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Klimakrise

"Vermögen wächst auch mit Vermögenssteuer weiter"

Der Linzer Sozioökonom Jakob Kapeller hat Modelle für Vermögenssteuern in Österreich durchgerechnet. Mögliche negative Folgen für privaten Reichtum und Unternehmen ließen sich abfedern, sagt er. Und: "Wer sein Vermögen einigermaßen gewinnbringend anlegt, wird es noch immer weiter vergrößern."

Der Linzer Sozioökonom Jakob Kapeller hat mögliche Modelle für Vermögenssteuern in Österreich durchgerechnet. Mögliche negative Folgen für privaten Reichtum und Unternehmen ließen sich abfedern, sagt er. Und: „Wer sein Vermögen einigermaßen gewinnbringend anlegt, wird es noch immer weiter vergrößern.“

 

Moment: Kann eine Vermögenssteuer steigende Ungleichheit und Konzentration von Reichtum in den Händen weniger in Österreich verringern?

Jakob Kapeller: Alle in unseren Berechnungen verwendeten Steuersätze sind der historischen Erfahrung nach zu gering, um die Konzentration des Vermögens aufzuhalten, das sich ganz oben ballt. Dieser Trend zur Anhäufung wird durch die in unserer Studie verwendeten Steuersätze aller Wahrscheinlichkeit nach nur leicht gedämpft. Wer sein Vermögen einigermaßen gewinnbringend anlegt, wird es noch immer weiter vergrößern. Um die Ungleichheit zumindest nicht noch größer werden zu lassen, müsste man ab einer Freigrenze von 10 bis 15 Millionen Euro schon mit 4 oder 5 Prozent Steuern ansetzen.

Moment: Sie haben verschiedene Modelle von Vermögenssteuern durchgerechnet. Die Sätze dort sind zumeist weit von diesen 5 Prozent entfernt. Was wäre denn ein realistischer Steuersatz und wieviel könnte man damit einnehmen?

Kapeller: Wir haben in einer Studie fünf verschiedene Modelle mit relativ bescheidenen Steuersätzen durchgerechnet. Einen davon sehe ich als am ehesten machbar: Es sieht einen Freibetrag von einer Million Euro vor, danach wird ein Steuersatz von 0,7 Prozent fällig. Ab einem Vermögen von zwei Millionen ist es 1 Prozent und alles über drei Millionen Euro wird mit 1,5 Prozent besteuert. Damit lassen sich rund 5,7 Milliarden Euro jährlich an Einnahmen lukrieren. Es könnten mehr sein, aber ich gehe davon aus, dass es Ausweicheffekte geben wird. Das muss nicht Steuerflucht sein, sondern kann auch Verschleierung oder Nichtangabe von Vermögen sein. Wenn das Vermögen am oberen Ende konzentriert ist, ist klar, dass eine gewisse Menge davon verschwindet, ungefähr 25 Prozent. Das ist pessimistisch geschätzt aus Sicht der Steuerbehörde, aber trotzdem nicht sonderlich viel.

Typische Steueroasen besteuern das Vermögen ja auch. Und dort rennt das Kapital trotzdem nicht davon.
 

Moment: Wird aufs Vermögen eine Steuer erhoben, könnten Reiche auswandern oder Kapital ins Ausland bringen. Das lohnt sich doch dann gar nicht?

Kapeller: Nein, das ist kein Argument. Ein großer Teil des Vermögens ist nicht mobil. Viel davon ist Betriebsvermögen und sind Immobilien. Vom Kapitalvermögen lässt sich sicher einiges in der Schweiz oder anderswo deponieren – falls es sich nicht ohnehin schon dort befindet. Der Anteil der Vermögenssteuern am BIP beträgt in den OECD-Ländern 0,5 Prozent (Anm. d. Red.: Dabei geht es nur um die Steuer auf Vermögenssubstanz, nicht um vermögensbasierende Steuern insgesamt). In der Schweiz und Luxemburg ist es etwa das Vierfache. Aber nicht nur, weil die jetzt besonders hohe Steuern hätten, sondern weil dort viel Vermögen liegt. Man sieht: Typische Steueroasen besteuern das Vermögen ja auch. Und dort rennt das Kapital trotzdem nicht davon. Beim Finanzvermögen haben wir sowieso ein Problem, weil wir ja schon jetzt um die Kapitalertragssteuer umfallen, wenn das Geld im Ausland gebunkert wird.

Moment: Das Argument der Kapitalflucht zu Ende gedacht, hieße: Der Staat kapituliert vor den Reichen, weil er erwartet, dass Vermögende ihre Besitztümer eh ins Ausland verlagern.

Kapeller: Ja, das ist vor allem ein strategisches Argument. Damit wird ein ein Abschreckungsszenario entworfen und die Diskussion unterbunden. Natürlich ist Kapital mobiler als Arbeit. Diese Probleme gibt es ja jetzt auch: Es gibt Umsatzsteuerbetrug in der EU und Gewinnverschiebungen transnationaler Konzerne. Das wird nicht zu lösen sein ohne eine internationale Einigung. Aber kein Unternehmer in Oberösterreich denkt sich: Jetzt bau ich meine Fabrikhallen ab und fahr nach Ungarn, weil ich mir da ein halbes Prozent Steuer auf das Firmenvermögen spare, das über einer bestimmten Freigrenze liegt. Das ist schon ein harter Akt.

Wenn Hausbesitzer die Steuer einfach auf die Mieter überwälzen können, heißt das: Es ist nicht genug Wettbewerb am Wohnungsmarkt da.

Moment: Was ist mit der Vermögenssteuer auf Wohnungen, die vermietet werden? Mieter müssten doch letztendlich die Steuer bezahlen, weil Hausbesitzer diese auf sie abwälzen?

Kapeller: Wenn man die Steuer einfach überwälzen kann, heißt das: Es ist nicht genug Wettbewerb am Wohnungsmarkt da. Wenn die EigentümerInnen zusätzliche Belastungen haben, können sie die ja nur weitergeben, wenn sie eine gewisse Preismacht haben. Man muss diese Gefahr ein bisschen mitdenken für Wien, Innsbruck, Kitzbühel, also Orte, wo Wohnungen Spekulationsobjekte sind. Das ist aber ein Problem des Wohnungsmarkts. Aber das ist nichts, was man nicht aus der Welt bekommt: Es ist regelbar mit Preisbindungen, Höchstgrenzen und sozialem Wohnungsbau.

Moment: Welchen Stellenwert haben Erbschaften heute dabei, wie man im Leben finanziell vorankommt?

Kapeller: In Österreich wird man inzwischen durch Erben reich. Während vor 50 Jahren breite Massen durch Arbeit vielleicht nicht reich werden, aber zumindest einen gewissen Wohlstand aufbauen konnten, gelingt dies heute nur mehr einer Minderheit. Diese Veränderung sieht man auch daran, dass die Erbschaften einen immer höheren Anteil am BIP haben. Die Erbschaftssteuer ist eigentlich ein liberales Konzept zur Sicherung gleicher Lebenschancen. Wenn es Erbschaften gibt, gibt es ja nie eine Chancengleichheit.

Moment: Ist ein geerbtes Vermögen für den Erben ein steuerfreies leistungsloses Einkommen?

Kapeller: Grundsätzlich ja. Für diejenige Person, die ein Erbe antritt, ist das ein neues Einkommen. Aber das sagen Erben ja nie. Sie sagen immer: Der Opa hat ja dafür schon Steuern gezahlt.

Moment: Aber stimmt das nicht? Die Erbschaftssteuer zwackt von einem durch Einkommens- und Gewinnsteuern bereits versteuerten Vermögen einen Teil ab? Das ist eine Doppelbesteuerung.

Kapeller: Doppelbesteuerungen in diesem Sinne gibt es aber häufig: Wenn Sie sich von ihrem Einkommen eine Wurstsemmel kaufen, ist Ihr Einkommen auch doppelt besteuert: Erst durch die Lohnsteuer und dann durch Umsatzsteuer. Es ist nun einmal so, dass an verschiedenen Stellen im Wirtschaftskreislauf Steuern fällig werden. Wenn etwas ein Skandal ist, dann doch wohl, dass derjenige, der 1.500 Euro verdient, dafür zuerst Lohnsteuer zahlen muss und dann bei jedem Kauf 20 Prozent Mehrwertsteuer. Während derjenige, der sich im Laufe des Lebens ein Vermögen aufbaut, keine Steuer zahlt. Im Sinne der Gleichheit könnte man sagen: Wer sein Geld ausgibt, zahlt 20 Prozent Umsatzsteuer, wer es spart, zahlt nichts. Also sind 20 Prozent Erbschaftssteuer wohl grundsätzlich legitim und vertretbar.

Die meisten Leute realisieren nicht, wie unfassbar ungleich Erbschaften verteilt ist. Da geht’s hauptsächlich um fehlende Information.
 

Moment: Bei einer Erbschaftssteuer mit einem Freibetrag von einer Million Euro, wären 98% der Erbschaften steuerfrei. Warum ist dennoch die Aufregung so groß?

Kapeller: Die meisten Leute realisieren nicht, wie unfassbar ungleich Erbschaften verteilt sind. Da geht’s hauptsächlich um fehlende Information. Jeder und jede sieht seine potenzielle Erbschaft in Gefahr. Daraus entsteht eine Beharrungstendenz gegen die Steuer. Die Erbschaft hat für die Menschen eine hohe emotionale Bedeutung.

Moment: Wer einen Betrieb erbt, müsste bei einer Erbschaftssteuer einen teils erheblichen Betrag abführen. Hat die Person keine eigenen Mittel dafür, könnte die Firma Pleite gehen oder zerschlagen werden.

Kapeller: In Deutschland gibt es eine Erbschaftssteuer. Ich habe noch nie von einem Unternehmen gehört, das nach dem Erbe zusperren musste, weil keine anderen Ressourcen da waren, aus denen eine etwaige Steuerpflicht bedient werden konnte. Bei Haushalten mit Firmenbesitz ist es typischerweise so, dass die Firma zwar ein großer Teil des Vermögens ist, aber nie der einzige Teil. Die Restbestandteile sind in absoluten Zahlen ja auch sehr substanziell. Wir besteuern eben die Leistungsfähigsten. Da muss kein funktionierender Betrieb zudrehen; im schlimmsten Fall müssten die Betriebe wohl verkauft werden. Aber auch dies ist eher unrealistisch.

Moment: Aber Unternehmen erleiden durch eine Vermögenssteuer doch einen Wettbewerbsnachteil?

Kapeller: Das ist aus meiner Sicht kein solides Argument. Denn die zur Zeit diskutierten Modelle besteuern am Ende nicht die Unternehmen, sondern die privaten Haushalte. Die können dann also weniger Gewinne aus dem Unternehmen langfristig an sich binden. Dieses Argument würde nur stimmen, wenn die InhaberInnen die Steuer aus dem Unternehmen entnehmen und daher die Investitionen zurückfahren. Das wäre betriebswirtschaftlich allerdings kurzsichtig – und das wissen UnternehmerInnen typischerweise.

Moment: In Verlustjahren wird mit der Steuer ein Unternehmen aber noch mehr belastet.

Kapeller: Nicht unbedingt. Zum einen, weil ja wiederum die EigentümerInnen belastet werden und nicht die Firma selbst. Zum anderen ist dies auch eine Frage der Bewertung von Firmenvermögen: Orientiert man diese am laufenden Ergebnis, so sind in Verlustjahren unter Umständen gar keine Vermögenssteuern abzuführen.

Dinge, wie Autos und Kunst kann ich von der Steuer ausnehmen. Das ist bei solchen Haushalten im Normalfall nicht weiter von Bedeutung.

Moment: Aber so wirkt es ja: Eine Firma wird nach ihrem Vermögen, Werten, Anlagen, Immobilien entsprechend taxiert. Das wird dann steuerpflichtig, also auch in Jahren ohne Gewinn.

Kapeller: Wie man eine Firma bewertet, ist eine offene Frage. Macht man es über Buchwert, dann sollte nur das Eigenkapital zählen. Man kann es, wie gesagt, auch über den in den nächsten Jahren zu erwartendem Cashflow machen. Bei Firmenkäufen passiert das ja auch. Dort berechnet man, was man in den nächsten 10 oder 20 Jahren verdienen kann. Diesen Preis bezahlt man dann. Fakt ist: Das Unternehmen wird in den derzeit diskutierten Modellen nie direkt besteuert.

Moment: Vermögenssteuern werden auch kritisiert, weil das Steueraufkommen zu gering und der Aufwand sie einzutreiben zu hoch sei. Stimmt das? Und kann es einfacher gehen?

Kapeller: Erstens braucht man ein Verzeichnis für Immobilien. Das kann nicht so schwer sein und es wäre auch aus anderen Gründen vorteilhaft – etwa um die Grundsteuer treffsicherer zu gestalten. Denn mit dem jetzt gebräuchlichen Einheitswert, mit dem Immobilien besteuert werden, sind wir weit weg von der Realität. Zweitens: Dinge, wie Autos und Kunst kann ich von der Steuer ausnehmen. Der alte Meister, der im Vorzimmer hängt? Das ist bei solchen Haushalten im Normalfall nicht weiter von Bedeutung. Drittens: Wenn ich bei Unternehmen das Eigenkapital besteuere, dann brauche ich mir nur die letzte Bilanz ansehen. Das dauert zehn Sekunden. Man sollte nicht zu viele Ausnahmen machen und auch keine Regeln vorsehen, wo dann der Gutachter kommen muss, um die Juwelen der Oma zu bewerten. Dann steigt eine Vermögenssteuer im Verhältnis von Aufwand zu Erträgen relativ gut aus.

Zur Person: Jakob Kapeller ist Professor für Sozioökonomie mit Schwerpunkt Plurale Ökonomik an der Universität Duisburg-Essen und Leiter des Instituts für die Gesamtanalyse der Wirtschaft an der Universität Linz. Er fungiert als Herausgeber des Heterodox Economics Newsletter und forscht transdisziplinär zu ökonomischem und sozialem Wandel, Geschichte des politischen und ökonomischen Denkens sowie Philosophie der Sozialwissenschaften. Er ist Mitglied im Advisory Board des Momentum-Instituts.

 

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