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Arbeitswelt

Wenn das Unternehmen dir Geld unterschlägt: Kavaliersdelikt Lohndiebstahl?

Eine Nähmaschine näht ein T-Shirt auf dem "Wanted: Have you seen this paycheck" auf Englisch steht. Übersetzt auf Deutsch: "Gesucht: Haben Sie diesen Lohzettel gesehen?"

Fast 900 Millionen Euro pro Jahr werden ArbeitnehmerInnen allein an Überstunden unterschlagen.

Welche Art von Diebstahl sorgt in Österreich für den größten finanziellen Schaden? Raub? Einbrüche? Autodiebstahl?

Nein. Es ist der Lohndiebstahl. Ein Delikt, dass es genau genommen nicht gibt. Das Vorenthalten von Löhnen und Gehältern gilt offenbar als Kavaliersdelikt.

Dabei richtet es ziemlich viel Schaden für einzelne Menschen aber auch die Gesellschaft und Wirtschaft an. Allein nicht bezahlte Überstunden verursachen in Österreich pro Jahr einen Schaden von 885 Millionen Euro. Das ist mehr als das Doppelte von „klassischen Eigentumsdelikten“. 

 
Lohndiebstahl verursacht 885 Millionen Euro Schaden pro Jahr. Die Schadenssumme ist doppelt so hoch, wie alle die Eigentumsdelikte, nämlich 406 Millionen Euro.

Im Gegensatz zu diesen Straftaten steht der „Lohndiebstahl“ aber nicht im Strafgesetzbuch. Werden ArbeitnehmerInnen von ihrem Unternehmen um den Lohn gebracht, bleibt ihnen nur der Gang zum Arbeitsgericht. Dort können sie bei „Unterentlohnung“ im für sich besten Fall die Nachzahlung erstreiten. Dem Unternehmen blühen dabei laut dem Arbeitsrecht-Professor Martin Gruber-Risak von der Uni Wien höchstens Verwaltungsstrafen. Von diesen Strafen betroffen sind vor allem Unternehmen, die grundsätzlich schlecht zahlen und darüber hinaus noch Löhne (z.B. in Form unbezahlter Überstunden) unterschlagen.

Gesetze zeigen Machtverhältnisse

Ein US-amerikanischer Jurist namens Dave McKenna hat vor einigen Monaten in sozialen Medien auf das Phänomen des Lohndiebstahls aufmerksam gemacht. Er arbeitet in einer Anwaltskanzlei für sozial benachteiligte Menschen (eine sogenannte „Law Clinic“). Dabei habe er gesehen, dass die Gesetze selbst nach gesellschaftlichen Machtverhältnissen ausgerichtet seien. 

„Wenn Angestellte ihrem Unternehmen 100 Dollar stehlen, werden sie von der Polizei verhaftet“, sagt er. Würden Angestellte hingegen um 100 Dollar zu wenig bezahlt bekommen, müssten sie ein teures, viele Monate dauerndes Verfahren gegen ihre Unternehmen riskieren. Diebstahl sei im Strafrecht, Lohndiebstahl sei im Zivilrecht. Ähnlich also wie in Österreich.

Die Ungleichbehandlung von Eigentumsdelikten hält McKenna für ein Beispiel dafür, dass das Rechtssystem die Taten und die Interessen von ärmeren und reicheren Menschen nicht gleich ernst nehme.

Der Jurist will allerdings nicht, dass ein „Lohndiebstahl“ die TäterInnen etwa allzu rasch ins Gefängnis führt. Das würde sie, ihre Unternehmen und damit auch Arbeitsplätze zerstören und den Bestohlenen nichts bringen. Für McKenna ist vor allem ungerecht, dass andere kleine Delikte ganz selbstverständlich zu Vor- und Gefängnisstrafen führen. Das zerstört ebenfalls Leben – aber dann eben meist von ärmeren Menschen. 

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