheerenden Tsunamis in Südostasien von 2004 waren etwa viele solcher Unternehmen am Wiederaufbau beteiligt. Nur, dass es dabei häufig nicht darum ging, die Regionen akut wieder aufzubauen. Sondern sie dauerhaft zu eigenen Gunsten neu zu formen. Internationale Unternehmen rissen sich Land unter die Nägel, bauten Ressorts für Tourist:innen und drängten auf Privatisierung.
Ähnliches geschah ein Jahr später in den USA. Hurrikane Katrina verwüstete New Orleans – und Unternehmen standen bereit, um Pläne zur Privatisierung des Schulsystems in die Tat umzusetzen. Öffentliche Schulen mussten schließen, viele wurden durch Privatschulen ersetzt. Lehrer:innen, die in Gewerkschaften waren, gekündigt. Und die Zerstörung vieler Häuser in der Stadt bezeichnete ein Immobilienmogul für seine Branche als “sehr große Chance”.
Man muss die Klimakrise als Chance sehen
Mit der Klimakrise steht uns die wohl größte Krise der Menschheit noch bevor. Viele von uns zerbrechen sich den Kopf über die Zukunft der Menschheit. Unternehmen darüber, wie sich das wohl auf ihren Profit auswirken könnte.
Das Medienunternehmen Bloomberg hat dazu einige Unternehmen befragt. Natürlich zeigten sich viele besorgt: Die Auswirkungen der Klimakrise haben durchaus negative Auswirkungen auf ihr Geschäft. Aber nicht alle waren so pessimistisch. So prophezeit die Bank Wells Fargo etwa, dass man durch die Auswirkungen der Klimakrise viel Geld brauchen werde. Man müsse sich schließlich auf Katastrophen vorbereiten oder betroffene Gebiete eben wieder aufbauen. Die Bank stehe bereit, um diese Vorhaben zu finanzieren.
Auch für Apple ist die Klimakrise zwar grundsätzlich negativ. Aber ihre Produkte würden einen höheren Bedarf nach Sicherheit und Bereitschaft befriedigen, damit gäbe es auch Chancen. Das iPhone diene schließlich auch als Taschenlampe oder Radio und man könne damit Anleitungen für Erste Hilfe-Situationen nachlesen.
Ganz nüchtern betrachtet wird die Klimakrise zu mehr schweren Naturkatastrophen führen. Damit wird es für Unternehmen noch mehr Möglichkeiten geben, scheinbar helfend einzuspringen, aber dabei in Wahrheit viel Geld mit der Notlage der Menschen zu verdienen.
Profite über alles
Viele Unternehmen schlagen Profit daraus, weil genau das ihr höchster Zweck ist. Doch Menschen reagieren bei schweren Katastrophen anders.
Natürlich gibt es auch bei schweren Naturkatastrophen manchmal Fälle von Plünderungen oder Diebstählen. Doch die werden von Medienberichten verstärkt, oft sogar übertrieben. Genau deswegen bleiben sie vielen stark im Gedächtnis. Solche Vorfälle kommen in Wahrheit wesentlich weniger oft vor, als viele Betroffene selbst glauben. Untersuchungen zeigen, dass ein anderes Phänomen nach Katastrophen in den Vordergrund rückt: Solidarität und Hilfsbereitschaft.
Der Lack der Zivilisation ist dicker als gedacht
Warum es so schwer ist, das zu glauben? Weil bei vielen von uns der Glaube vorherrscht: Menschen sind – besonders in Extremsituation – nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Das stimmt jedoch nicht. Kaum eine Geschichte symbolisiert das besser, wie die vom echten “Herr der Fliegen”.
Das Buch ist vor allem in englischsprachigen Ländern oft noch Pflichtlektüre. Der Inhalt: Eine Gruppe von Kindern strandet auf einer Insel und muss dort ums Überleben kämpfen. Nach und nach werden die Kinder immer gewalttätiger. Sie streifen ihre zivilisatorische Haut ab. Das Recht des stärkeren regiert. Im Kern ist der Mensch also brutal, so die Moral von der Geschichte.
Allerdings ist so eine Geschichte tatsächlich passiert – und doch ganz anders: 1965 ist eine Gruppe von sechs Buben zwischen 13 und 16 Jahren 15 Monate lang auf einer Insel bei Tonga gestrandet. Sie brachten niemanden um. Im Gegenteil: Die Jugendlichen kämpften gemeinsam ums Überleben, entwickelten sogar ein System zur Konfliktbewältigung. Und blieben Freunde.
Solidarität ist den Menschen näher
Man muss den Blick nicht einmal so weit schweifen lassen: Während und nach der Hochwasserkatastrophe in Teilen Österreichs haben zigtausende Menschen anderen geholfen. Obwohl sie sich selbst dadurch in Gefahr begaben und keine Bezahlung dafür bekamen. Manche sogar, obwohl sie von vielen Menschen sonst angefeindet werden.
Dem Menschen ist Solidarität in Katastrophen näher als Egoismus. Für viele Unternehmen im Kapitalismus gilt das Gegenteil. Doch die “Gesetze” des Marktes sind keine Naturgesetze – es muss nicht so sein.