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Arbeitswelt
Demokratie

Nehammer will Lohnnebenkosten senken: Welchen Einfluss hat das auf uns alle?

Nieder mit den Lohnnebenkosten. Das wird wohl der Schlachtruf des Noch-Kanzlers Nehammer in seiner Rede als Wahlkampf-Auftakt. Barbara Blaha erklärt dir die Senkung der Lohnnebenkosten genau.

Nehammer-Rede: “Nieder mit den Lohnnebenkosten!”

“Nieder mit den Lohnnebenkosten!”. Das wird wohl der Schlachtruf des Noch-Kanzlers Nehammer in seiner Rede an die Nation und der Auftakt zum Wahlkampf. Das liest man in den Vorab-Meldungen zur Rede und man hätte es auch so ahnen können, Industrie, Wirtschaft und ihre Vorfeldorganisationen trommeln das ja seit Wochen. Weil die Preise sind ja immer noch hoch, der Wirtschaft geht’s gar nicht so gut: Wenn wir nur endlich die Lohnnebenkosten senken, dann wird alles gut?

Was gehört alles zu den Lohnnebenkosten?

Wenn wir arbeiten gehen, dann bekommen wir dafür ein Gehalt. Einen Teil davon gibt unser Chef gleich direkt automatisch weiter: unsere Lohnsteuer zum Beispiel, oder unseren Anteil zur Sozialversicherung. Unsere Anteile am gemeinsamen Staatshaushalt; an der gemeinsamen Krankenversicherung. Was dann übrig bleibt, ist unser Netto-Gehalt. Also das, was Monat für Monat auf unserem Konto landet. Zusätzlich matcht der Chef aber unseren Anteil an Beiträgen zum gemeinsamen Staatshaushalt.

Auch er leistet einen Beitrag zur Sozialversicherung: Er zahlt in die Mitarbeiter-Vorsorgekassa ein und in den Familienlastenausgleichs-Fonds. Er zahlt Kommunalsteuer – und in Wien U-Bahnsteuer. Anders gesagt: Die Lohnnebenkosten sind die Beiträge der Arbeitgeber zum Sozialstaat.

Wie hoch sind die Lohnnebenkosten?

Die Lohnnebenkosten machen derzeit 26,6 Prozent der Arbeitskosten in Österreich aus. Das ist ein bisschen mehr als der EU-Schnitt von 24,8 Prozent (~25 Prozent). Aber deutlich weniger als in Schweden, dort sind es 32 Prozent.

Derzeit überschlagen sich alle mit guten Ideen, wie man es Industrie und Wirtschaft endlich ein bisserl bequemer machen kann, wie man sie endlich von ihren Beiträge zum Sozialstaat entbinden kann: Die Industrie und NEOS sind für die Senkung.

Noch-Kanzler Nehammers “Österreich-Plan” sieht vor: Die Lohnnebenkosten sollen deutlich runter, minus 3 Milliarden so hört man. Die Neos wollen die Beiträge der Unternehmen sogar um ganze 6,55 Prozentpunkte senken. Weniger Abgaben, das hört sich doch immer toll an. Aber nur für die Konzerne.

Lohnnebenkosten senken: Was bedeutet das für uns?

Wenn die Unternehmen weniger in die gemeinsamen Töpfe zahlen – dann ist natürlich weniger drin. Schauen wir uns das im Detail an. Der Beitrag der Arbeitgeber zum Familienlastenausgleichsfonds FLAF soll von 3,7 auf 3 Prozent sinken. Minus 0,7 Prozentpunkte heißt: Uns fehlen in diesem Topf 1,1 Milliarden Euro. Das ist aber der Topf, aus dem wir zum Beispiel die Familienbeihilfe, das Karenzgeld oder die Mutterkind-Pass-Untersuchungen zahlen.

Wenn wir das Geld nicht anderswo auftreiben, könnte das heißen: Familienbeihilfe kürzen. Die durchschnittliche Familienbeihilfe würde um etwa 40 Prozent schrumpfen. Oder wir fangen das, was sich die Unternehmen sparen, mit Steuergeld auf, aber dann zahlen erst recht wir alle, was derzeit die Unternehmen beitragen.

Übrigens: Der FLAF wurde 1955 bewusst als Verwaltungsfonds gegründet. Die Idee damals war, Eltern und Kinder abzusichern – im doppelten Sinne. Die Familien finanziell absichern; und den Fonds selbst absichern vor dem Zugriff von künftigen Regierungen in Budgetnöten, für die so ein Fonds natürlich eine schnelle, verlockende Geldquelle wäre.

Hingekriegt haben wir das nur, weil in dem Jahr, in dem dieser Fonds aufgesetzt wurde, alle Arbeitnehmer*innen auf eine generelle Lohnerhöhung verzichtet haben. Nur unter dieser Bedingung haben die Arbeitgeber ihren Beitrag zum FLAF zugesagt. Der Lohnverzicht von damals wirkt jedes Jahr weiter, auch heute bekommen Arbeitnehmer weniger bezahlt deswegen, denn dieses verlorene Jahr, das wurde ja nie wieder ausgeglichen – auf ein ganzes Berufsleben gerechnet kommt da hübsch was zusammen.

Die Arbeitgeber haben ihr Versprechen nicht gehalten. Ihr Beitrag ist nämlich mehrmals gesenkt worden – von ursprünglich 6 Prozent auf heute 3,9 Prozent. Ab 2025 sollen es dann nur mehr 3,7 Prozent sein.

Lohnnebenkosten werden laufend gesenkt

Übrigens: wir senken nicht nur laufend die Beiträge der Arbeitgeber:innen für Familien. Wir haben allein in den letzten zehn Jahren auch die Beiträge zur Unfallversicherung, für die Insolvenz-Entgeltsicherung und die Arbeitslosenversicherung gesenkt. Alles zusammen kosten uns diese Senkungen heute 2 Milliarden Euro – pro Jahr. Aber genug gesenkt ist es eben erst, wenn es die Arbeitgeberseite gar nichts mehr kostet.

Die Lohnnebenkosten wurden innerhalb von 10 Jahren immer wieder gesenkt.

Nebenkosten, das klingt so süß, so wurscht, so nebensächlich. Aber es geht um Krankenversicherungen: Darum, Familien abzusichern. Auch andere “Nebenkosten” sind für das Leben der allermeisten Menschen hierzulande zentral. Zum Beispiel: die ersatzlose Streichung der Kommunalsteuer. Klingt sexy, weil “Kommunalsteuer” unsexy klingt.

Aber die ist eine der wichtigsten Einnahmequelle der Gemeinden. Sie brauchen dieses Geld für Abwasser, Straßenreinigung, Beleuchtung und Sportplatz. Allein ein Fünftel ihres Geldes geben die Gemeinden für die Schulgebäude, die Kindergärten und das dortige Personal aus.

Die gesamten Kostensenkungen, über die Nehammer und Co jetzt nachdenken, sind jedenfalls gewaltig: Bis zu 10 Milliarden Euro sollen die Arbeitgeber weniger an die Gemeinschaft geben. Ein plausibles Konzept zur Finanzierung dieses Lochs im Sozialstaat gibt es – nicht wirklich:

Vermögenssteuer? Erbschaftssteuer? Die Gewinnsteuer für Konzerne wieder auf das alte Niveau anheben? Fehlanzeige! Nur keine neuen Steuern, aber die Arbeitgeber-Beiträge senken. Wie soll sich das ausgehen?

Dazu kommt: Weil wir länger leben, brauchen wir eigentlich mehr Geld für Gesundheit und Pensionen. Das kann sich nicht ausgehen. Wer heute Lohnnebenkosten ohne gescheites Konzept zur Gegenfinanzierung vorzulegen, wird uns demnächst ausrichten: Jetzt müssen wir – leider, leider! –die Leistungen drastisch kürzen.

Lohnnebenkosten senken = Sozialstaat schwächen

Eine Idee gibt es doch: Eine Verwaltungsreform soll auf magische Weise das Geld wieder reinspielen, hört man. Die Verwaltungsreform! Das ist der mystische Superheld, der das Budget immer retten soll, wenn die ÖVP Löcher reinreißt. Dann ruft sie es ihn an: Verwaltungsreform, komm und rette mich!

Aber mal ehrlich: Ein bisschen geht immer, die eine oder andere Effizienzsteigerung bringt uns sicher ein paar Millionen wieder rein. Aber 10 Milliarden Euro? Das ist tausendmal mehr Geld. Die sind doch nicht irgendwo versteckt unter dem Kopfpolster eines Beamten im Finanzministerium und liegen da nur so herum, um abgeholt zu werden.

Die Sache ist wohl viel einfacher. Wer – ohne Gegenfinanzierung “Lohnnebenkosten senken” ruft, meint eigentlich: Sozialstaat schwächen.

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    Kommentare 1 Kommentar
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  • Alex
    23.02.2024
    Sehr guter Beitrag! Ich würde mir nur wünschen, dass das orthographische Niveau mit dem inhaltlichen mithalten kann...
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