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Patent auf Impfstoff aufheben? Schlecht für Profit!

Das Patent auf den Corona-Impfstoff beschert den Pharma-Konzernen kräftige Gewinne. Es gefährdet aber den Kampf gegen die globale Pandemie. Ärmere Länder fordern seit langem das Patent auf den Impfstoff aufzuheben. Geschieht das nicht, können sie nicht beginnen, selbst Impfstoff herzustellen. Eine weltweite Durchimpfung wird so über Jahre verzögert. Das Auftauchen neuer Virusmutationen ist aber auch für reiche Industriestaaten ein Problem: Neue Varianten könnten gegen den Impfstoff immun sein. Das Patent auf den Impfstoff aufzuheben, wäre weltweit von Vorteil. 
 
 

Wir können alle mal ein paar gute Nachrichten vertragen, oder? Weltweit wurden bisher mehr als 800 Millionen Dosen des Impfstoffs in die Oberarme gespritzt. Das sind doch wirklich mal gute Nachrichten für die ganze Welt. Für die ganze Welt? 

Impfstoff nur im reichen Westen

Mehr als 83 Prozent dieser 800 Millionen Dosen des Impfstoffs ginge an … erraten: die reichen Staaten. Die ärmsten Regionen der Welt? Haben 0,2 Prozent bekommen. Impfstoff ist ein Privileg der Industriestaaten – die Hälfte der Impfstoffbestellungen kommt von dort. Obwohl  nur 16 % der Weltbevölkerung dort leben. Die Industrienationen  haben sich 4,6 Milliarden Dosen eingekauft. Geld macht gesund: Im reichen Westen werden bis Ende 2021 70% der Menschen geimpft sein. Die ärmsten Länder werden das nicht vor 2024 erreichen. 

Impfstoff-Mangel weckt Erinnerung an AIDS-Epidemie

Das passiert übrigens nicht zum ersten Mal: Als HIV vor 40 Jahren auftaucht ist, wurde fieberhaft nach lebensrettenden Medikamenten geforscht. Als die endlich entwickelt waren, durfte sich Afrika erst einmal hinten anstellen. Während die Medikamente in Europa oder den USA breit verfügbar waren, dauerte es noch mehr als als zehn Jahre, bevor afrikanische Staaten überhaupt Zugang zu diesen Lebensrettern hatten: 12 Millionen Menschen starben, während sie auf die Medikamente warteten. 

Okay, Lösungsvorschlag: Wenn die reichen Länder alles  hamstern und den armen Ländern alles wegkaufen – machen wir einfach noch mehr Impfdosen? Gute Idee – nur: Was Leben retten würde, das ist hier verboten. Für die Impfstoffe gilt der Patentschutz. Niemand darf sie einfach so produzieren. Die offizielle Begründung dafür: Wer so viel Geld in die Entwicklung eines Medikaments gesteckt hat, soll daran auch verdienen können. Im Fall einer globalen Seuche werden hier aber Menschenleben gegen maximalen Profit eingetauscht: Pharmafirmen haben ein Monopol – das sie selbstverständlich ausreizen

Patent auf Impfstoff aufheben

Patente auf Medikamente sind übrigens nicht “natürlich”: „In Europa haben Länder wie Frankreich oder Deutschland erst ab den 1960er Jahren Patente auf Arzneimittel gewährt“. In Portugal und Spanien war dies sogar erst ab 1995 möglich. Das sogenannte geistige Eigentum an Medikamenten und Impfstoffen wird auf globaler Ebene unter anderem durch einen Vertrag der Welthandelsorganisation geregelt, das TRIPS-Abkommen. In diesem Abkommen ist sogar explizit die Möglichkeit vorgesehen, im Notfall Patente auszusetzen. Das heißt: Wenn es um Menschenleben geht, dann könnte man einfach die Impfungen produzieren – und die Konzerne haben eben kurz Profit-Pause. Indien und Südafrika wollten bereits im letzten Oktober 2020 genau diese Notbremse ziehen. Was, wenn nicht eine globale Seuche, sollte denn sonst eine Ausnahme rechtfertigen? 

Patent aufheben hilft gegen Pandemie

Ihr Vorschlag: Alle Patente für Impfstoffe – und Medikamente und technische Dinge, wie Beatmungsgeräte, die gegen die Pandemie helfen, sollten vorübergehend außer Kraft gesetzt werden. So könnten auch ärmere Länder endlich anfangen, selbst Kopien der lebensrettenden Impfstoffe herzustellen und müssten nicht länger darauf warten, dass der Westen seine Hamsterkäufe endlich einstellt. Mittlerweile wird der Antrag von 100 weiteren Ländern unterstützt. Dafür das Patent aufzuheben, sprechen sich übrigens auch mehr als 170 frühere Staats- und Regierungschefs sowie Nobelpreisträger aus. Aber auch nach sechs Monaten wird der Antrag nach wie vor von einer kleinen Minderheit blockiert. Ganz vorn dabei: Die USA, Kanada, Japan und selbstverständlich auch die EU. Auf offizieller Seite hört sich das natürlich ganz anders an: “Wir sind nicht wirklich sicher, solange wir nicht alle in Sicherheit sind – jedes Dorf, jede Stadt, Region und jedes Land der Welt.”

Patent auf Impfstoff gefährdet Alle

Ja, richtig, indem wir die Industrie-Patente schützen, schießen wir uns selbst ins Knie: Dass ärmere Länder kaum an Impfungen kommen, ist für die reichen Staaten im Norden eine Gefahr: Es tauchen bereits jetzt neue Virusmutationen auf. Je länger die Seuche – egal wo auf unserem Planeten – frei durch die Bevölkerung rast, desto wahrscheinlicher ist es, dass eine Mutation daherkommt, die immun ist gegen die Impfung. Dann können wir mit allem wieder von vorn beginnen. Und im Übrigen: Die Entwicklung der Impfstoffe haben wir ja auch gemeinsam gestemmt und finanziert: Die Entwicklung von AstraZeneca wurde schätzungsweise zu 97 % aus öffentlichen Mitteln finanziert. Noch bevor die Impfstoffe da waren, wurde den Pharmaunternehmen schon die Abnahme von Milliarden Dosen vertraglich zugesichert. Wir haben die Zulassungen der Impfstoffe beschleunigt, was wiederum die Kosten für klinische Tests gesenkt hat. 

Heißt im Klartext: Wir haben die Impfstoffe finanziert. Wir haben den Konzernen das Risiko abgenommen. Wir haben deren Kosten gesenkt. Aber der Profit, der gehört ihnen ganz alleine? Auch, wenn das Hunderttausende Menschenleben kostet. Auch, wenn uns das alle gefährdet. Allein Biontech/Pfizer werden für dieses Jahr Einnahmen zwischen 10-20 Milliarden Euro nur durch ihren Impfstoff vorhergesagt. 

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