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Ungleichheit

Die olympischen Spiele im Kulturkampf

Die olympischen Spiele im Kulturkampf
Auf der Eröffnungsfeier der olympischen Spiele 2024 in Paris wurde Dionysos (beziehungsweise Bacchus), der Gott der Gelage und Festivitäten, verkörpert. Rechte sahen darin das letzte Abendmahl von Leonardo da Vinci. Ein Skandal? Foto: Screenshot Eurosport, Youtube.
Die Eröffnungszeremonie der Olympischen Sommerspiele in Paris war bombastisch. Sie bot ein Feuerwerk an Auftritten, Überraschungen und Showeinlagen. Das alles passierte vor einer der schönsten Bühnen überhaupt: Der Stadt und ihrem Fluss, der Seine. Es wäre aber nicht die extreme Rechte, könnte sie nicht auch daraus einen Kulturkampf fabrizieren.

Zwei Auftritte rückten in den Mittelpunkt der künstlichen Erregung von rechts. Zum einen die Modenschau, die maßgeblich von Drag Queens bestimmt war. Zum Anderen ein Ritt einer verhüllten Figur über die Seine.

Abendmahl mit Drag Queens?

Die Modenschau begann mit einem Standbild, einem lebenden Gemälde. Die Personen verharrten für ein paar Sekunden in einer Pose. Sofort wurde darin vermeintlich “das letzte Abendmahl” von Leonardo Da Vinci erkannt, das im Speisesaal einer Kirche in Mailand (Italien) hängt.

Die Perspektive lässt durchaus eine Ähnlichkeit anmuten, schließlich sind viele Leute um einen Tisch drapiert. Eine erste Idee, dass es vielleicht nicht das letzte Abendmahl ist, hätte die blaue Figur im Vordergrund sein können. Das ist Dionysos (bzw. Bacchus) und war kein Gast beim letzten Abendmahl, sondern der Gott der Gelage und Festivitäten.

Zu sehen ist eine Szene der Eröffnung der olympischen Spiele in Frankreich 2024. Hinter einem Laufsteg sind Drag Queens und Tänzer:innen zu sehen. Auf dem Laufsteg ist ein überdimensionaler Teller mit Früchten angerichtet, in dem ein blau angemalter Mann sitzt.

Auf der Eröffnungsfeier der olympischen Spiele 2024 in Paris wurde Dionysos (beziehungsweise Bacchus), der Gott der Gelage und Festivitäten, verkörpert. Rechte sahen darin das letzte Abendmahl von Leonardo da Vinci. Ein Skandal? Foto: Screenshot Eurosport, Youtube.

Ein zweiter Hinweis war, dass der ganze Block “Festivité” genannt wurde. Das letzte Abendmahl war gewiss keine ausgelassene Angelegenheit, auf die man im Rahmen der Olympischen Spiele referenzieren will.

Die Bacchinalen hingegen sind eher das, was man heutzutage als Party bezeichnen würde. Auch das hätte ein Hinweis sein können. Das referenzierte Bild heißt übrigens “Das Festmahl der Götter”, wurde von Jan van Bijlert gemalt und hängt in Dijon (Frankreich).

Fakten stören im Kulturkampf

Fakten stören aber nur im Kulturkampf, denn schon ritten die apokalyptischen Reiter des Kulturkampfs aus, um Desinformation, Wehleidigkeit, Empörung und Hass zu verbreiten. Da wurde Wokeness moniert und dass das alles eine Beleidigung religiöser Gefühle sei. Das ist insofern interessant, weil da Vincis letztes Abendmahl eines der ikonischen Bilder überhaupt ist. Dementsprechend oft wird darauf in der Bildsprache referenziert, etwa bei den Sporanos, Southpark oder bei Akte X. Ein Poster mit bekannten Filmstars (und Marylin Monore in der Jesus-Position) ist eines der meistverkauften der 90er.

Hat das dieselben Reaktionen ausgelöst? Nein, denn das Bild ist ikonisch und ikonische Bilder werden nachgestellt (vergleiche die Mona Lisa oder das Mädchen mit dem Perlohrring oder die vielen Referenzen auf den Turmbau zu Babel in Film und Games).

Es gibt einen entscheidenden Unterschied: Die Drag Queens. Es geht nämlich gar nicht um eine vermeintliche Heiligkeit des Bildes (die es nicht gibt), sondern darum, gegen Drag Queens zu hetzen. Denen möchte man keinen Platz in der kulturellen Repräsentation eines Landes wie Frankreich zugestehen.

Satanistisches Schauspiel oder Göttin der Seine

Die zweite Sequenz ist fast noch absurder. Sie betrifft die (unendlich coole) Reiterin, die auf einem metallenen Pferd in Rüstung und mit verhülltem Gesicht mit der olympischen Fackel die Seine hinabgeritten ist. Klarerweise dachten die Kulturkämpfer, dass hier der biblische Tod dargestellt wird.

Auf dem Bild ist ein metallenes Pferd zu sehen und eine Person in Rüstung mit einem Umhang, auf dem die olympischen Ringe zu sehen sind. Das Pferd gleitet über die Seine.

Aus der römisch-keltischen Göttin der Seine, Sequana, wird im Kulturkampf ein apokalyptischer Reiter. Foto: Screenshot Eurosport, Youtube.

In der Offenbarung des Johannes öffnet das Lamm das Buch mit den sieben Siegel und nach und nach erscheinen zu Pferde die vier apokalyptischen Reiter (Hunger, Krieg, Krankheit und Sieg der Unterwelt). Danach erscheint ein weiterer Reiter: “Da sah ich und siehe, ein fahles Pferd; und der auf ihm saß, heißt ‚der Tod‘; und die Unterwelt zog hinter ihm her. Und ihnen wurde die Macht gegeben über ein Viertel der Erde, Macht, zu töten durch Schwert, Hunger und Tod und durch die Tiere der Erde.”

Die geistige Kulturkampf-Akrobatik, aus der Reiterin auf der Seine den biblischen Tod zu formen, wurde in Windeseile vollführt und als Beleg für ein satanisches Schauspiel gewertet. Eine andere, vielleicht etwas plausiblere, Erklärung kam gar nicht in den Sinn. Etwa, dass es sich bei der Reiterin um die römisch-keltische Göttin Sequana handelt – der Göttin der Seine, die insbesondere in ihrem Quellgebiet bei Dijon verehrt wurde. Der Mantel ist ein gallischer Kapuzenmantel, der zur Ikonographie keltischer Gottheiten gehört.

Man hätte diese Eröffnungsfeier auch für das Auffrischen oder Neulernen von Geschichte und Kultur nutzen können. Kulturkämpfer sehen aber in allem, was sie nicht (er)kennen, einen Angriff auf sich selbst und wollen es vernichten.

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    Kommentare 1 Kommentar
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  • Jithro
    31.07.2024
    Liebe Natascha, Vielen Dank für den ausgezeichneten Kommentar. Als katholischer Relilehrer haben mir schon mehrere Schüler und Schülerinnen (alle 16+) trotz Ferien per WhatsApp Bilder von Abendmahl und apokalyptischen Reiter geschrieben und nachgefragt, was das bedeutet. Gerne leite ich Deine Analyse weiter. (Entschuldige das Du, aber hier in Vorarlberg sind sympathische Leute rasch per Du). In einem Punkt muss ich allerdings widersprechen: Das letzte Abendmahl Jesu war vermutlich ein jüdisches Pessah-Fest. Das war mit Sicherheit kein langweiliges, trockenes Fest, wie manch Eucharistie in der katholischen Kirche, sondern vielmehr ein Fest nach Dionysos, dem "Zweifachgeborenen", der Liturgie, wörtlich: griech. "Laios argein" - "Volksfeier", noch zu gestalten wusste. Zudem waren, nach bibelwissenschaftlichen Erkenntnissen auch Frauen und Kinder beim Pessah-Fest anwesend und es war feucht-fröhlich für alle. Gruß vom Bodensee Felix
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