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Demokratie
Ungleichheit

Krieg in der Ukraine: Geht der Welt der Weizen aus?

In der "Kornkammer der Welt" brennt es. Russland hat den Export von Weizen gestoppt, die Ukraine ist ohnehin nicht mehr in der Lage zu liefern. Mit dem Angriffskrieg auf den fünftgrößten Weizen-Exporteur der Welt gefährdet Präsident Putin nicht nur die Ukraine, sondern das Leben vieler hundert Millionen Menschen. Wir erklären dir der Reihe nach, ob der Welt jetzt der Weizen ausgeht, und was wir dagegen tun können.

Wer produziert Weizen für die Welt?

Der meiste Weizen kommt aus Russland. Dahinter folgen die EU, USA und Kanada. Als fünftgrößter Exporteur liefert aber auch die Ukraine zehn Prozent des weltweit gehandelten Weizens. Russland und die Ukraine kommen zusammen auf 27 Prozent. Weizen ist das wichtigste Getreide der Welt. 35 Prozent der Weltbevölkerung sind darauf angewiesen.

Ist die Weizen-Produktion gerade in Gefahr?

Ziemlich sicher. Die Lieferungen aus der Ukraine könnten wegen des Kriegs sogar ganz ausfallen. In der Landwirtschaft fehlt Personal, weil ukrainische Bauern kämpfen müssen. Die Kampfhandlungen und die allgemeine Situation behindern die Aussaat und blockieren Transportwege. Auch der Schiffsverkehr in Teilen des Schwarzen Meers ist eingestellt worden. Darüber wurde bisher mehr als die Hälfte der Agrarprodukte der Ukraine exportiert.

Russland hat unterdessen die Ausfuhr von Weizen, Gerste und Roggen bis zumindest 30. Juni gestoppt. Das soll die Preise im eigenen Land stabilisieren. Einige Ausnahmen gibt es aber: etwa für die russischen Separatistengebiete Donezk und Luhansk, und wegen Lizenz-Vereinbarungen.

Wen wird das besonders betreffen?

Jene 800 Millionen Menschen der Welt, deren Ernährung auch vor Kriegsbeginn nicht sichergestellt war. Sie sind besonders auf Getreide aus dem Ausland ausgewiesen, das nun fernbliebt. Dadurch könnten noch einmal eine Milliarde Menschen mehr an Hunger leiden. Seit Beginn der Corona-Pandemie steigen diese Zahlen bereits, nun explodieren sie förmlich.

Besonders fatal dürfte es für einige Länder Nordafrikas und des Mittleren Ostens werden. Dort kommt teilweise mehr als die Hälfte des Weizens aus der Ukraine oder aus Russland. Frauen und Kinder werden die Auswirkungen zuerst und am härtesten zu spüren bekommen. Alle dreizehn Sekunden stirbt der Welthungerhilfe zufolge ein Kind. Diese Zahl könnte wieder einstellig werden.

Aber auch der arabische Raum, Indonesien und China bekommen die Folgen stärker zu spüren. Dorthin wird besonders viel ukrainischer Weizen und Mais geliefert. Weizen ist seit Kriegsbeginn um ein Drittel teurer geworden. Laut UN-Landwirtschaftsorganisation (FAO) könnte sich der Anstieg bei rund 8,5 Prozent einpendeln – abhängig davon, wie lange der Krieg noch dauert.

Was bedeutet das für die Ukraine?

Noch kann die Ukraine ihren Bedarf selbst decken. Nur ein Bruchteil des produzierten Getreides wird selbst benötigt, der Rest exportiert. Darüber hinaus ist aber Vieles unsicher, wie Landwirtschaftsexperte Franz Sinabell vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) erklärt: “Russland könnte Hunger als Instrument zur Erreichung der Kriegsziele nützen. Dann wäre die an sich gute Versorgungslage der Ukraine in Gefahr. 42 Millionen Ukrainer:innen mitzuversorgen, um eine Hungerkrise zu unterbinden, wird eine große Herausforderung.”

Zudem würden einige landwirtschaftliche Betriebe ihre Dieselvorräte abfackeln, um russische Panzer am Weiterfahren zu hindern, sagt Sinabell. Dieser Diesel fehlt dann aber der Landwirtschaft, die zehn Prozent des ukrainischen Bruttoinlandsprodukts ausmacht.

Wie wirkt sich das auf Österreich aus?

Österreich wird die Ernte- und Lieferausfälle vor allem über höhere Lebensmittelpreise in den kommenden Monaten zu spüren bekommen. Die Versorgung dürfte aber sichergestellt sein, denn mehr als 85 Prozent des Getreides wird in Österreich selbst angebaut. Kurz- bis mittelfristig werden Brot und Mehlprodukte nicht teurer werden. Darüber hinaus sind Prognosen aber schwierig.

Auch bei anderen Grundnahrungsmitteln wie Mais, Fleisch und Milch sehen Expert:innen keine Gefahr. Futtermittel können aus EU-Ländern beschafft werden. Bei den pflanzlichen Ölen kann die Eigenproduktion erhöht werden. Schwieriger wird es bei Düngemittel. Für deren Herstellung wird Erdgas benötigt, und dessen Preis ist aktuell um das Vierfache höher als noch vor einem halben Jahr. Außerdem werden Saisonarbeiter:innen aus der Ukraine fehlen, die normalerweise die schwere und schlecht entlohnte Arbeit in der Landwirtschaft verrichten.

Was kann man in der Ukraine tun?

Die ukrainische Landwirtschaft braucht dringend Treibstoff und Düngemittel. Die dafür notwendigen fossilen Energien sind für den Landwirtschaftssektor teuer und kaum zu beschaffen, da vieles für den Krieg gebraucht wird. Mit zusätzlichen Güterzügen aus der EU könnte zudem der Wegfall der Schwarzmeer-Häfen ausgeglichen werden.

Was kann man außerhalb der Ukraine tun?

Ein nächster, wichtiger Schritt für die weltweite Getreideversorgung ist die Wiederherstellung beschädigter Böden. Dadurch kann weit mehr geerntet werden. Die Hälfte aller Böden ist in einem schlechten Zustand, der Aufwand wäre vergleichsweise gering. Schuld daran sind meist Monokulturen und die Klimakrise, die Dürre und Wasserverknappung begünstigen.

Was kannst du tun?

Gerade Menschen in reichen Ländern sollten ihren übermäßigen Fleischkonsum überdenken. In einem Kilogramm Rindfleisch stecken 6,5 Kilogramm Weizen. Auch die Lebensmittelverschwendung darf nicht außer Acht gelassen werden. Ein Drittel aller produzierter Lebensmittel wird nie gegessen.

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