Burnout: "Ich konnte nicht mal mehr den Geschirrspüler ausräumen"
Kurt (Name von der Redaktion geändert) war immer leidenschaftlich gerne Sozialarbeiter. In der Jugendwohlfahrt war er für Kinder und Jugendliche zuständig, deren Eltern sich aus verschiedensten Gründen nicht ordentlich um ihren Nachwuchs kümmern konnten: Weil sie psychisch krank waren, drogenabhängig, alkoholsüchtig, oder weil sie einfach Unterstützung bei der Erziehung benötigten.
Doch im Laufe der Zeit wurden Sozialarbeiter angehalten, jede Intervention, Handlung und Tätigkeit immer genauer zu dokumentieren. „Der bürokratische Aufwand war irgendwann so aufwendig, dass immer weniger Zeit für die wirkliche Arbeit blieb, nämlich die Familien zu besuchen und unterstützen,“ erzählt Kurt. Doch hier ging es schließlich um Menschen. Kindern, denen dringend geholfen werden musste. Kurt arbeitete immer härter. Er habe die Familien nicht „im Stich lassen wollen“. Der Stress nahm zu, Kurt ignorierte die körperlichen und seelischen Symptome des Burnouts, in das er langsam schlitterte. Doch irgendwann ging es nicht mehr. Er meldete sich krank. Monate brauchte er, um sich wieder zu erholen. „Ich war so müde und antriebslos, das erste halbe Jahr im Krankenstand konnte ich nicht einmal den Geschirrspüler ausräumen,“ erzählt der nunmehrige Frühpensionist.
Immer mehr von Burnout betroffen
Wie Kurt geht es Schätzungen zufolge rund 500.000 Österreichern. Und es werden immer mehr. Die Ausgaben für Invaliditätspensionen und Rehabilitationsgeld aufgrund psychischer Erkrankung ist zwischen 2007 und 2016 um 62 Prozent angestiegen. Die psychisch bedingten Krankenstandstage bei Erwerbstätigen im gleichen Zeitraum um 94 Prozent. Zwei Drittel der Frühpensionierungen resultieren aus psychischen Erkrankungen.
Heuer gab es erstmals eine repräsentative Umfrage zum Thema Burnout.
Während im ersten Stadium die Überlastung meist noch unerkannt bleibt, fällt im zweiten Stadium der betroffenen Person und noch mehr der Umgebung bereits auf, dass etwas nicht stimmt. Doch die Erschöpfung wird meist als persönliche Schwäche angesehen, in Folge wird noch schwerer gearbeitet. Der chronische Stress führt dann schließlich dazu, dass alle emotionalen und physischen Systeme hochgefahren werden, aus Gereiztheit und Schlafstörungen werden schließlich Angst- sowie Panikattacken. Doch leider ziehen auch hier viele noch nicht die Notbremse. Erst muss es zu Stadium drei kommen, wo sich völlige Erschöpfung, Arbeitsunfähigkeit und Depression einstellen.
Noch ist Burnout übrigens kein medizinisch anerkannter Begriff, das könnte sich bald ändern. ExpertInnen verstehen derzeit darunter einen Zustand von arbeitsbezogener Erschöpfung, der in späteren Stadien mit Depressionen und Angststörungen einhergeht.
Neben den drei bereits erwähnten Phasen eines Burnouts gibt es ein feineres Schema, das die Phasen des Burnouts gut darstellt.
Die Universität Graz hat diesen Selbsttest entwickelt, bei dem Menschen online selbst überprüfen können, ob sie bereits in einem bedenklichen Zustand sind. Dieser ersetzt freilich keinen Arztbesuch und sollte nur zur persönliche Einschätzung dienen.
Steigender Druck in der Arbeitswelt
Die Hemmschwelle sich bei psychischen Erkrankungen Hilfe zu holen ist gesunken. Doch die Ärztin Regina Hochmair, glaubt, dass es auch mehr Burnout-Fälle gibt als früher. Der Leistungsdruck in der Arbeitswelt ist gestiegen, die mit der Digitalisierung einhergehende Informationsflut und die ständige Erreichbarkeit fordern ihren Tribut. Hochmaier hat in der renommierten Rehabilitations-Klinik Pirawarth, das sich unter anderem auf Burnout-Patienten spezialisiert hat, viele Fälle wie Kurt erlebt.
„Im schwersten Stadium können diese Menschen nur noch Löcher in die Wände starren. Die Sinne sind abgeschaltet. Sie hören nichts mehr, verstehen nicht mehr was man zu ihnen sagt,“ so Hochmaier.
Doch was führt genau zu einem solch heftigen Burnout? Der Psychiater Karl Dantendorfer behandelt viele Betroffene und sieht bei all den höchst individuellen Geschichten eine Konstante: „Die Arbeit muss als sinnvoll empfunden werden. Sonst sinkt die Motivation. Wen die Arbeit erfüllt, der kann auch zwölf Stunden arbeiten, ohne krank zu werden.“
Doch es gibt sehr wohl Berufsgruppen, die ein besonders hohes Burnout-Risiko haben:
Wenn die Chefetage rechtzeitig reagiert
Auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind mittlerweile auf das Thema sensibilisiert. Dantendorfer lobt etwa das Früherkennungsprogramm der Ersten Bank. Hier wird auf Prävention gesetzt. Beschäftigten wird nach einem Burnout ein langsamer Berufseinstieg ermöglicht.
Regina Hochmair hat auch schon Chefs von kleinen Betrieben erlebt, die ihre Mitarbeiter zu ihr ins Kurzentrum Pirawarth geschickt haben: „Meist hatten diese davor aber selbst ein Burnout und haben deshalb die Anzeichen erkannt.“
Zeit für sich nehmen
Sie rät allen, die bereits beginnende Burnout-Symptome wie Schlafstörungen entwickelt haben, sich bewusst Zeit für sich selbst zu nehmen, auch wenn es noch so schwerfällt und Kinder und Familie ebenfalls die kostbare Freizeit einfordern. Bewegung und kreative Tätigkeiten helfen, damit sich die Gedanken nicht nur noch um die Arbeit drehen. Spannungszustände können sich endlich entladen. Wichtig ist, dass die individuellen Vorlieben zum Tragen kommen. „Manche malen gerne, andere erlernen lieber eine neue Sprache,“ so Hochmair.
Und ganz wichtig: Das Handy manchmal ausschalten. Die Ärztin mahnt: „Einige nehmen es ja sogar mit aufs Klo, weil sie ständig erreichbar sein wollen. Ich kann da wirklich nur noch den Kopf schütteln.“