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Demokratie
Kapitalismus

ÖVP-Chats: Wer steckt hinter dem System Kurz?

APA/Schlager
Sebastian Kurz musste sich zurückziehen. Der Druck der Öffentlichkeit, des Koalitionspartners und der eigenen Partei war schließlich doch zu groß.
Aber der Ex-Kanzler ist nicht der einzige, der in laufenden Ermittlungsverfahren als Beschuldigter geführt wird. Hier eine Übersicht über weiteres Politpersonal, gegen die aktuell ermittelt wird.

Gerald Fleischmann

Funktion: Leiter der Stabsstelle Medien im BKA sowie stellvertretender Büroleiter von Sebastian Kurz.

 
Gerald Fleischmann war Medienbeauftragter unter KurzAPA/Hans Punz

Gerald Fleischmann galt im Team von Sebastian Kurz als “Mann fürs Grobe”. Ursprünglich selbst Journalist, wechselte Fleischmann 2003 zur ÖVP Niederösterreich. 2007 wurde er Pressesprecher der Bundes-ÖVP. 2011 wechselte er schließlich zu Sebastian Kurz, der zu dieser Zeit Staatssekretär war. Anfangs skeptisch, soll Fleischmann bald von den Fähigkeiten seines neuen Chefs überzeugt gewesen sein.

Fleischmann ist einer der engsten Berater von Sebastian Kurz. Unter türkis-blau war er hauptverantwortlich für die “Message Control”: Er plante die wöchentlichen Schwerpunktthemen, alle Interviews mit ÖVP-Minister:innen liefen über seinen Tisch. Kamen Kurz oder die ÖVP in einem Artikel schlecht weg, konnte er in Redaktionen schon mal persönlich Druck machen. Unter türkis-grün war er schließlich ganz offiziell für die Medienpolitik verantwortlich, als Leiter der “Stabsstelle Medien” die direkt dem Kanzler unterstellt war. Im Bundeskanzleramt sollen 59 Personen für Medien- und Öffentlichkeitsarbeit angestellt sei.

Fleischmann wird von der WKStA Untreue und Bestechlichkeit als Beteiligter vorgeworfen. Unter anderem soll er Thomas Schmid immer wieder inhaltliche Vorgaben für die Berichterstattung in der Zeitung “Österreich” und konkrete Fragestellungen für Meinungsumfragen gegeben haben. Fleischmann wurde mittlerweile beurlaubt.
 

Johannes Frischmann

Funktion: Pressesprecher von Sebastian Kurz

 
Johannes Frischmann, ehemaliger Pressesprecher von Sebastian KurzAPA/Georg Hochmuth

Johannes Frischmann ist seit langem Teil der ÖVP. 2004 kam er als stellvertretender Bundesobmann der JVP aus Tirol nach Wien ins Finanzministerium. Dort stieg er 2014 zum Pressesprecher des damaligen Finanzministers Hans Jörg Schelling auf. In dieser Funktion soll er das sogenannte “Beinschab-Österreich-Tool” mitentwickelt haben, mit dem Kurz und sein Umfeld frisierte Umfragen platziert und finanziert haben. 2017 wechselte Frischmann schließlich auf Wunsch von Kurz in dessen Team und wurde dort 2020 Pressesprecher des Bundeskanzlers.

Im ZiB2-Interview vom 6.10. distanzierte sich Kurz von Frischmann. Er behauptet, seinen Pressesprecher während dessen Zeit im Finanzministerium kaum gekannt zu haben. Das ist allerdings unwahrscheinlich: Kurz Lebensgefährtin arbeitete lange Zeit eng im Finanzministerium mit Frischmann zusammen. Außerdem war er Mitglied im “Club 35”, einem Netzwerk für JVP-Funktionär:innen. Gegründet wurde es von Sebastian Kurz. 

Auch Frischmann wird von der WKStA Bestechlichkeit und Untreue als Beteiligter vorgeworfen. Er soll gemeinsam mit Thomas Schmid für die “Beauftragung, Abstimmung und Veröffentlichung von Umfragen” verantwortlich gewesen sein. Welchen Einfluss er darauf hatte, zeigt etwa folgendes Zitat aus einem Chat mit Schmid: “Wir schneiden schlechter ab als die SPÖ. Da habe ich umgedreht”. Gemeinsam mit Thomas Schmid soll er außerdem geplant haben, sich am Meinungsforschungsinstitut von Sabine Beinschab zu beteiligen – und so durch das von ihnen geschaffene System weiter zu profitieren. Auch Frischmann wurde beurlaubt.
 

 
Stefan Steiner war Berater von Sebastian KurzAPA/Roland Schlager

Stefan Steiner

Funktion: Berater von Sebastian Kurz

Auch Steiner blickt auf eine lange Karriere in der ÖVP zurück. Er war bereits Referent von Günther Platter und Maria Fekter bevor ihn Sebastian Kurz 2011 –  auf Anraten von Josef Pröll – ins Integrationsstaatssekretariat holte. Dort stieg er zum Sektionschef auf. 2017 wechselte er in die Bundes-ÖVP und wurde für kurze Zeit Generalsekretär. Steiner legte das Amt allerdings 2018 nieder. 

Sebastian Kurz blieb er dennoch treu. Steiner gilt als einer der wichtigsten Berater des vormaligen Kanzlers, der 24 Stunden verfügbar war. Das ließ sich die ÖVP auch einiges kosten: 33.000 Euro brutto hat er laut einer Recherche des “Falter” dafür monatlich bekommen. Die “geschlossene Balkanroute” und die Abwertung von Menschen als “Willkommensklatscher” sind Spins, die von Stefan Steiner gekommen sein sollen.

Steiner wird von der WKStA Untreue und Bestechlichkeit als Beteiligter vorgeworfen. Auch er soll Umfragen wesentlich beeinflusst haben. Steiner gab Vorgaben, ob und welche Ergebnisse veröffentlicht werden sollten. 
 

 
Johannes Pasquali ist immer noch Sprecher im FinanzministeriumAPA/Helmut Fohringer

Johannes Pasquali

Funktion: Sprecher des Finanzministeriums

Pasquali ist seit 2016 Bezirksparteiobmann der ÖVP Wieden, zwei Jahre davor wurde er Leiter der Öffentlichkeitsarbeit im Finanzministerium. Als solcher war er für Medienkooperationen, Inseratenvereinbarungen und Rechnungslegung verantwortlich. Mittlerweile ist er zum Sprecher des Finanzministeriums aufgestiegen.

In seiner damaligen Funktion konnte Pasquali die Abrechnung der Studien und die Vergabe der Inserate aus dem Finanzministerium kontrollieren und abwickeln. Er soll die parteipolitisch motivierten Umfragen im Finanzministerium in Auftrag gegeben haben und mittels Scheinrechnungen aus den Mitteln des Ministeriums bezahlt haben.

Pasquali wird von der WKStA der Untreue und Bestechlichkeit bezichtigt. Ihm wird vorgeworfen, die Republik mit mindestens 300.000 Euro geschädigt zu haben.
 

Gernot Blümel

Funktion: Finanzminister

 
Gernot Blümel wird in einem anderen Fall als Beschuldigter geführtBMF/CC-BY-SA 2.0

Gernot Blümel zählt seit Jahren zum engsten Kreis von Sebastian Kurz. Er begann seine Laufbahn ebenfalls in der JVP, 2013 wurde er Generalsekretär der Bundespartei. Unter Kurz wurde er erst Kanzleramtsminister und ab 2020 Finanzminister.

Blümel kommt in den Akten der WKStA mehrfach vor, etwa in diesem Chat:

 
Schmid fragt bei Blümel nach

ÖVP-Chats: Auch Gernot Blümel wird von Thomas Schmid zu „Österreich“ befragt.

Der Verlauf zeigt, dass Blümel durchaus von den Vorgängen gewusst haben könnte.

Als Beschuldigter wird er in diesem Fall aber nicht geführt – wohl aber in einem anderen. Blümel soll dem Konzern 2017 Novomatic geholfen haben, Steuernachzahlungen in Italien zu vermeiden. Als Gegenzug sollen von Novomatic Spenden an die ÖVP geflossen sein. Anfang 2021 gab es deswegen bereits eine Hausdurchsuchung zur Sicherstellung von Daten bei Blümel. Sein Laptop wurde dabei zuerst nicht gefunden – der wurde von Blümels Frau während der Durchsuchung im Kinderwagen spazieren gefahren.

Mehr zu dem Fall und der Frage, wie stark Korruption in Österreichs Politik verankert ist:

 

Bernhard Bonelli

Funktion: Kabinettschef im Bundeskanzleramt

Bernhard Bonelli ist einer der engsten Vertrauten von Sebastian Kurz. Er gilt als strenggläubiger Katholik und soll der ultrakonservativen Organisation “Opus Dei” nahestehen. Kennengelernt haben sich Bonelli und Kurz bereits 2005 am Forum Alpbach. Auch privat sind beide befreundet, Kurz war Trauzeuge bei Bonellis Hochzeit. Bernhard Bonelli ist seit 2017 beratend für Kurz tätig, seit 2020 ist er Kabinettschef im Bundeskanzleramt. 

In den aktuellen Ermittlungen der WKStA um das “Beinschab-Österreich-Tool” kommt Bonelli nur selten vor. Er wusste jedoch den Einfluss von Thomas Schmid und dessen Kollegen zu schätzen. So schrieb er an Schmid über die positive Berichterstattung im Zuge der geplanten Steuerreform 2019: “bei den Millionen, die ihr in den letzten Monaten in die Medien gepumpt habt auch kein wunder.” 

Bonelli wird in einem anderen Verfahren von der WKStA als Beschuldigter geführt. Er soll, ebenso wie Sebastian Kurz, im Ibiza-Untersuchungsausschuss falsch ausgesagt haben. Beide haben bestritten, in die Bestellung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Vorstand involviert gewesen zu sein. Sichergestellte Chats legen allerdings nahe, dass beide davon wussten. Bonelli soll unter Schallenberg Kabinettschef bleiben.
 

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