Die Zweite Republik erneuern: Es braucht eine Koalition der Vernunft
Das Hauen und Stechen nach der Wahl kommt wie das Amen im Gebet. Cliquen in Parteien, die nach dem eigenen Vorteil (und Posten und Einkommensquellen) gieren, machen das, was diese Cliquen halt so machen: Alte Politik. Das alles passiert unter dem Gejohle des üblichen Edelfeder-Journalismus. Soweit, so wenig überraschend.
Niemand hat dabei das Wohl der Menschen in diesem Land im Blick. Das wohl auch, weil die Leute am lautesten sind, die in ihrem Alltag am wenigsten von Politik betroffen sind.
Dabei haben dieses Land und seine Politiker:innen jetzt zwei Möglichkeiten:
1 – Weitermachen wie bisher
Dann bastelt man eine Koalition, versucht dabei den oder die anderen Partner:innen über den Tisch zu ziehen. Man versucht den anderen ständig ein Haxl zu stellen und stellt die hauptberuflichen Intrigant:innen in allen Nachrichtensendungen aus, wie in einem Wanderzirkus.
Dann braucht man sich aber zumindest nicht wundern, wenn dieser Ansatz zum hundertsten Mal nicht funktioniert und er bis zur nächsten Wahl auch zum hundertsten Mal die FPÖ stärkt.
Es ist an der Zeit einzusehen, dass diese alte Politik der ganz alten Politik-Dinosaurier die FPÖ erst groß gemacht hat.
2 – Nicht weitermachen wie bisher
Oder man möchte einen klaren Schnitt damit machen, der dringend nötig ist. Demut aller demokratischen Parteien vor dem Wahlergebnis wäre angebracht. Dieser Zäsur muss man dann aber eben auch gerecht werden.
Das bedeutet entweder, dass man die Zweite Republik über Bord wirft oder, dass man versucht, ihr neues demokratisches Leben einzuhauchen.
2a – Das Ende der Zweiten Republik
Wenn man sie über Bord werfen möchte, dann koaliert man mit der FPÖ als kleiner Koalitionspartner. Die FPÖ würde selbstverständlich den Kanzler stellen. Wie soll der überlegene Wahlsieger das nicht tun? Sich den Kanzlerkandidaten rauskegeln zu lassen, wäre eine Schmach für die FPÖ. Das wird sie sich sicher nicht leisten.
Man wäre also Junior-Partner der FPÖ – die sowieso mit oder ohne Kickl eine rechtsextreme Partei ist.
2b – Die Erneuerung der Zweiten Republik
Es gibt eine zweite Möglichkeit, einen Schnitt mit der Vergangenheit zu machen. Man kann die Zeichen der Zeit erkennen und versucht sich zumindest im Bund an einem zarten Aufbau einer Brandmauer gegen Extremismus. Das bedeutet ein Bekenntnis zu einer Koalition ohne die FPÖ. Das bedeutet auch, sich bewusst nicht die machttaktische Karte der alten Politik offen zu halten, um doch noch mit der FPÖ zu verhandeln.
Stattdessen braucht es eine demokratische Front aller anderen Parteien, die nach ihren Stärken Teil einer Regierung sein können. Manche Ressortzuteilung liegt dabei vielleicht auf der Hand (Grüne Klima, ÖVP Wirtschaft, Neos Bildung, SPÖ Soziales), über anderes wird man ringen müssen (Finanz, Justiz, Inneres).
Schluss mit der alten Politik
Gibt es ein klares Bekenntnis zu einer konstruktiven und vernünftigen Koalition, dann geht das auch mit einem anderen politischen Stil einher. Es darf nicht darum gehen, dem Anderen eins reinzuwürgen oder den Koalitionspartner laufend zu demütigen und zu schauen, wie lang er es mitmacht – wie in der letzten Regierung.
Es darf keine Ego-Trips geben, wie wir es in Deutschland bei der Ampel sehen. Allen muss bewusst sein, dass das wahrscheinlich ihre (bei manchen erste und) letzte Chance ist.
Es ist für niemanden eine Wunschkoalition, aber es wäre das, was möglich ist. Realistisch, pragmatisch und mit dem Wissen, dass niemand einen Vorteil hat, wenn man scheitert.
Zusammenschluss für die Demokratie
Es steht zu viel auf dem Spiel, als dass man die alte Politik des Haxlstellens, der Spins, der Deals, der Hinterzimmer fortführen kann. Das bedeutet auch, die hauptberuflichen Desasterdealer, deren Geschäftsmodell die Intrige ist, hintanzustellen und sich in jedem Bereich von Expert:innen zu umgeben, die (paritätisch) von den Parteien entsandt werden. Dann ist die Haltung klar und es kann fachlich gestritten und nach Kompromissen gesucht werden.
Es bedeutet auch, Geld so einzusetzen, dass es nicht das Milieu der Desinformations-Söldner:innen und Kulturkämpfer:innen weiter fördert, die den demokratischen Diskurs zerstören.
Es ist die letzte Chance für unsere offene und vielfältige Demokratie. Sie sollte genutzt werden.