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Klimakrise

Psychologie und Klimakrise: Warum wir beim Umweltschutz zu Selbstbetrug neigen

Wir gehen auf die “Fridays for Future”-Demo, fahren mit dem Rad zur Arbeit, trennen brav den Müll und kaufen im Bio-Supermarkt ein: Doch retten wir wirklich die Umwelt? Eine neue Studie zeigt, dass unser Verhalten in Sachen Umweltschutz und Klimarettung leider weit hinter dem steht, was wir vorgeben zu tun. Warum das so ist und was wir wirklich tun sollten.
Ist dir Klimaschutz wichtig? Tust du auch aktiv etwas? Na sicher, sagen hier bestimmt viele und zählen dann gerne auf, was sie nicht so alles tun. Doch auch wenn wir überzeugte Umweltschützer sind, so spiegelt sich das oft nicht in unserem Handeln wider. Wir flunkern nicht nur den anderen vor, brav das Klima zu schonen, sondern belügen uns sogar selbst.

Bei Umfragen zum Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit schwindelt der Großteil

WissenschaftlerInnen war schon lange klar, dass Umfragen über umweltfreundliches Verhalten nichts mit der Realität gemein haben: Bei einer wissenschaftlichen Umfrage unter tausenden Menschen in den USA, Indien und Großbritannien im Jahr 2019 gaben gar 75,3% der Befragten an, dass sie sich dem Klima und der Umwelt gegenüber bewusster verhalten würden als der Rest der Bevölkerung. Doch wenn alle grüne Engel sind, wie kann es sein, dass immer mehr SUVs in Städten verkauft werden und der Fleischkonsum ebenfalls stetig ansteigt? Die Zahl alleine macht klar: Da müssen sehr viele gewaltig flunkern.

Umweltschutz und Nachhaltigkeit: Große Unterschiede zwischen Angaben und tatsächlichem Handeln

Wie sehr tatsächlich die Schere zwischen unserer Selbstdarstellung und unserem Handeln liegt, haben nun erstmals schwedische Forscher in einer neuen Studie ermittelt. Denn die Sorge um die Umwelt und die Angst vor der Klimakrise sind das eine. Ein aktives Handeln und Verzicht aber etwas ganz anderes.

Zwei Sozialwissenschaftler haben rund 800 Menschen in den USA zunächst über ihre Einstellung zu Themen wie Umweltschutz und Klimakrise befragt. Um zu überprüfen, ob all jene, denen Nachhaltigkeit ein großes Anliegen ist, auch wirklich selbst einen entsprechenden Lebensstil pflegen, haben die Forscher zusätzlich demografische Daten und die generelle politische Einstellung erhoben. 

Anschließend stellten sie den TeilnehmerInnen einen Test, ohne dass sich diese dessen bewusst waren: Die Wissenschaftler gaben vor, die Menschen für den Zeitaufwand der Befragung entschädigen zu wollen. Sie erhielten Punkte, die auch einen tatsächlichen Geldwert besaßen, und zwar zwischen einem und 10 Dollar. Nach der Studie konnten die Menschen entscheiden, ob sie alle oder einen Teil ihrer Punkte für Umweltprojekte spenden, oder sich diese und das Geld selbst behalten wollten. Das Ergebnis (das Peer-Review der Studie steht noch aus): Die tatsächliche Spendenbereitschaft hielt sich sehr in Grenzen.

Klimarettung und Umweltschutz: Wir lügen, weil es sozial erwünscht ist

Die Forscher fanden auch heraus, dass politisch eher links eingestellte Personen viel öfter angaben, sich um die Umwelt zu sorgen. Doch wurden sie gebeten, aufzuzählen, was sie wirklich aktiv dafür taten, so gab es immerhin noch einen Zusammenhang zwischen Wort und Tat. Doch die im Rahmen der Untersuchung getestete Spendenbereitschaft  für Umweltschutz, konkret CO2-Kompensationsprojekte, war kaum vorhanden. 

Konservative ließen zwar öfters ihren Worten Taten folgen. Zumindest jene, die angaben, dass sie sich wirklich um die Umwelt sorgten – was im Verhältnis zu den politisch links Gesinnten in Summe aber viel weniger waren. Diese Probanden antworteten ehrlicher, da sie wohl auch weniger Gesichtsverlust in ihrer sozialen Gruppe bei diesen Themen zu befürchten hatten.

Denn wer sich dem linken Lager zugehörig fühlt, gibt in den Umfragen an, was er als sozial erwünscht erachtet. Umweltschutz und Klimakrise sind eben zentrale Themen in dieser Gruppe. Doch dafür wirklich eigenes Geld spenden? Da hört es sich dann eben bei vielen auf.

Nachhaltiges Leben: Warum wir uns selbst überschätzen

Doch letztendlich gibt es ein weiteres Problem: Uns selbst ist oft gar nicht bewusst, wie sehr wir uns selbst belügen. Der Chemiker und Umweltexperte Rainer Grießhammer beschreibt das in seinem neuen Buch #Klimaretten: “Der Selbstbetrug wird immer absurder.” Damit meint er etwa Eltern, die ihre Kinder mit dem SUV zur “Fridays for Future”-Demo bringen, im Bio-Laden das Abendessen kaufen, aber für die Ferien ins ferne Ausland fliegen und sich insgesamt ihres nachhaltigen Lebensstils rühmen. Wir bewerten nämlich unsere umweltbewussten Taten viel schwerer als sie wirklich sind. Ein Beispiel: Wer brav den Müll trennt, glaubt, sich generell umweltfreundlich zu verhalten und redet sich ein, dass der eine Fernflug schon nicht so schlimm ist. 

Umweltverhalten, das uns leicht fällt, wie eben das Mülltrennen, lässt uns glauben, dass wir uns auch in allen anderen Lebensbereichen nachhaltig verhalten. “Verfügbarkeitsheuristik” nennen Psychologen dieses Phänomen: Doch so funktioniert Umweltschutz nicht.

Umweltschutz und Klimarettung: Wie wir den Selbstbetrug austricksen können

Wer wirklich mit seinem eigenen Verhalten der Klimakrise etwas entgegensetzen will, muss oft wirklich große Veränderungen durchleben. Und wahrer Verzicht fällt eben schwer. Doch es kommt auf die großen Entscheidungen im Leben an: In eine kleinere Wohnung ziehen, das Auto verkaufen, sich nur noch vegetarisch oder vegan ernähren und eben auf Langstreckenflüge verzichten. 

Die Universität für Bodenkultur in Wien hat heuer rund 7.000 Studien ausgewertet und eine Grafik mit zehn Dingen verfasst, die wirklich das Klima schonen.

Wir können mit unserem Verhalten sehr wohl auch als Einzelpersonen etwas Gutes für das Klima tun. Doch wir neigen dazu, uns in Sachen Nachhaltigkeit schwer zu überschätzen. Wir alle sollten also öfter hinterfragen, ob wir tatsächlich so umweltbewusst leben, wie wir uns auf den sozialen Medien gerne darstellen. Umweltschutz funktioniert leider nicht wie ein Ablasshandel.

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