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Ungleichheit

Erbschaftssteuer in Österreich: Was mögliche Betroffene darüber denken

Die Familie Porsche & Piech ist die reichste in Österreich. Foto: Kahl Orr/Pixabay
Brauchen wir eine Erbschaftssteuer in Österreich oder sind das nur feuchte Enteignungsträume? Die Diskussion um Erbschaftssteuern ist selten so hochgekocht wie in den vergangenen Monaten. Aber was denken eigentlich Menschen, die mit größeren Erbschaften rechnen können oder schon geerbt haben? Wir haben mit sechs von ihnen gesprochen.

Stell es dir einmal vor: Während eines mühsamen Arbeitstages erhältst du einen Anruf. Am Ende der Leitung ist ein Notar, der dir eine traurige und eine frohe Botschaft mitteilt: Du hattest eine entfernte Großtante, die du nie kanntest. Hattest, denn sie ist vor kurzem verstorben. Sie war aber auch sehr reich – und du bist die einzige Person, die ihr Vermögen erbt.

Was für ein verlockender Tagtraum. Du kannst den Sorgen des Alltags entfliehen. Doch jetzt folgt der Alptraum: Du lebst in einem Land mit Erbschaftssteuer. Schockschwerenot! Du kannst dir einfach nicht leisten, das Erbe anzutreten, musst dich verschulden und stehst noch schlimmer da als vorher.

Beide Szenarien sind sehr weit von der Realität entfernt. Doch wer will sich den schönen Tagtraum schon durch eine zusätzliche Steuer vermiesen lassen?

Vielleicht ist das einer der Gründe, weshalb so emotional über Erbschaftssteuern diskutiert wird. Die einen erachten sie als fairen Beitrag von leistungslos erhaltenem Vermögen. Die anderen wittern darin Enteignung und Reichenhass. 

Dabei wird oft so getan, als wären künftige Erb:innen automatisch gegen Erbschaftssteuern. Und nur wer nichts erbt, ist dafür. Aber ist die Grenze so klar? Wir haben mit sechs Menschen gesprochen, die mit größeren Erbschaften rechnen dürfen. Und wir haben ihnen vorgerechnet, ob und wie viel Geld sie für ihr Erbe an den Staat abgeben müssten. Was sagen sie dazu?
 


Erbschaftssteuer in Österreich: Der Status Quo und womit wir rechnen

Aktuell gibt es keine Erbschaftssteuer in Österreich. Sie ist 2008 ausgelaufen. Die einzige Abgabe bei einem Erbe ist die Grunderwerbsteuer auf Immobilien. Die beträgt maximal 3,5 Prozent.

Wie könnte eine Erbschaftssteuer in Österreich aussehen? 

Für unsere Berechnungen orientieren wir uns an dem Vorschlag des Momentum Instituts (PDF). Das sieht einen Freibetrag von 500.000 Euro vor. Ab dann beginnt ein progressiver Steuersatz, der bei 2,5 Prozent startet. Alles über 1.050.000 Euro wird mit 30 Prozent besteuert. Rund 900 Millionen Euro könnte der Staat so jährlich an Steuern einnehmen.

Ausnahmen und Details haben wir bei den Gesprächen so gut es geht ignoriert. Je nach Erbschaftssteuer können etwa Immobilien auch steuerfrei vererbt werden, wenn Erb:innen weiterhin darin wohnen. Auch eine Staffelung der Steuersätze nach Verwandtschaftsverhältnis ist in einigen Ausgestaltungen üblich. 

Wir haben unsere Gesprächspartner gebeten, den Wert ihres Erbes grob zu schätzen, ohne zu sehr auf einzelne Vermögensformen einzugehen.
 


Tina (52 Jahre), Höhe der Erbschaft insgesamt: 800.000 Euro

MOMENT.at: Wie stehst du zu einer Erbschaftssteuer?

Tina: Ich finde sie grundsätzlich gut. Ich finde aber, es sollte einen Unterschied machen, wie man zu einem Erbe kommt und wie groß es ist. Man sollte die Umstände genau berücksichtigen. Jemand, der zu Millionen kommt und nichts dafür getan hat, sollte ruhig eine Erbschaftssteuer bezahlen.

MOMENT.at: Was wirst du erben?

Tina: Ich werde mit zwei Geschwistern ein Haus mit Grundstück erben. Das Haus ist nicht sehr viel wert, aber der Grund befindet sich in sehr guter Lage.

MOMENT.at: Wann wurde dieses Erbe erwirtschaftet?

Tina: In den letzten zwei Generationen. Nach dem Krieg hat mein Großvater das Grundstück gekauft, das Haus gebaut und konnte es mit der Unterstützung meines Vaters für uns erhalten. Wir alle haben sehr viel Arbeitsleistung in dieses Haus gesteckt.

MOMENT.at: Bist du finanziell auf das Erbe angewiesen?

Tina: Ich spekuliere zumindest damit. Ich habe mir etwa eine Wohnung gekauft, mit dem Wissen im Hinterkopf, obwohl noch gar nicht klar ist, ob wir es jemals verkaufen würden. Ich bin seit 20 Jahren alleinstehend mit zwei Kindern. Andere haben zwar sicher mehr, aber mir geht es finanziell ganz gut.

MOMENT.at: Was schätzt du, müsstest du bei deinem Erbe von 800.000 Euro an Erbschaftssteuer zahlen müssen?

Tina: Wenn wir mit einem Freibetrag von 500.000 Euro rechnen, wären das wohl so 30.000 Euro.

MOMENT.at: Tatsächlich müsstest du gar nichts zahlen. Du erbst das Haus nämlich gemeinsam mit deinen Geschwistern. Dadurch sinkt der Wert, den du erbst.

Tina: Das wundert mich jetzt schon sehr. Wer zahlt denn dann wirklich Erbschaftssteuer und warum reden wir so groß darüber? Ich wäre schon bereit, für unser Haus zu zahlen, auch wenn 30.000 Euro sehr viel Geld für mich wäre. 

Das finde ich schon fast wieder komisch. Ich finde, wir müssten eigentlich noch viel mehr die Werbetrommel für die Erbschaftssteuer rühren, wenn das so ist. 

Wer zahlt in Österreich Erbschaftssteuer?

Viele Menschen haben Angst davor, dass sie wegen einer Erbschaftssteuer ihr Elternhaus verkaufen müssten. Geschürt wird das von Parteien und Interessenvertretungen, die die Mittelschicht bedroht sehen. 

Fakt ist: Kein Vorschlag für eine Erbschaftssteuer betrifft die Mehrheit der Erb:innen. Ganz im Gegenteil: Mit einem Freibetrag von 1 Million Euro wären 98 Prozent der Vermögensübertragungen gar nicht betroffen. Mit einem niedrigeren Freibetrag von 500.000 Euro sind es immer noch 90 Prozent. Davon abgesehen erben 70 Prozent der österreichischen Haushalte gar nichts – es würde also nur eine Minderheit treffen.

Doch warum ist das Thema dann immer wieder ein Aufreger? “Die meisten Leute realisieren nicht, wie unfassbar ungleich Erbschaften verteilt sind. Jeder und jede sieht seine potenzielle Erbschaft in Gefahr. Die Erbschaft hat für die Menschen eine enorm hohe emotionale Bedeutung”, sagt Ökonom Jakob Kapeller zu der Wahrnehmung der Menschen im Interview.

Thomas (27 Jahre), Höhe der Erbschaft: 1,2 Millionen Euro

MOMENT.at: Wie stehst du zu einer Erbschaftssteuer?

Thomas: Ich bin definitiv für eine – allerdings nicht in Kombination mit einer Vermögenssteuer. Die ist für mich eher eine Bremse, mehr erreichen zu wollen. Bei einem Erbe habe ich ja nur Glück und habe mir nichts verdient oder erarbeitet.

MOMENT.at: Was wirst du erben?

Thomas: Zwei Wohnungen in einem Zinshaus mit je 60-70m² und 120-130m². Was sonst noch da ist, weiß ich nicht. 

MOMENT.at: Wann wurde dieses Erbe erwirtschaftet?

Thomas: Es ist bereits seit Generationen in Familienbesitz. Ich weiß, dass es schon auf die Ur-Urgroßeltern zurückgeht.

MOMENT.at: Bist du finanziell auf das Erbe angewiesen?

Thomas: Nein, zu null Prozent. Ich habe einen 40-Stunden-Job und kann mein eigenes Erspartes aufbauen.

MOMENT.at: Was schätzt du, würdest du bei deinem Erbe von 1,2 Millionen Euro an Erbschaftssteuer bezahlen müssen?

Thomas: Ich habe ehrlich gesagt keinen blassen Schimmer. Ich hab mich nie wirklich damit beschäftigt. 

MOMENT.at: Nach unserem Modell würdest du 127.000 Euro zahlen müssen. Was sagst du dazu?

Thomas: Das schreckt mich nicht. Ich fände das auch okay. Ich müsste mir in der Situation eben ausrechnen, ob sich ein Kredit auszahlt oder ob ich eine Wohnung verkaufe.

MOMENT.at: Wie gehst du mit dem Gefühl um, dass dir etwas weggenommen wird, obwohl du es noch gar nicht hast?

Thomas: Ich sehe das Erbe nicht als gegeben. Und mir wird ja nur ein Teil genommen. Das ist ähnlich wie bei Steuern auf Arbeit – da wird mir auch etwas abgezogen, was ich noch nicht habe. Und das Erbe habe ich nicht einmal selbst erarbeitet! Ich erhalte einfach so etwas – und helfe damit anderen Menschen. Es ist ein schönes Gefühl, seinen Teil beizutragen.

Sind Erbschaftssteuern gerecht?

Erbschaftssteuern können etwas dazu beitragen, dass Vermögen gerechter verteilt wird. Menschen wie Thomas haben für ihr Erbe nichts geleistet und profitieren weiterhin davon. Selbst wenn er eine Erbschaftssteuer zahlen müsste: Thomas könnte beide Wohnungen vermieten und mit den Mieteinnahmen einen Kredit zurückzahlen. Oder eine Wohnung verkaufen und damit die Erbschaftssteuer bezahlen – dann bleibt ihm immer noch eine Wohnung und viel Geld übrig. Thomas wäre also immer noch sehr wohlhabend. Nur eben nicht mehr ganz so stark.

Gleichzeitig würden seine Abgaben der Gesellschaft weiterhelfen. Wir leben in einer Zeit vielfacher Krisen, die unseren Sozialstaat belasten. Der leistet enorm viel. Und das benötigt Geld. Geld, das man mit einer Erbschaftssteuer einnehmen könnte. 900 Millionen Euro könnte das Modell, mit dem wir rechnen, jährlich bringen. Das ist noch sehr niedrig angesetzt – auch deswegen, weil die Reichsten vermutlich noch mehr erben, als bekannt ist. In der EU schwanken die Anteile der Erbschaftssteuern zwischen 0,2 Prozent und 0,7 Prozent des jeweiligen BIP. Für Österreich würde das einen Betrag zwischen 850 Millionen und 3,3 Milliarden Euro ausmachen.

Raphael (23 Jahre), Höhe der Erbschaft: 8 Millionen Euro

MOMENT.at: Wie stehst du zu einer Erbschaftssteuer?

Raphael: Grundsätzlich bin ich dafür, es kommt aber darauf an, wie sie gestaltet ist. Sie sollte so ausgelegt sein, dass Vermögensaufbau nicht verhindert wird. Ich sollte etwa keine Immobilien verkaufen müssen, nur um die Steuer bezahlen zu können.

MOMENT.at: Was wirst du erben?

Raphael: Auf mich persönlich entfallen etwa 8 Millionen Euro. Wobei man natürlich nicht sagen kann, was in Zukunft passiert. Das Erbe spaltet sich auf verschiedene Sachen auf.

MOMENT.at: Wann wurde dieses Erbe erwirtschaftet?

Raphael: Das wurde etwa in den letzten ein bis zwei Generationen aufgebaut. Es ist jetzt kein Familienunternehmen, das bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht.

MOMENT.at: Bist du finanziell auf das Erbe angewiesen?

Raphael: Nein, um ein gutes Leben zu führen, wäre ich nicht darauf angewiesen. Ich genieße eine sehr gute Ausbildung und werde mit meinem Beruf gut genug verdienen. Wenn ich mir eine 500m²-Villa bauen will, wird es natürlich schwierig – aber so geht es ja allen.

MOMENT.at: Was schätzt du, würdest du auf dein Erbe von 8 Millionen Euro an Erbschaftssteuer bezahlen müssen?

Raphael: Das kommt natürlich immer darauf an, was mit eingerechnet wird. Ich würde so 700.000 bis 1.000.000 Euro schätzen.

MOMENT.at: Nach unserem Modell würdest du 2.167.000 Euro zahlen müssen. Was sagst du dazu?

Raphael: Das ist natürlich schon viel. Wenn man das stunden könnte, ist das wohl realisierbar. Wenn man das von heute auf morgen zahlen muss, wird es schwierig. Das kann dann nur mit Substanzverlust einhergehen. Grundsätzlich wäre es aber schon möglich.

MOMENT.at: Wie gehst du mit dem Gefühl um, dass dir etwas weggenommen wird, obwohl du es noch gar nicht hast?

Raphael: Dass man es als unfair empfindet, kommt sicher auch daher, weil man damit aufwächst. Es war oft das Zuhause oder man kennt das Unternehmen. Und das hat sich ja jemand erarbeitet, der auch schon Steuern darauf gezahlt hat. Auch wenn es keine Doppelbesteuerung in dem Sinn ist – das ist das erste, vielleicht irrationale Gefühl, das man dabei hat, wenn man schnell darüber nachdenkt. Aber eigentlich finde ich nicht, dass mir mit der Erbschaftssteuer jemand was wegnimmt. Man trägt ja nichts aktiv dazu bei.

Sind Erbschaftssteuern eine Doppelbesteuerung?

Es ist eines der häufigsten Argumente in der Debatte: Für das Erbe hat ja schon jemand Steuern bezahlt. Warum sollte man das nochmal versteuern müssen?

Raphael nennt den Gedankengang ein “irrationales Gefühl”. Denn wenn man weiterdenkt, müsste man sich über ganz viele andere Steuern auch aufregen. Die Mehrwertsteuer zahlt man etwa mit dem Gehalt, von dem schon Lohnsteuern abgezogen wurden. “Im Sinne der Gleichheit könnte man sagen: Wer sein Geld ausgibt, zahlt 20 Prozent Umsatzsteuer, wer es spart, zahlt nichts. Also sind 20 Prozent Erbschaftssteuer wohl grundsätzlich legitim und vertretbar”, so Jakob Kapeller im Interview.

Erben ist ein leistungsloses Einkommen. Insofern sollten diejenigen, die eine Leistungsgesellschaft beschwören, auch am lautesten für Erbschaftssteuern sein.

Fritz (61 Jahre), Höhe der Erbschaft insgesamt: 900.000 Euro

MOMENT.at: Wie stehst du zu einer Erbschaftssteuer?

Fritz: Ich finde, dass sie schon lange eingeführt gehört. Die Schere beim Vermögen geht immer weiter auf, so könnte man sie zumindest etwas schließen. Und für vermögende Menschen hat das ja nicht viele Auswirkungen, die Steuer könnte aber etwas mehr soziale Gerechtigkeit bewirken.

MOMENT.at: Was hast du geerbt bzw. was wirst du vererben?

Fritz: Ich habe gemeinsam mit vier Geschwistern unser Elternhaus mit Grund sowie etwas Geld von meiner Mutter geerbt. Insgesamt waren das nicht ganz 900.000 Euro, ca. 170.000 Euro pro Person. Meine zwei Kinder bekommen von mir ein Einfamilienhaus und zwei Grundstücke, aktuell sind die ca. 600.000 Euro wert.

MOMENT.at: Warst du auf das Erbe finanziell angewiesen?

Fritz: Nicht wirklich. Ich habe selbst ein Einkommen und ein Haus, das Geld habe ich nicht für persönliche Bedürfnisse hergenommen. 

MOMENT.at: Was glaubst du, hättest du an Erbschaftssteuer zahlen müssen, wenn es eine gegeben hätte?

Fritz: Ich glaube, wir wären unter der Grenze geblieben. Wir waren schließlich fünf Erben. 

MOMENT.at: Das stimmt, du hättest nichts zahlen müssen. Auch deine Kinder würden wohl keine Erbschaftssteuer bezahlen.

Fritz: Es muss sich also niemand fürchten. Würde man ein Haus erben und darin wohnen und müsste es dann verkaufen, wäre das für viele schon schwer. Ich hätte ein Problem mit einer Erbschaftssteuer, wenn es die Menschen trifft, die es ohnehin schon schwer haben. Solche Dinge muss man vermeiden.

MOMENT.at: In welchem Bereich siehst du dich in der Vermögensverteilung nach deinem Erbe?

Fritz: Vermutlich ziemlich gut. Ich glaube, so 30-60 Prozent der Menschen haben weniger als ich.

 

Wer erbt in Österreich eigentlich?

Die Angst um das Elternhaus ist für viele Menschen ein Grund, gegen die Erbschaftssteuer zu sein. Die kann ihnen aber genommen werden, wenn man bedenkt, wer hauptsächlich erbt.
Sieben von zehn Menschen werden nie etwas erben. Und es erben vor allem die Menschen, die bereits viel haben:

Aber reiche Menschen erben nicht nur öfter, sie erben auch viel mehr. Das oberste Zehntel erbt im Schnitt eine Summe von 413.000 Euro. Dabei ist dieser Wert vermutlich zu niedrig, da extrem reiche Haushalte für die Forschung schwer zu erreichen und bei den Daten nicht erfasst sind.

Erbschaften sind sogar noch ungleicher verteilt als Vermögen. Eine Erbschaftssteuer könnte dazu beitragen, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Dass dabei das Haus von den Großeltern betroffen sein könnte, das sie sich mühselig erarbeitet haben, ist ein Mythos. Sogar bei einem niedrigen Freibetrag von 500.000€ sind solche Immobilien selten betroffen. Und selbst wenn, gibt es häufig Ausnahmen, wenn man etwa in dem Haus lebt. 

Wer so ein Haus als einzige Person leistungslos erbt und es nicht bewohnt, kann sich mit einem Blick auf die Daten auch eine Erbschaftssteuer leisten.
 

Tamara (24 Jahre), Höhe der Erbschaft: 2 Millionen Euro

MOMENT.at: Wie stehst du zu einer Erbschaftssteuer?

Tamara: Ich bin grundsätzlich dafür. Personen, die in eine gute Position geboren wurden, sollten nicht bevorzugt werden. Sehr viele von denen, die erben, können sich die Steuer auch leisten.

MOMENT.at: Was wirst du erben?

Tamara: Ich werde zwei Häuser und große Grundstücke dazu erben. Alles zusammen sind sie etwa zwei Millionen Euro wert.

MOMENT.at: Bist du finanziell auf das Erbe angewiesen?

Tamara: Ich weiß, dass das Erbe existiert. Deswegen lebe ich vielleicht anders. Ich kann es mir leisten, unbezahlte Praktika zu machen. Ich kann Dinge unternehmen, weil ich grundsätzlich das Erbe zum Zurückfallen habe. Meine finanzielle Situation ist auch so gut. Ich bin gut ausgebildet, habe Glück im Sinne der Geburtslotterie gehabt und hatte dadurch viel mehr Möglichkeiten. Angewiesen bin ich nicht darauf.

MOMENT.at: Was schätzt du, würdest du mit deinem Erbe von zwei Millionen Euro an Erbschaftssteuer bezahlen müssen?

Tamara: Ich hätte geschätzt, dass ich so um die 300.000 Euro zahlen müsste. Aber ich habe mich damit nicht viel beschäftigt.

MOMENT.at: Du bist nicht weit weg. Nach unserem Modell würdest du 367.000 Euro zahlen müssen. Was sagst du dazu?

Tamara: Ich habe grundsätzlich eine starke emotionale Bindung zu den Häusern. Meine Eltern und Großeltern haben dort gelebt, ich bin damit aufgewachsen. Aber ich bin ein Einzelkind. Ich brauche keine zwei Häuser mit großen Grundstücken. Als rational denkender Menschen würde ich eines verkaufen, wenn ich es mir nicht anders leisten könnte.

Ich wäre vielleicht emotional aufgebracht. Aber es sind nur Häuser und keine Menschen.

MOMENT.at: Wie gehst du mit dem Gefühl um, dass dir etwas weggenommen wird, obwohl du es noch gar nicht hast?

Tamara: Ich finde gar nicht, dass mir etwas zusteht. Ich bin einfach in diese Familie reingeboren. Mir wird meiner Meinung nach nichts weggenommen.

Ich möchte das Beste mit meinem Erbe machen. Für mich heißt das auch, dass ich in sozialen Berufen arbeiten kann. Auch wenn ich beide verkaufen müsste, könnte ich einfach etwas anderes machen.

MOMENT.at: In welchem Bereich siehst du dich in der Vermögensverteilung nach deinem Erbe?

Tamara: Vermutlich in den top 20 oder 30 Prozent? Ich kenne grundsätzlich einige Leute, die noch viel mehr erben würden.

 

Zu welcher Vermögensschicht gehören Erben?

Bei der Selbsteinschätzung zu Vermögen gibt es ein interessantes Phänomen: reiche Menschen fühlen sich vielfach der Mittelschicht zugehörig. Richtig reich will niemand sein.
 

Möglicherweise spielt auch das in die Mär von der abgeschöpften Mittelschicht hinein, die von einer Erbschaftssteuer angeblich besonders betroffen wäre. Tamara würde sich mit einem Erbe von zwei Millionen Euro unter fünf Prozent der vermögendsten Haushalte des Landes befinden. Sie selbst fühlt sich damit aber der oberen Mittelschicht zugehörig – und sie ist mit diesem Gefühl nicht alleine. Doch wer viel erbt, ist meistens aus den obersten Vermögensschichten.

Erben ist einer der sichersten Wege, wie man so viel Vermögen aufbaut. 15 Milliarden Euro werden in Österreich derzeit jährlich vererbt. Das meiste davon geht naturgemäß an jene, die schon viel haben. So wird Vermögen immer wieder weitergegeben und dazu genutzt werden, noch mehr Vermögen anzuhäufen.

Wie stark Reichtum und Vererbung verknüpft sind, zeigt ein Beispiel aus Italien. Ökonom:innen haben untersucht, wie sich das Vermögen der reichsten Familien in Florenz im 15. Jahrhundert entwickelt hat. Fast 600 Jahre später sind die fünf wohlhabendsten Familien immer noch dieselben wie damals.

Roxana (37), Höhe der Erbschaft: 1.500.000 Euro

MOMENT.at: Wie stehst du zu einer Erbschaftssteuer?

Roxana: Grundsätzlich bin ich eher dafür, dass man Erbschaftssteuern einführt und dafür Lohnsteuern senkt. Wenn ich etwas erbe, mache ich nichts dafür. In Österreich wird doch eh alles besteuert – warum dann nicht auch Erbe und Vermögen?

MOMENT.at: Was wirst du erben?

Roxana: Ich werde zwei Immobilien beziehungsweise das Geld daraus erben. Wir haben ein Haus in Rumänien, das verkauft wird. Insgesamt macht das alles etwa 1,5 Millionen Euro aus.

MOMENT.at: Wann wurde dieses Erbe erwirtschaftet?

Roxana: Hauptsächlich von meinen Eltern. Die sind nach dem Fall des Kommunismus in Rumänien nach Österreich gekommen, mein Vater hat dann eine Firma gegründet. Kurzzeitig ist die auch an die Börse gegangen.

Es existiert also nicht seit Generationen. Meine Verwandtschaft in Rumänien war weit davon entfernt.

MOMENT.at: Bist du finanziell auf das Erbe angewiesen?

Roxana: Ich rechne damit. Ich zahle aktuell alleine etwas über 1.000 Euro Miete. Im Hinterkopf habe ich diesen durchaus privilegierten Gedanken, dass ich mich nicht stressen muss. Ich weiß, dass ich mir irgendwann etwas leisten kann.

Ich sehe das auch bei Freunden. Die nehmen alle Kredite auf und zahlen ewig ihre Häuser ab. Ich muss das nicht bedenken.

MOMENT.at: Was schätzt du, würdest du für dein Erbe von 1,5 Millionen Euro an Erbschaftssteuer bezahlen müssen?

Roxana: Gute Frage. So um die 70.000 Euro vielleicht?

MOMENT.at: Nach unserem Modell würdest du 217.000 Euro zahlen müssen. Was sagst du dazu?

Roxana: Puh. Das ist schon ein Betrag, den man erst auftreiben muss. Aber ja, wenn eine Erbschaftssteuer kommt und gleichzeitig Arbeit weniger besteuert wird, wäre ich schon einverstanden.

Man muss aber ehrlich sagen, dass das wohl ohnehin bei denen schlagend wird, die schon viel Vermögen haben und es sich leisten können.

MOMENT.at: Wie gehst du mit dem Gefühl um, dass dir etwas weggenommen wird, obwohl du es noch gar nicht hast?

Roxana: Damit geht es mir nicht schlecht. Es kommt ja doch allen zugute. Gerade jetzt, wo man merkt, wie teuer alles ist, könnte man damit etwas Gutes tun. Und ich habe es ja nicht erarbeitet. 

MOMENT.at: In welchem Bereich siehst du dich in der Vermögensverteilung nach deinem Erbe?

Roxana: Sicher nicht bei den Vermögendsten, aber schon relativ weit oben. Vielleicht so in den top 20 Prozent.

MOMENT.at: Wie fast alle anderen meiner Gesprächspartner:innen wolltest du anonym bleiben. Warum eigentlich?

Roxana: Ich habe tatsächlich noch nie mit meinen Eltern darüber gesprochen. Ich glaube, es wäre komisch, wenn sie das lesen würden. Ich weiß nicht, ob sie es verstehen würden.

Und dann kommt noch so eine Barriere im Kopf dazu. Über Geld redet man nicht einfach so.
 

Erbschaftssteuern in Österreich: Warum wir über Geld reden müssen

Erbschaftssteuern sind mit negativen Emotionen verbunden, die einem nüchternen Blick kaum standhalten. Doch dazu muss man die Fakten sehen – und das können wir nur schaffen, wenn wir immer wieder über Geld und Vermögen sprechen.

Wer so viel erbt, dass er oder sie Erbschaftssteuern abgeben muss, hat keine finanziellen Probleme. Du erbst mehrere Wohnungen? Dann kannst du einen Kredit aufnehmen, dessen Raten du aus Mieteinnahmen zurückzahlen kannst. Oder du verkaufst eine, und kannst dich danach immer noch über leistungsloses Vermögen freuen. Wer eine Millionenvilla erbt, hat von einem Tag auf den anderen eine Millionenvilla, ohne etwas dafür getan zu haben. In so einer Situation kann man es Menschen durchaus zumuten, dass sie ihren Teil beitragen.

Dass jemand wie Raphael über zwei Millionen Euro an Erbschaftssteuern zahlen muss, hat auch bei mir kurz für einen kleinen Schock geführt. Was man dabei nicht bedenkt: Ihm bleiben immer noch fast sechs Millionen Euro übrig. Damit befindet er sich immer noch unter den reichsten 0,5 Prozent der Menschen in Österreich und kann sich locker weiteres Vermögen aufbauen. Die Steuer hindert ihn daran nicht.

Unsere Gesprächspartner:innen sind – mit Einschränkungen – alle für eine Erbschaftssteuer. Die meisten von ihnen haben sich schon mit dem Thema auseinandergesetzt. In Österreich sprechen sich aktuell die Hälfte der Menschen laut SORA-Befragung dafür aus – trotz der vielen falschen Vorstellungen, die damit einhergehen. 

In 17 EU-Staaten gibt es eine Form der Erbschaftssteuer. Es spricht eigentlich nichts dagegen, dass Österreich das 18. wird.

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