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Research Affairs erstellte auch 2020 positive Umfragen fürs Finanzministerium – und “Österreich” berichtete

Auch im Jahr 2020 ließ das Finanzministerium Umfragen von Research Affairs erarbeiten, die wohl geschönt waren. Die Ergebnisse erschienen in „Österreich" – jedoch ohne Hinweis auf das Ministerium als Auftraggeber. Fragen in der 60.000 Euro teuren Umfrage zu den Corona-Maßnahmen waren so gestellt, dass schmeichelhafte Ergebnisse für Gernot Blümels Ministerium begünstigt wurden.

„Gute Noten für Corona-Hilfen des Staates“ titelte „Österreich“ am 2. Jänner 2021. Die Gratiszeitung aus dem Hause Fellner zitierte in einem Bericht auf seiner Wirtschaftsseite die Ergebnisse einer Umfrage von Research Affairs.

Es ist jenes Meinungsforschungsinstitut, das laut den Ermittlungen der WKStA geschönten und mutmaßlich mit veruntreuten Steuergeld vom Finanzministerium finanzierten Umfragen erstellte. Sie erschienen 2016 und 2017 in „Österreich” und machten gute Stimmung für Sebastian Kurz.

Research Affairs: Zwei große Umfragen fürs Finanzministerium in 2020

Sabine Beinschab, Leiterin des Instituts, wurde am Dienstag dieser Woche festgenommen – wegen Verdunkelungsgefahr. Am Donnerstag wurde sie enthaftet. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Recherchen zeigen: Im Jahr 2020 erstellte Research Affairs noch mindestens drei weitere große Umfragen für das Finanzministerium von Gernot Blümel. Eine davon scheint in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der SPÖ-Abgeordneten Karin Greiner auf. Titel: „Studie zur Bewertung der Corona-Hilfsmaßnahmen“. In einer weiteren parlamentarischen Anfrage, diesmal gestellt vom Neos-Abgeordneten Nikolaus Scherak, gibt Blümel an, die Studie habe die Steuerzahler:innen 59.880 Euro gekostet.

Die anderen mit dem Titel „Bewertung des Corona-Hilfspakets“ und „Bewertung des Wirtshaus-Pakets“ aus dem Mai 2020 kosteten zusammen weitere 60.000 Euro und tauchen in einer weiteren Anfragebeantwortung des Finanzministers auf. Vertragspartner bei allen drei Studien: Die Research Affairs GmbH von Sabine Beinschab. Sie ist auch Verfasserin der Umfragen, die jeweils mehrere Dutzend Powerpoint-Folien umfassen.

Finanzministerium äußert sich nicht zu Studien von Research Affairs

MOMENT fragte im Finanzministerium nach, mit welchem Ziel die Umfragen in Auftrag gegeben wurden und erbat Einblick in die mit Research Affairs abgeschlossenen Verträge. Bis Redaktionsschluss dieses Artikels erhielten wir darüber keine Auskunft. Sabine Beinschab war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Eine Stellungnahme des Blattes von Herausgeber Wolfgang Fellner lag bis Redaktionsschluss dieses Artikels nicht vor.

In der „Studie zur Bewertung der Corona-Hilfsmaßnahmen“ wurden 500 Unternehmen und 2.000 Personen aus der Bevölkerung gefragt, wie sie die Corona-Hilfsmaßnahmen der Regierung bewerten. Ergebnisse der Umfrage und wohlwollende Berichterstattung dazu erschien in „Österreich“. Auch die APA veröffentlichte eine Meldung darüber, allerdings etwas später als die Zeitung.

„Österreich“ verschweigt, dass Umfrage vom Finanzministerium kommt

Das BMF selbst veröffentlichte keine Pressemitteilung über ihre Studie. Auf der Website von Research Affairs scheint die Studie nicht auf. Sie ist jedoch beim Portal des Finanzministeriums herunterladbar. Dort finden sich auch die anderen beiden Umfragen.

Im Gegensatz zur Nachrichtenagentur erwähnt „Österreich” in ihrem Artikel nicht, dass die Umfrage vom Finanzministerium selbst in Auftrag gegeben wurde. Das ist nicht unwichtig. Denn die Art, wie Research Affairs die Fragen stellt, legt nahe: Für das Finanzministerium positive Ergebnisse waren erwünscht.

Fragen und Antwortmöglichkeiten sind so formuliert, dass eine Verzerrung der Antworten eintreten könnte.
Branchenexperte über die Umfrage

MOMENT legte die Umfrage einem Branchenexperten vor. Seine Einschätzung: „Manche Fragen und Antwortmöglichkeiten sind so formuliert, dass – ob gewollt oder ungewollt – eine Verzerrung der Antworten eintreten könnte.” Das Finanzministerium und Research Affairs arbeiteten in Sachen Umfragen, die für ÖVP-Politiker:innen positive Ergebnisse bringen, offenbar also bis zuletzt weiter.

Schon in den Fragen von Research Affairs wird Regierung gelobt

So gibt es in der Frage danach, wie Bevölkerung und Unternehmen den Fixkostenzuschuss II bewerten, zwei Antwortmöglichkeiten: „positiv“ und „negativ“. So weit, so unauffällig. Jedoch: Darauf folgt jeweils ein weiterer Satz, der beeinflussen kann, wie Befragte antworten. Hinter „Bewerte ich positiv“, folgt ein wahres Satzungetüm: „Schon mit dem Fixkostenzuschuss I konnte Österreich vielen Unternehmen sehr passgenau, entsprechend der jeweiligen Unternehmenserfordernisse helfen und Gelder zur Auszahlung bringen.“

Wer so befragt wird, ist beeinflusst. Spannend auch, was hinter der Antwortmöglichkeit „bewerte ich negativ“ folgt: „Die Förderung ist übertrieben“, heißt es da. Auch das beeinflusst, wie Befragte antworten. Die Option, den Fixkostenzuschuss II negativ zu bewerten, weil er nicht ausreichend sei, fehlt damit als mögliche Antwort.

Viele weitere Fragen werden nicht neutral formuliert, sondern fürs Finanzministerium positiv. Vorgebliche Erfolge darin, die Coronakrise zu bekämpfen, sind in der Fragestellung enthalten. Beispiel: „In Summe werden heuer und nächstes Jahr inklusive Kurzarbeit mehr als 29 Milliarden Euro für Arbeit und Beschäftigung zur Verfügung gestellt. Noch nie zuvor wurde in Österreich mehr Geld in diesen Bereich investiert als in dieser Krise. Wie bewerten Sie das?“

Diese Studie belegt, dass die Corona-Hilfen sehr positiv bewertet werden.
Finanzminister Gernot Blümel, ÖVP

Wer so befragt wird, gibt eher eine positive als negative Antwort ab. Resultat: 81 Prozent der befragten Unternehmen und ein ebenso hoher Anteil der Bevölkerung bewertet die Investitionen auch positiv. „Österreich“ zitiert ÖVP-Finanzminister Blümel am Ende ihres Artikel auch wörtlich. „Diese Studie belegt, dass die Corona-Hilfen sowohl von der Bevölkerung als auch von Unternehmen sehr positiv bewertet werden“, sagt er. In der Meldung der APA sagt er lediglich, die Studie sei ein wertvolles Feedback aus Bevölkerung und Unternehmen.

Finanzministerium hätte besser wegkommen können, aber „Österreich“ zitierte falsch

Schade für ihn: Sein Ministerium kommt im Artikel von “Österreich” schlussendlich weniger gut weg als möglich gewesen wäre – allerdings wohl eher unabsichtlich. Das Blatt gibt die Ergebnisse der Studie nämlich teilweise fehlerhaft wieder. „Den Fixkostenzuschuss II halten 80 % der Bevölkerung und 57 % der Unternehmen für ‚sehr‘ bzw. ‚eher positiv‘“, steht im Bericht. Dabei sind das die Ergebnisse einer anderen Frage. Nämlich der danach, wie gut die Corona-Hilfspakete generell bewertet werden.

Und die 57 Prozent positiv gestimmter Unternehmen sind nur diejenigen, die mit „eher positiv“ antworteten. Vergessen wurde auf die 18 Prozent, die die Hilfspakete „sehr positiv“ fanden. Mit ihnen betrüge der Anteil sogar 75 Prozent. Ein Ergebnis, mit dem Gernot Blümel noch mehr Grund zur Freude gehabt hätte.

 

*Dieser Artikel wurde am 15.10. mit Details und Kosten zur dritten Studie von Research Affairs für das Finanzministerium im Jahr 2020 ergänzt.

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