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Klimakrise

"Überbevölkerung" ist nicht das Problem – wir sind es.

Manche behaupten, die "Überbevölkerung" ist das große Problem der Klimakrise. Das ist falsch. Aber was ist dann für die Erderhitzung verantwortlich? Katharina Rogenhofer erklärt.

 

 

Menschen verursachen Treibhausgase. Mehr Menschen verursachen mehr Treibhausgase. Da könnte man meinen, das weltweite Bevölkerungswachstum ist das Problem für das Klima. Manche behaupten das immer wieder. Aber der erste Blick kann täuschen. Und das Argument verdeckt die wirklichen Ursachen und Verantwortlichen für die Erderhitzung.

„Überbevölkerung“ ist nicht das Problem

Ja, die Bevölkerung der Erde wächst. Im November 2022 stieg die Zahl der Menschen auf über acht Milliarden. Und da mehr Menschen auch mehr Emissionen bedeuten, liegt für viele der Schluss nahe, dass die wichtigste Maßnahme im Kampf gegen die Klimakrise ein Stoppen des Bevölkerungswachstums wäre.

Aber sehen wir uns an, wo die Bevölkerung besonders wächst. Die Top 20 Länder dabei liegen in Afrika – nur unterbrochen von Afghanistan. In Niger zum Beispiel wuchs die Bevölkerung 2021 um 3,7 Prozent gefolgt von Uganda, Mali und dem Tschad bis Äthiopien mit 2,6 Prozent Wachstum.

Aber genau diese Länder haben meist einen sehr niedrigen CO2 Ausstoß. In Niger etwa stößt ein Mensch durchschnittlich 0,1 Tonne CO2 pro Jahr aus. 1,5 Tonnen gelten als verträglicher Lebensstil für unser Klima. In Österreich stoßen wir pro Person 7,4 Tonnen aus. Eine Person in Österreich erzeugt also so viele Emissionen wie 74 Menschen aus Niger.

Das Problem ist unser CO2-intensiver Lebensstil

Klar ist: Wenn unser Planet für Menschen bewohnbar bleiben soll, kann keiner dieser 74 Menschen so leben wie wir. Wir aber auch nicht. Das Problem sind hier wie da eben nicht die Menschen, sondern ein CO2-intensiver Lebensstil. Babys in anderen Ländern zum Problem zu erklären, verbessert daran gar nichts. Selbst wenn Niger und viele andere Länder von heute auf morgen schrumpfen würden. Wir in den Ländern des globalen Nordens würden auch ganz allein weiterhin zu viele Emissionen produzieren.

Das weltweite Bevölkerungswachstum wird sich außerdem einpendeln. Irgendwo zwischen 9 und 11 Milliarden Menschen wird Schluss sein. Danach steuern wir auf eine schrumpfende Weltbevölkerung zu.

Was ist die Wurzel der Klimakrise?

Deshalb müssen wir zur Wurzel der Klimakrise vordringen, anstatt Frauen in anderen Ländern vorzuschreiben, was sie mit ihrem Körper zu tun oder nicht zu tun haben. Denn das Problem ist und bleibt der Ressourcenverbrauch und Treibhausgasausstoß der Industrienationen. Summiert man weltweit die Emissionen jedes Landes seit der industriellen Revolution auf, sieht man das eindrücklich. Die USA und die EU haben am meisten Emissionen produziert, gefolgt von China und Russland.

WIR müssen also unsere Emissionen verringern, nicht die Menschen in Niger. Das gilt auch für Österreich. Am 6. April war unser nationaler Overshoot-Day. Das heißt: würden alle Menschen so leben wie in Österreich, wären die Ressourcen der Welt für 2023 nach etwas mehr als drei Monaten bereits aufgebraucht. Wir bräuchten 3,8 Erden, um über das Jahr zu kommen. Seit April leben wir auf Kosten anderer.

Hört auf, Geburtenkontrolle zu fordern!

Anstatt also in anderen Ländern Geburtenkontrolle zu fordern, müssen wir den Beweis antreten, dass ein gutes Leben auch ohne Emissionen möglich ist. Wir müssen einen Lebensstil finden, den andere nachmachen können. Denn wir sind diejenigen, die das nicht tun.

Die gute Nachricht: Wir können das. Indem wir in gut gedämmten Häusern leben, öffentlich von A nach B kommen und nachhaltige Energie produzieren, statt Öl, Kohle und Gas zu verbrennen. Wenn wir ein klimaneutrales Leben mit Wohlstand für alle schaffen, können andere Länder es nachmachen. Länder in Asien, Afrika und Südamerika müssen dann nicht über den verschmutzenden Weg zu Wohlstand kommen, den wir gewählt haben.

Es braucht Klimafinanzierung

Das Überspringen einer Technologie nennt man wissenschaftlich „Leap-Frogging“ und es ist zum Beispiel in der Festnetztelefonie passiert. Während Europa und viele andere Länder kräftig Leitungen dafür ausbauen mussten, haben Länder in Afrika die Technologie übersprungen, sind gleich zu Mobiltelefonie übergegangen und haben sich teure Infrastruktur gespart. Warum sollte das nicht mit Erneuerbaren Energien, guten Stadtplanungskonzepten, oder öffentlichem Verkehr der Fall sein? Dazu braucht es statt dem erhobenen Zeigefinger aber Vorbildwirkung – und internationale Klimafinanzierung!

Zusätzlich sind wir Mitverursacher des CO2-Ausstoßes anderer Länder. Denn nicht alles, was wir bei uns konsumieren, wurde innerhalb unserer Landesgrenzen hergestellt. Rechnen wir diese Emissionen auf unser Konto, kommen wir in Österreich auf 9,1 Tonnen pro Kopf, statt auf 7,4. Das CO2, das in China, Bangladesch und anderen Ländern für uns ausgestoßen wird, können wir beschränken, indem wir international agierenden Konzernen Regeln auflegen. Zum Beispiel, indem wir CO2-Zölle an der EU-Außengrenze einheben, oder ein starkes Lieferkettengesetz einführen. Was das bringen würden, erkläre ich dir hier.
 

 

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