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Arbeitswelt

Floristin: “Zum Muttertag arbeiten wir 2 Wochen durch”

Eine weiblich gelesene Person hält einen Blumenstrauß, an dem sie gerade arbeitet
Mathilda wurde Floristin aus Leidenschaft. Doch bereits während der Lehre merkt sie, dass die Arbeitsbedingungen sehr schwer mit ihrer Begeisterung vereinbar sind: viel körperliche Anstrengung bei sehr schlechter Bezahlung. Trotz der Liebe zum Beruf, entscheidet sie sich nun für einen anderen Weg.
 

Schon als Kind mochte ich es, mit den Händen zu arbeiten und dabei kreativ zu sein. Auch meine große Liebe zur Natur habe ich früh entdeckt und beim Spazierengehen immer Blumen gepflückt. Also habe ich mich für eine Lehre als Floristin entschieden. Der handwerklichen Kreativität sind in diesem Job nahezu keine Grenzen gesetzt.

Nach meiner Lehre habe ich fünf Jahre lang als Floristin im selben Betrieb gearbeitet. Der Job und die Aufgaben werden immer ein Teil von mir bleiben. Aber vor allem die schlechten Zukunftsperspektiven haben mich letzten Herbst dazu gebracht, die Branche zu wechseln. Die zu niedrige Bezahlung und die ständige körperliche Belastung konnte ich mir dauerhaft nicht schönreden.

Floristin sein: schlechte Bezahlung für harte Arbeit

Meine Arbeitsstunden hingen schon während der Lehre vor allem von der Saison ab. In der Nebensaison hat meine Chefin zum Glück immer darauf geachtet, dass die Überstunden und die freien Tage auf das Team gut aufgeteilt wurden. In der Hauptsaison sah das ganz anders aus. April und Mai sind die intensivsten Monate für Florist:innen. Da habe ich immer sehr viele Überstunden gemacht. Oder teilweise auch zwei Wochen durchgearbeitet. Gerade um den Muttertag. Jeden Samstag bis 17 Uhr arbeiten war aber auch so normal. Aber wenn man so jung ist, traut man sich nicht, für sich einzustehen.

„Wie viel ist mir meine Gesundheit wert?“

Während der Ausbildung habe ich im ersten Lehrjahr rund 400 Euro netto verdient. Nach dem Lehrabschluss waren es 1200 Euro netto für meine Vollzeitanstellung. Nach fünf Jahren im selben Betrieb, habe ich dort ungefähr 1500 Euro netto verdient. Die Bezahlung von Florist:innen ist auf jeden Fall zu niedrig. Vor allem, wenn man bedenkt, wie viel man in dem Job leisten muss. Man muss körperlich und geistig ständig voll abliefern. Neben der handwerklichen Aufgaben steht man ja auch immer mit Kund:innen in Kontakt.

Der Job ist stressig und man muss regelmäßig sehr schwere Dinge heben. Das habe ich vor meiner Lehre unterschätzt, dass man in gewisser Weise auch seinen Körper damit ruiniert. Zumindest über einen längeren Zeitraum. Das kam zum schlechten Gehalt dazu. Da habe ich mir irgendwann die Frage gestellt: Wie viel ist mir meine Gesundheit wert? Wie viel ist mir mein Körper wert?

Eigene Wohnung und Kinder nicht leistbar

Während meiner Zeit als Floristin habe ich bei meinen Eltern gewohnt. Auszuziehen und allein in einer Wohnung zu leben, wäre sich mit meinem Gehalt einfach nicht ausgegangen. Auch bei sonstigen Ausgaben habe ich immer zurückgeschraubt. Irgendwann will man aber auch in den Urlaub fahren. Oder zumindest die Freizeit, die eh so selten ist, ein bisschen besser nutzen.

Vor allem, wenn ich an meine Zukunft gedacht habe, kamen Zweifel auf. Ein Kinderwunsch würde sich bei den finanziellen Aussichten kaum ausgehen. Trotz Vollzeit-Arbeitsstelle und Sonntags-Überstunden. Deshalb kann ich mir auch gut vorstellen, dass viele Florist:innen den Job aus finanziellen Gründen früher oder später verlassen. 

“Im Herzen werde ich Floristin bleiben”

Ich selbst habe mich letzten September dazu entschlossen, eine Ausbildung im Bereich Innendesign anzufangen. Meinen bisherigen Berufsweg bereue ich aber nicht. Ich würde den Job immer wieder machen, er hat mir auch Spaß gemacht. Im Herzen werde ich auch immer Floristin bleiben. Und vielleicht werde ich in Zukunft nebenbei in dem Job arbeiten. Eines der schönsten Dinge am Beruf der Floristin war für mich, fremden Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Der ständige Kontakt mit Menschen und die kreative Seite des Berufs waren sehr schön.

Irgendwann habe ich aber für mich selbst gewusst, dass ich den Beruf nicht mein ganzes Leben lang machen kann. Ich hatte Angst davor, meinen Körper kaputtzumachen. Und ich hatte immer im Kopf, dass ich mit dem geringen Gehalt auf Dauer nicht gut überleben kann. Die starke körperliche Anstrengung und die schlechte Bezahlung haben mich schlussendlich zum Jobwechsel bewegt.

Dabei glaube ich, dass der Florist:innen-Job einen großen gesellschaftlichen Nutzen hat. Es geht vor allem um den Wohlfühl-Aspekt, den Blumen auslösen. Egal ob auf Feiern oder am Küchentisch. Meine Lieblingsblumen sind Skabiosen, da müssen die meisten Menschen wahrscheinlich erst mal googeln. Wir Florist:innen sind eben auch Spezialist:innen. Das ist ein Handwerksberuf, der mit großem Wissen einhergeht. Das sollte auch endlich ausreichend anerkannt werden.
 

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