“N**** werden hier nicht bedient.” Rasanter Anstieg von Rassismus in Österreich: Ein Fall aus Graz
Der Grazer Rapper Kizmet hat in einem Café im Bezirk Gries einen Vorfall erlebt, der beispielhaft für die Erfahrungen vieler steht. „Ich ging mit einem Freund kurz in das Café rein. Selbst war ich nüchtern und habe gleich bemerkt, dass mich ein paar Männer mit Glatzen angestarrt haben. Als ich an der Bar etwas zu trinken bestellen wollte, wurde ich von der Kellnerin ignoriert. Sie hat nicht einmal Augenkontakt mit mir hergestellt. Nach 20–25 Minuten habe ich nachgefragt und gewunken, und dann kam ihr Zitat: ‘N**** werden hier nicht bedient’“, erzählt Kizmet im Gespräch mit MOMENT.at. Das Café war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Kizmet sagt, er sei solche Vorfälle aus seiner Kindheit in Steyr gewohnt: „Ich war trotzdem fassungslos darüber, wie ungeniert und schamlos sie das gesagt hat. Im Anschluss ging sie zu einem der umstehenden Männer, zeigte immer wieder auf mich und hetzte ihn offensichtlich auf. Ich habe meinen Kollegen stehen lassen und bin rausgegangen.“
„Auch in Graz passiert Rassismus regelmäßig“
Sein Freund habe kurz versucht, ihn zu beschwichtigen, sonst habe niemand etwas gesagt. Als Kizmet das Lokal verließ, um einer drohenden Ausschreitung zu entgehen, wurde er draußen von einem der Gäste sogar ein paar Minuten lang gesucht. Um seinen Freund anschließend aus dem Café zu holen, musste er andere Passant:innen bitten, sich vor die Türkamera zu stellen, da ihm selbst der Zutritt verwehrt blieb.
So etwas sei zwar schockierend, aber bei weitem kein Einzelfall. „Auch in Graz passiert Rassismus regelmäßig”, sagt er.
Im Vorbeigehen murmeln manche Leute abfällige Kommentare wie ‘schleich dich dahin, wo du herkommst’, weil sie nicht damit rechnen, dass ich Deutsch bzw. Dialekt verstehe. – Kizmet
Er sei froh, dass er ein Netzwerk habe, das so etwas nachvollziehen und mit dem er jederzeit darüber sprechen könne.
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Anzeige soll folgen
Das Video löste auf Social Media zahlreiche Reaktionen aus. „Ich habe viel Zuspruch erhalten”, sagt er. Aber er habe auch Diskussionen gesehen, die für ihn das Thema verfehlen. Etwa, indem sie das Verhalten seines Freundes in den Mittelpunkt rückten. ”Nur um noch einmal festzuhalten: Das Schlimmste an der Situation war nicht, dass mein Freund in diesem kurzen Moment nicht sofort geholfen hat, sondern die Tatsache, dass die Kellnerin so etwas einfach schamlos und offen sagt. In Österreich in 2024 darf es nicht sein, dass Herkunft und Aussehen ein solches Verhalten hervorrufen.“
Kizmets Video führte dazu, dass sich die Antidiskriminierungsstelle ZARA bei ihm meldete. Eine Anzeige soll folgen.
Seit zwei Monaten: Flut an rassistischen Übergriffen, Hassnachrichten, Kommentaren und Videos
Daniela Grabovac, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Steiermark, sieht im Fall eine Bestätigung ihrer aktuellen Wahrnehmung: Seit zwei Monaten erlebe die Stelle eine massive Flut an rassistischen Übergriffen, Hassnachrichten, Kommentaren und Videos gegen Schwarze Menschen.
“Bei der Gründung vor 13 Jahren waren wir zunächst auch vorrangig mit Hassdelikten gegen Schwarze Menschen konfrontiert. Dann verlagerte sich alles in Richtung Islamfeindlichkeit. Nun erleben Betroffene wieder einen besorgniserregenden Anstieg von Rassismus gegen Schwarze Menschen.” Grabovac erinnert an Lokaltests aus dem Jahr 2003, die offenlegten, dass viele Lokale in Graz damals Schwarzen Personen den Zutritt verwehrten. Zu dem Zeitpunkt war Graz übrigens Kulturhauptstadt Österreichs.
Woran der neuerliche Anstieg liegt, ist derzeit bis zu einem gewissen Grad Spekulation. Auffällig ist die zeitliche Nähe zu Wahlkämpfen. “Betroffene schildern, dass rassistische Tendenzen durch politische Kampagnen von FPÖ & ÖVP legitimiert werden und dadurch die Hemmschwelle für rassistisches Verhalten immer weiter sinkt – also wieder ‘in’ ist”. Die Betroffenen fühlen sich durch diese Entwicklung in ihrem Alltag bedroht.
Viele Betroffene zögern, alleine zur Polizei zu gehen
Die Antidiskriminierungsstelle selbst bietet Unterstützung bei der Anzeigeerstattung, da viele Betroffene auch zögern, alleine zur Polizei zu gehen. Grabovac, die Antidiskriminierungsarbeit seit 25 Jahren ausübt, betont die Bedeutung einer vertrauensvollen Begleitung für diejenigen, die Rassismus erfahren.
Viele gehen davon aus, dass die Polizei sie nicht ernst nehmen wird, manche haben das schon am eigenen Leib erfahren. – Daniela Grabovac
Ein weiterer aktueller Vorfall in Wien, bei dem ein 16-jähriger Schwarzer Junge von der Polizei gewaltsam festgenommen wurde, sei Zeugnis der Dringlichkeit, mit der solche Themen angegangen werden müssen – politisch, institutionell wie auch im Privaten.