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Demokratie
Kapitalismus

Konzerne behalten die Lizenz zur Steuerverweigerung – und ihre Staatshilfen

Die Regierung kündigt an, dass Konzerne nicht mit Hilfe rechnen dürfen, wenn sie nicht anstandslos ihren Steuerbeitrag in Österreich leisten. Die Realität sieht anders aus.

Die Regierung kündigt an: Wer als Konzern nicht anstandslos seinen Steuerbeitrag in Österreich leistet, der braucht nun auch nicht mit Hilfe zu rechnen. Klingt gut, aber in Wirklichkeit bleibt man davon weit entfernt.

Wenn du jemals in Malta bist, fahr auf der felsigen Insel doch einmal in das Städtchen Msida. Such dort in einer kleinen Seitengasse einen Kreisverkehr namens “Cirku Msida” und schau nach Nordosten. Inmitten einiger Wohnhäuser wirst du vielleicht einen Aufkleber in einer Fensterscheibe finden, der dich an Zuhause erinnert.

Auf Google Maps, da erkennt man ihn jedenfalls heute noch. Es ist ein Aufkleber der Möbelkette “XXXLutz”. Hier ist der eingetragene Sitz einer ihrer Firmen – der “XXXLutz Marken GmbH”. Von Außen sieht das Gebäude aus, als würde sich hier irgendjemand ein Zubrot verdienen, indem er von zuhause nebenbei gestrickte Socken verkauft.

Lass dich aber nicht täuschen vom spärlichen Auftritt. Tatsächlich wird hier ganz schön Umsatz gemacht. 69 Millionen Euro Einnahmen gab es 2018 (das Jahr mit der jüngsten verfügbaren Bilanz). Dafür arbeiteten damals hier sieben MitarbeiterInnen – darunter drei AnwältInnen aus Malta und Deutschland, die die Geschäfte führen. Das Modell ist seit Jahren bekannt, das Unternehmen dürfte aber auch heute noch aktiv sein, „XXXLutz“ beantwortete die Frage dazu aber auf unsere Anfrage nicht konkret.

So ein lukratives und kleines Büro und Unternehmen an einem unwahrscheinlich wirkenden Ort, das hat aber auch nicht nur „XXXLutz“. So etwas haben viele größere Firmen der Welt. Sie tummeln sich an Orten wie den Cayman Islands, in Panama oder auch in Irland. Manchmal sind es tatsächlich kleine Büros, manchmal nur Briefkästen. Dahinter steckt eine legale Methode, um ihren Beitrag zum Gemeinwesen in gut ausgebauten Ländern wie Österreich klein zu halten. 

Die Lizenz zur Steuerverweigerung

Wir nennen das Steuerverweigerung. Und das funktioniert sehr einfach gesagt so: Ausgaben, die eine österreichische Firma an eine auch eigene ausländische überweist, können in Österreich vom Gewinn abgezogen werden. Unternehmensgewinne müssen in Österreich mit 25 Prozent besteuert werden. In Malta sind es mit den richtigen BeraterInnen nur 5 Prozent. Den Unterschied, den kann man sich zum Beispiel als Dividende “steuerschonend” rücküberweisen lassen. Ein anderer Grund lässt sich für solche Konstrukte schwer ausdenken.

Aber man kann nicht einfach so Millionen Euro in ein anderes Land überweisen. Man muss damit etwas kaufen. Häufig zahlen diese Konzerne deshalb Lizenzgebühren für Marken. Weil sehr schwer zu sagen ist, was eine Marke wirklich wert ist, kann der Preis sehr frei festgelegt werden. 

Insgesamt entgehen dem österreichischen Staat nach Berechnungen des Momentum Instituts durch Steuerverweigerung von multinationalen Konzernen 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. Weltweit werden geschätzte 40 Prozent der Gewinne von multinationalen Konzernen in Steuersümpfen gemeldet.

 

In die “XXXLutz Marken GmbH” auf Malta flossen aus Österreich allein im Geschäftsjahr 2018 knapp 43 Millionen Euro an “Lizenzgebühren” (“Royaltys”). Das geht aus dem maltesischen Firmenregister hervor. Müsste diese Summe in Österreich voll versteuert werden, hätte Österreich nur in diesem einen Jahr knapp 11 Millionen Euro eingenommen.

Mit diesen virtuellen 11 Millionen Euro könnte der Staat jetzt hunderten oder vielleicht gar tausenden MitarbeiterInnen die Kurzarbeit finanzieren. „XXXLutz“ hat laut Medienberichten in der Corona-Krise 8.500 Menschen in Österreich in Kurzarbeit geschickt. 

Bekanntes Problem, politisch ignoriert

Wie lange dieses Problem mit Steuerkonstrukten sich schon aufstaut und wie bewusst es politisch einfach nicht aufgegriffen wird, zeigt sich auch konkret an dieser Konstruktion: Die maltesische “XXXLutz Marken GmbH” wurde im Jahr 2007 gegründet. Damals war Hans Jörg Schelling ein Geschäftsführer der Möbelkette. Der ÖVP-Politiker war insgesamt fast zwei Jahrzehnte in leitender Funktion im Unternehmen. 2009 hat er seine Anteile daran verkauft. Er wurde dadurch laut Medienberichten Millionär. 

Später wurde Schelling auch Finanzminister in Österreich. Zur Steuerverweigerung von Konzernen befragt, sagte der Minister: “Wenn jemand die Gestaltungsmöglichkeiten legal nutzt, ist nicht er in der Verantwortung, sondern wir als Staat. Unsere Aufgabe ist es natürlich, überbordende Steuervermeidungsmöglichkeiten zu beenden.” Schelling meinte offensichtlich etwas anderes. Denn er beendete als Finanzminister die ihm sicher bekannte Malta-Methode nicht. 

Dabei kamen genau in seiner Zeit diese und ähnliche Steuertricks sogar öffentlich unter Beschuss. Ein journalistisches Projekt enthüllte die sogenannten “Panama Papers”, in denen Beispiele zwischen legaler aber moralisch fragwürdiger Steuerverweigerung und illegaler Steuerhinterziehung variieren. In deren Datenbanken findet sich auch die “XXXLutz Marken GmbH”. Die wohlgemerkt trotzdem legal ist und bleibt. “Unser Unternehmen hält sich an alle Gesetze und Vorgaben und gesetzlichen Rahmenbedingungen”, das betont man auf Anfrage auch bei XXXLutz.

Der große Umschwung?

Wer Steuern verweigert, der bekommt keine Staatshilfen in der Corona-Krise. So klingt es seit Mittwoch aus den Regierungsparteien. Man folge damit dem Vorbild von Dänemark und Polen und sei erst das dritte Land Europas, das so einen Schritt tue. Das betonte Nina Tomaselli (Grüne), die gemeinsam mit Karlheinz Kopf (ÖVP, er hatte keine Zeit für eine Stellungnahme) am Mittwoch den von allen Parteien gemeinsam angenommenen Antrag im Parlament stellte.

Wer eine Firma in einem Land hat, das auf der EU-Schwarzliste der Steuerverweigerung steht, falle aus dem 38-Milliarden-Euro-Schutzschirm raus. Der werde schließlich aus Steuergeld finanziert. „Wer sich durch Steuervermeidung unsolidarisch verhält, darf sich auch keine Solidarität erwarten“, sagt die Grüne. Der Antrag muss nun erst in ein Gesetz gegossen und ausgestaltet werden. Welche und wie viele Konzerne vom Förderverbot überhaupt betroffen sein würden, ist weder den AntragstellerInnen noch dem eingebundenen Finanzministerium bekannt. Es dürfte wohl eher eine nette Geste gegen Steuerverweigerung werden, die aber bei weitem nicht alle Tricks umfasst.

Auf der besagten EU-Liste stehen nur 12 Länder. Es sei sinnvoll, sich an anerkannte Definitionen zu halten, sagt ein Sprecher des Finanzministeriums. Aber der größte Teil der österreichischen Steuerverweigerung geschieht dort nun einmal trotzdem nicht. Malta und andere EU-Mitglieder mit Steuersumpfgesetzen sind nicht unter diesen Ländern. Deshalb würde etwa ein Konstrukt wie das von „XXXLutz“ offensichtlich nicht zu einem Förderverbot führen. Dort behält man sich übrigens auch weiterhin vor, „sinnvolle Unterstützungsmaßnahmen der Regierung bzw. des Schulterschlusses aller Parteien für unsere Mitarbeiter in Anspruch zu nehmen“. (Und ist damit natürlich nicht allein: Diese Konzerne bekommen Staatshilfen)

Österreich als Bremser

Für die NGO “Attac” ist das österreichische Gesetz jedenfalls zu wenig. Wenn Konzerne Staatshilfen bekämen, sollten sie ihrerseits dem Finanzamt nachweisen, dass sie solche Konstruktionen nicht nutzen. Sie fordert dafür sogenannte öffentliche Länderberichte, die weltweite Steuern und Gewinne des Unternehmens ausweisen. Das finden weltweit viele ÖkonomInnen und ExpertInnen gegen Steuerhinterziehung schon lange sinnvoll. (Hier findest du konkrete Schritte, die die Steuerverweigerung beenden könnten.) „Attac“ will, dass Österreich seine Blockadehaltung dagegen auf EU-Ebene aufgibt.

Im Finanzministerium sieht man die Veröffentlichung solcher Berichte „kritisch“. Das würde womöglich die internationale Kooperationsbereitschaft senken. Man wähnt sich weiter als „internationaler Vorreiter im Kampf gegen gegen Steuerverschiebungen/aggressive Steuerplanung“.

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