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Gesundheit
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Pflegereform: Jetzt sprechen die Pfleger:innen

Am Donnerstag wurden die Eckpunkte der neuen Pflegereform vorgestellt. Der Grüne Gesundheitsminister Rauch stellte gemeinsam mit seiner Kollegin Sigrid Maurer und August Wöginger (ÖVP) Verbesserungen für Beschäftigte in Aussicht. MOMENT.at hat mit Menschen gesprochen, die von den Plänen der Bundesregierung direkt betroffen sind: die Pfleger:innen.

“Das ist die größte Pflegereform seit Jahrzehnten.” Die Grüne Klubobfrau zeigte sich am Donnerstagvormittag sichtlich erfreut. Auch Minister Johannes Rauch ist glücklich: “Mit rund 1 Milliarde Euro bis zum Ende der Gesetzgebungsperiode verbessern wir die Rahmenbedingungen für die Menschen, die in der Pflege arbeiten.”

Lohnerhöhung und bezahlte Ausbildung

Dieses Geld soll vor allem in die Löhne und Gehälter fließen: 520 Millionen Euro seien in den nächsten zwei Jahren für monatliche Bonuszahlungen für alle Beschäftigten vorgesehen, so der Minister. 

Außerdem soll die Ausbildung attraktiver werden. Bisher wurde diese in den allermeisten Fällen nämlich nicht vergütet. Das soll sich nun ändern: 600€ pro Monat sollen alle Auszubildenden in Pflegeschulen und Fachhochschulen erhalten. Dafür nimmt der Bund in den nächsten drei Jahren 225 Millionen Euro in die Hand. 

Zusätzlich will man auch Berufsumsteiger:innen für Berufe in der Pflege gewinnen. In Form eines Pflegestipendiums sollen Personen, die vom AMS in die Pflege vermittelt werden, 1.400€ monatlich bekommen. 

Zusätzlicher Urlaub und Pflegelehre

Für alle Beschäftigten ab 43 Jahren soll eine zusätzliche Woche Urlaub kommen. Anspruch darauf soll es unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit geben. Um dem Personalmangel entgegenzuwirken, wollen die Regierungspartner die Pflegelehre implementieren. Nach 3 Jahren Lehrzeit soll ein Abschluss als Pflegeassistenz ermöglicht werden, nach 4 Jahren ein Abschluss als Pflegefachassistenz.

Die Bundesregierung stellte ihre Pläne justament am “Tag der Pflege” vor. Während nachmittags Politik und Medien zu den Plänen Stellung bezogen, versammelten sich österreichweit Menschen, um für bessere Arbeitsbedingungen zu protestieren. Den Protestmarsch organisierten Gewerkschaften und Interessensvertretungen.

 
Plegereform: Man sieht ein Banner der FSG und Menschen, die an einer Demo teilnehmen

Teilnehmer:innen der Demo auf der Landstraße in Wien Mitte

“Mit dem Sozialleben schlecht vereinbar”

MOMENT.at hat sich unter den Demo-Teilnehmer:innen umgehört, wie die Nachricht von der Pflegereform aufgenommen wird: “Ich bin hier, weil die Situation in der Arbeit extrem belastend ist. Ich bin nicht nur körperlich, sondern auch mental an den Grenzen”, sagt ein junger Mann in Wien. Als Pflegefachassistent arbeite er oft 50 bis 60 Stunden in der Woche. 

Schuld daran sei der Personalschlüssel: “Ich bin frustriert, weil die Regierung nicht darauf reagiert hat. Auch im aktuellen Reformpaket ist davon keine Rede.” Ähnlich äußert sich eine erfahrene Gesundheits- und Krankenpflegerin: “Was sich unbedingt verbessern muss, ist der Personalschlüssel. Auch die Dienstpläne sind eine Katastrophe: Wenn ein Kollege krank wird, muss ich einspringen – auch nachts oder an Wochenenden!” 

“Der Job ist mit dem Sozialleben schlecht vereinbar”, sagt ein Pfleger mit 40 Jahren Erfahrung. “Wenn bei uns jemand anfängt, sage ich der Person: Sei bereit nachts zu arbeiten, an Feiertagen und Wochenenden. Du musst immer wieder für Kolleg:innen einspringen, darauf musst du vorbereitet sein.” Ein junger Pflegefachassistent meint: “Es bringt mir nichts, einfach mehr Geld zu bekommen. Das ist zwar eine schöne Sache, aber ich kann mir nichts drum kaufen, wenn ich dafür ständig ausgebrannt bin.” 

 

Zu wenig Anerkennung

Um Personalnot und Belastung zu lindern, muss der Plan der Regierung aufgehen, mehr Menschen in den Beruf zu bringen. Genügt die Reform dazu? Die angedachten Lohnerhöhungen finden die Befragten jedenfalls gut. Für die meisten ist der Lohn aber nicht die größte Baustelle.

Diplomierte Pfleger:innen bekommen derzeit nach zehn Dienstjahren ein Grundgehalt von etwa 30.000 Euro brutto, Pflegehelfer:innen etwa 27.00 Euro. Damit liegt man mit einem anspruchsvollen und schweren Job in Österreich in etwa bei den mittleren Jahreseinkommen. Minister Rauch kündigt nun an, dass die Lohnerhöhungen in etwa ein zusätzliches Monatsgehalt pro Jahr ausmachen werden. 

Für eine Pflegerin ist das nicht genug: “Der zusätzliche Monatslohn im Jahr ist uns zu wenig. Das ist netto ja nicht einmal ein Hunderter. Anerkennung wird in Bezahlung gemessen. Wir wollen mehr!”

 

Geld in der Ausbildung kommt gut an

Die Beschäftigten können sich hingegen durchaus vorstellen, dass die 600€ monatlich für Menschen in Ausbildung einen Anreiz für junge Menschen schaffen werden, in die Pflege einzusteigen. Eine junge Sozialbetreuerin in der Langzeitpflege sieht hier eine wirkliche Verbesserung: “Die Vergütung der Ausbildung wäre ein Anfang. Ich habe meine Ausbildung von meinen Eltern finanziert bekommen. Aber nicht jeder hat dieses Glück.” 

Immer wieder weisen Demo-Anwesende auch auf die Wichtigkeit des nun angedachten Pflegestipendiums hin: “Wenn du schon älter bist und für deine Familie sorgen musst, dann kannst du dir das sonst nicht leisten.”

 

Und die Pflegelehre?

Ob das eine so gute Idee ist, 15-Jährige Lehrlinge schon in der Pflege einzusetzen? Ein Demo-Teilnehmer und Betriebsrat ist sich nicht sicher: “Wir bräuchten eigene Lehrstätten und Leute, die Lehrlinge betreuen.” Wie sich das Besetzen dieser Stätten beim aktuellen Personalstand ausgehen würde, kann er sich wiederum nicht vorstellen: “Wir haben schon Personalmangel.” Trotzdem sieht er die Idee zumindest mit vorsichtigem Optimismus: “Es könnte funktionieren.”

 

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