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Ungleichheit

Schulen geschlossen, wie geht’s den Eltern damit? “Ich will einen Elternaufstand anzetteln”

Die Schulen sind aufgrund der Corona-Krise geschlossen. Das stellt das Bildungssystem auf die Probe. Viele Familien sind auf die Umstellung auf E-Learning nicht vorbereitet oder haben nicht die nötigen Mittel.

 
Die Schulen sind aufgrund der Corona-Krise geschlossen. Das stellt das Bildungssystem auf die Probe. Viele Familien sind auf die Umstellung auf E-Learning nicht vorbereitet oder haben nicht die nötigen Mittel. Der Heimunterricht bringt somit die sozialen Ungleichheiten zwischen den einzelnen Schulen und SchülerInnen hervor. Alleinerziehende, wirtschaftlich Schwache, Mehrkindfamilien und Kinder, deren Eltern nicht Deutsch sprechen können, haben es hier besonders schwer.

Unterricht in Zeiten von Corona

Österreichische Schulen sind seit dem 18. März geschlossen, der Unterricht komplett auf E-Learning umgestellt. Nur Kinder, die von ihren Eltern nicht betreut werden können, dürfen noch die Schule besuchen. Anfangs hieß es noch, Lernstoff sollte nur wiederholt und vertieft werden. Mittlerweile gab das Bildungsministerium bekannt, dass nach den Osterferien auch neuer Stoff durchgenommen werde.

Laptop und Tablet: Für viele ein Wunschtraum

Doch nicht alle Haushalte verfügen über genug Laptops und PCs, um mit dem E-Learning mithalten zu können. Haushalte mit zumindest einem PC sind mit 86 Prozent in der Mehrheit. Doch vor allem die 168.000 Familien, die mindestens drei schulpflichtige Kinder haben, stellt das vor ein Problem. Denn wenige dieser SchülerInnen haben ein eigenes Zimmer, geschweige denn einen eigenen Laptop. Dieses Problem wurde nun auch vom Bildungsministerium erkannt. Es soll deswegen für benachteiligte SchülerInnen Laptops bereitgestellt werden.

Alleinerziehende haben es besonders schwer

Laut der Statistik Austria gibt es derzeit in Österreich 299.000 sogenannte Ein-Eltern-Familien, davon sind fast 90 Prozent Mütter, viele davon sind berufstätig. Diese schaffen es im Normalzustand die Kinderbetreuung mit Großeltern oder Eltern von SchulkollegInnen. Doch diese fallen zurzeit weg.

Wir haben drei Familien gefragt, wie es ihnen damit geht:

Ela, Sozialpädagogin, zwei Töchter (9 und 12 Jahre alt)

Seit sieben Jahren bin ich Alleinerzieherin. Meine Mutter ist die einzige, die mir regelmäßig hilft und die verschonen wir aktuell, weil sie zur Risikogruppe gehört. Jetzt dreht sich mein Alltag fast nur noch um meine Töchter und den Unterricht. Ich habe mittlerweile das Gefühl, selbst wieder in der Schule zu sein. Meiner Großen helfe ich in Musik, Biologie und Physik. Es wird viel verlangt. In Physik muss sie sich Kapitel zu Dichte und Masse neu lernen und zusammenfassen, dafür gibt es dann Punkte. Jeder Lehrer kommuniziert auf anderen Kanälen, der eine will alles über Whatsapp besprechen, die nächste über Microsoft Teams und der dritte per E-Mail. Die Schule ist überhaupt nicht vorbereitet.

Seit die Schulen geschlossen sind, betreue habe ich zwei Kinder von meiner Nachbarin auch mitbetreut, wir haben eine Lerngruppe gemacht. Sie ist mit vier Kindern allein zu Hause und schwanger. Ich kenne viele Familien, die große Probleme haben, alles unter einen Hut zu bekommen. Ich verstehe nicht, wie Homeoffice und Kinderbetreuung für Alleinerziehende gleichzeitig gehen soll.

Ich rutsche in eine Rolle, die ich nicht haben will. Ich bin zwar Pädagogin, aber keine Lehrerin. Ich will meine Kinder nicht kontrollieren oder die Nachbarskindern ermahnen, wenn sie herumblödeln. Es ist schwierig. Zumindest kann ich ein bisschen mehr Zeit mit meinen Töchtern verbringen als sonst. Wäre ich nicht in Bildungskarenz, müsste ich arbeiten gehen. Insofern habe ich Glück gehabt. Andererseits geht mir jetzt die Bildungskarenz flöten, für die ich ein Jahr lang gekämpft habe.

Peter, Komponist, ein Sohn (12 Jahre) und eine Tochter (14 Jahre alt)

Ich würde gerne einen Elternaufstand anzetteln. Wir sind sicher ein privilegierter Haushalt, gut mit Technik ausgestattet, meine Frau und ich arbeiten von zu Hause aus. Und trotzdem sind wir am Limit. An einem einzigen Tag mussten wir 50 Arbeitsblätter ausdrucken und wieder einscannen. Manchmal kommt noch um 23 Uhr eine E-Mail von einem Lehrer mit Arbeitsaufträgen oder einer Erinnerung. Gestern hat mich ein Lehrer angerufen, weil meine Tochter an einer Videokonferenz nicht teilgenommen hat. Ich weiß nicht, wie sie sich das vorstellen. Im schlimmsten Fall sollen wir vier Konferenzen gleichzeitig machen.

Die Schule denkt nur ans Unterrichten und verkennt völlig die Lage der Familien. Das Wichtigste für den Bundesminister scheint nicht, dass alle Kinder psychisch gesund durch diese Krise kommen. Nein, sie sollen lernen und dann auch noch benotet werden. Ich sage: Liebe Eltern, kümmert euch um eure Kinder, liebt sie, dann überstehen wir diese Ausnahmesituation. Der Druck von manchen Lehrern, jetzt Stoff durchzubringen, ist einfach nicht angebracht. Ich habe jedenfalls der Schule schon ausgerichtet, dass meine Töchter nicht am Unterricht teilnehmen werden.

Andrea, Sozialwissenschaftlerin und Lehrbeauftrage, zwei Töchter (12 und 15 Jahre alt)

Wir unterrichten unsere Töchter schon seit Jahren von zu Hause aus. Das funktioniert sehr gut, mein Mann und ich arbeiten beide im Bereich Digitalisierung. Als sie noch kleiner waren, haben wir uns die Betreuung tageweise aufgeteilt. Jetzt sind sie groß genug, um selbstständig zu arbeiten und das funktioniert im Großen und Ganzen sehr gut. Jetzt gerade sind wir aber in einer Ausnahmesituation und da ergibt es keinen Sinn, den normalen Plan einzuhalten. Die Schulen sind zu, wir wissen nicht, wann es wieder Prüfungen für Externe gibt.

Auch für uns Eltern ist die Situation neu. Im Homeoffice verschwimmt jetzt die Grenze zwischen Beruf und Privatleben. Wenn ich eine Videokonferenz mache und meine Tochter im Nebenzimmer Stimmübungen im Filmkurs macht, dann ist das eben so.

Neben dem Lernen ist es aber besonders wichtig, sich auch für die Psyche Zeit zu nehmen. Die Situation ist für die Kids beängstigend und vor allem die Jüngere leidet darunter, ihre Freundinnen nicht zu sehen. Wir versuchen uns jetzt auf Dinge zu konzentrieren, die digital gehen und Spaß machen. Die Jüngere macht einen Filmkurs, die Ältere einen Spanischkurs, das geht online gut. Auch wenn die Kinder jetzt ein paar Monate nicht nach dem Lernplan lernen, ist das nicht so schlimm. Wir machen uns jetzt keinen Druck.

Andrea hat Tipps aufgeschrieben, wie der Unterricht zu Hause besser gelingen kann.

 

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