Millenials: Zu spät zur Party? Die Mehrheit war gar nicht eingeladen
Als 30-Jähriger muss man nach diesem Buch seine Eltern hassen. Sie sind die allein Schuldigen an allen Problemen, ist man nach der Lektüre überzeugt: Hohe Mieten und Immobilienpreise, Klimakrise, Finanzkrise, unsichere Jobs in einer prekären Arbeitswelt. Die jungen Millennials sind „zu spät zur Party“ gekommen und können deshalb nicht mehr mitfeiern, während die in den 60ern geborenen Babyboomer abgecasht haben. Dieses These steht im Zentrum des Buchs von Agenda-Austria-Ökonom Lukas Sustala.
Tatsächlich beziehen sich Verteilungskonflikte manchmal auf das Alter. Aber es ist doch nicht jedes gesellschaftliche Problem allein auf einen Generationenkonflikt zurückführen? Wer das tut, vergisst bei der Betrachtung einer Maus unterm Küchentisch auf den Elefanten im Raum: auf das Thema der Verteilung zwischen Arm und Reich. Das wahre Match in unseren Gesellschaften lautet nicht „Alt gegen Jung“, sondern „Arm gegen Reich“.
Trauriger Banker
Gleich im ersten Kapitel erfahren wir die Geschichte von Florian, der als Investmentbanker nach London ausrückte, um reich zu werden. Er musste eine „herbe Enttäuschung“ nach der Krise 2008 erleben, weil er nicht genau so viel wie seine Banker-Kollegen verdiente und zunächst nur einen befristeten Vertrag bekam. Etwas, das ArbeitnehmerInnen schon mindestens 1-2 Jahrzehnte länger als Florian kannten und kennen – nicht zuletzt aufgrund von Florians Arbeitgebern, Hedge-Fonds, die immer mehr Rendite von Unternehmen verlangen. Ein nicht geringer Teil dieser Profitsteigerungen wird auf dem Rücken der Angestellten durch Leiharbeit, befristete Verträge und Gehaltseinbußen erreicht.
Man darf annehmen, dass es Florian heute gut geht. Nicht ganz so gut erging es jungen ArbeitnehmerInnen und kleinen Selbstständigen in Griechenland und Spanien, für die sich laut Sustala die Krise „anders“ auswirkte. „Anders“ bedeutet in der Realität aber „dramatisch“. Die verfehlte wirtschaftspolitische Linie, der auch der Autor generell anhängt – Staatsausgaben kürzen um jeden Preis – führte dort zu Massenarbeitslosigkeit in Millionenhöhe. Das musste sich sogar der Internationale Währungsfonds letztlich eingestehen, so offenkundig waren die Zahlen und Fakten.
Kein Auge für Verteilung
Völlig richtig an Sustalas Analyse ist, dass viele ältere ArbeitnehmerInnen dank ihrer besseren arbeitsrechtlichen Absicherung und gewerkschaftlichen Organisation besser durch die Krise gekommen sind als junge Berufseinsteiger. Da drängt sich die Forderung auf, den Schutz der älteren ArbeitnehmerInnen auch auf die Jungen auszuweiten! Davon ist aber im Buch keine Rede.
Die Erzählung von den reichen Alten ist ohnehin nur dann aufrecht zu erhalten, wenn man das verteilungspolitische Auge bewusst schließt: In Österreich betrug die Zahl der Langzeitarbeitslosen vor der Krise 50.000, danach bis zu 150.000. Ein Drittel von ihnen waren Menschen über 50, die – einmal arbeitslos – kaum mehr Chancen auf einen Job haben. Ähnliches gilt auch für den Pensionsbereich: Man kann die Pensionshöhen der Nationalbanker natürlich kritisieren. Aber es ist bewusst irreführend, im „Generationenkonflikt“ auszublenden, dass es in Österreich 211.000 MindestpensionsbezieherInnen gibt, die jedes Monat 967 Euro erhalten. Ihnen kann man wohl kaum etwas neiden.
Hohe Pensionen sind ein Randphänomen, bedenkt man, dass die mittlere Pension für Österreichs Pensionisten 1.129 Euro beträgt und jeder zweite weniger erhält.
Enorme Ungleichheit? Kein Problem
Sustalas Vorstellung von der großen Party, zu der man früher noch leichter, aber heute „nur mehr schwer“ eine Einladung bekommt, mag für Leute aus der oberen Mittelschicht zutreffen. Doch auch diese werden einmal – wenn die Wohlhabenderen unter der gescholtenen Babyboomer-Generation ihre Vermögen vererben – die wohl größte Party ihres Lebens feiern. Die meisten Menschen aber werden das nicht tun können.
Bemerkenswert ist aber jedenfalls, dass ausgerechnet die Agenda Austria dieser Tage mit Verve die Meinung vertritt, die Oxfam-Untersuchung sei nicht zu beachten, der Reichtum der Milliardäre habe nichts mit der weltweit zu beobachtenden Armut zu tun und die extreme globale Ungleichheit sei einfach so zu akzeptieren. Dass also Amazon-Boss Bezos Milliarden verdient, aber seine Arbeiter in Flaschen urinieren, weil Klopausen zum Jobverlust führen können, hat nichts miteinander zu tun.
Und gleichzeitig sollen wir uns darüber den Kopf zerbrechen, dass jüngere Investmentbanker weniger verdienen als ihre älteren Kollegen?
Der Artikel unseres MOMENTUM-Chefökonoms erschien am Freitag auch als Kommentar im Standard.