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Kapitalismus

"Die Wunderwelt des Shoppings": Wie "Österreich" über die Signa berichtet

In der Zeitung Österreich erscheinen seit Monaten regelmäßig Artikel über die Signa Holding von René Benko. In einer eigenen “Rubrik” wird dabei ausschließlich positiv über Projekte des Konzerns berichtet - eine Kennzeichnung als entgeltliche Einschaltung findet sich dabei aber keine. Neu ist diese Praxis nicht.

 “Die Wunderwelt des Shoppings”, “Die neue Zeit für den Handel” oder “Shoppingtempel als Gesamtkunstwerk”. Unter diesen und ähnlich klingenden Titeln erschienen zwischen April und September 2021 insgesamt 29 Ausgaben der Rubrik “EXTRA Stadtentwicklung” in der Zeitung “Österreich”. Berichtet wurde darin ausschließlich über Projekte der Signa Holding. Dabei ging es vorwiegend um das neue Kaufhaus der Gruppe auf der Mariahilfer Straße.

Zur Erinnerung: Nach Weihnachten 2017 musste der Kika-Leiner-Konzern die prestigeträchtige Immobilie auf der Mariahilfer Straße verkaufen, um eine drohende Insolvenz abzuwehren. Mit René Benko fand sich schnell ein Käufer. Recherchen legten damals nahe, dass Sebastian Kurz extra ein Bezirksgericht für den Deal öffnen ließ – und dass Benko weniger geboten hatte, als ein anderer Käufer. Die Signa Holding macht daraus ein Einkaufszentrum nach Vorbild des KaDeWe (“Kaufhaus des Westens”) in Berlin. Seit Mai dieses Jahres laufen die Abrissarbeiten der alten Leiner-Filiale.

“Extra Stadtentwicklung”: So großartig sind die Signa-Projekte

Am 8. Mai begannen auch die Berichte über das neue Warenhaus in der eigens dafür geschaffenen Rubrik in “Österreich”. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Projekt sollte man sich darin nicht erwarten. Tatsächlich lesen sich die Artikel wie eine Werbebroschüre. Was man dabei erfährt: Beim neuen Kaufhaus handelt es sich um die “Zukunft des Einkaufens nach Corona”. Man kann dort nicht nur Luxuswaren oder Güter des täglichen Gebrauchs kaufen. Es gibt auch Gastronomie, Friseure und sogar ein Hotel entsteht in dem neuen Gebäude. Oder, wie es André Maeder, CEO der KaDeWe-Gruppe – sie gehört zu 49,9% der Signa – in einer seiner Stellungnahmen ausdrückt: „Wir verkaufen nichts, was Sie wirklich brauchen. Wir verkaufen Träume, Wünsche, Illusionen.” 

In den Artikeln wird regelmäßig auf den aktuellen Stand des Bauprojekts hingewiesen (“Eine Baustelle der Superlative sorgt für Rekorde”). Nebenbei wird immer wieder erwähnt, wie sehr das Projekt die Mariahilfer Straße und die gesamte Stadt aufwertet (“Sowohl Touristen wie Wiener werden laut Marktforschern die Mahü höher schätzen”). 
 

 

Die Rubrik “EXTRA Stadtentwicklung” erscheint seit April 2021. Ab Mai wurde exklusiv über das neue Kaufhaus berichtet, alleine im ersten Monat erschien die Rubrik in acht Ausgaben. Danach erschien “EXTRA Stadtentwicklung” jeden zweiten Monat, zuletzt Ende September. Insgesamt ergeben das 29 Seiten mit je drei Artikeln über ein Projekt, das erst in drei Jahren fertiggestellt sein wird. Die Artikel sind jedes Mal gleich aufgebaut und ähnlich bebildert, der Inhalt ändert sich kaum. Einen Mehrwert gibt es für Leser:innen praktisch keinen. 

Warum man das als Redaktion machen sollte, ist unklar. Das “Extra Stadtleben” sieht aber wie redaktioneller Inhalt aus und ist auch nicht als Werbung ausgewiesen. Das Mediengesetz verlangt, Berichte zu kennzeichnen, für deren Erscheinen gezahlt wurde. Ausgenommen sind Beiträge, bei denen kein Zweifel aufkommen kann, dass sie eine Werbeeinschaltung sind.
Eine ganzseitige Werbung in oe24 und Österreich kostet laut Tarifliste übrigens rund 25.000 Euro – der Gegenwert der Berichte beläuft sich also auf etwa 725.000 Euro. 

Werbung oder Journalismus?

Kann man so eine Berichterstattung Schleichwerbung nennen? Für den Medienforscher Andy Kaltenbrunner gibt es in dieser Frage zwei Aspekte: „Wenn es Werbung ist und es dafür Geldflüsse gab, handelt es sich um einen eindeutigen Rechtsbruch.“ Dies sei allerdings sehr schwierig zu beweisen. Manchmal gebe es noch dazu Umgehungshandlungen, bei denen für andere Inserate gezahlt wird und dafür solche Inhalte ohne Kennzeichnung erscheinen.

Natürlich könne man auch damit argumentieren, dass es sich bei den Rubriken um redaktionelle Inhalte handle. „Das wäre aber sehr verwunderlich. Es entspricht schließlich nicht dem journalistischen Auftrag, so werbend über ein Unternehmen zu berichten“, so Kaltenbrunner. Gäbe es ein ehrliches journalistisches Interesse, müsse man auch Gegenpositionen mit einbeziehen und in ähnlichem Ausmaß über Mitbewerber berichten. Beides ist nicht der Fall. „Das ist dann vor allem schlechter Journalismus“, sagt Kaltenbrunner.

Weder „Österreich“ noch die Signa haben bisher auf unsere Anfragen reagiert. 

Positive Berichterstattung mit System

Diese Art der Berichterstattung über Signa in der Zeitung “Österreich” ist nicht neu. In den letzten Jahren ist diese in systematischer Form erfolgt, wenn auch in kleinerem Umfang. Bereits 2019 gab es eigene Rubriken, in denen fast ausschließlich über Signa-Projekte berichtet wurde. 

Im März 2019 erschienen etwa vier Ausgaben von “Modernes Wohnen”, in denen der Frage nach dem “Wohnen der Zukunft” nachgegangen wurde. Das wird anscheinend ausschließlich von der Signa gestaltet: “Wohnen ist Lifestyle, Wohnen ist wohlfühlen, Wohnen ist ein Erlebnis. Diese Ansprüche auf hohem Niveau zu erfüllen, ist eine große Aufgabe. Den Signa-Projekten „Trienna“ oder „5in22“ gelingt das sowohl für Eigentums- als auch für Mietwohnungen”, ist in einem Beitrag zu lesen. Es werden in allen Ausgaben ausschließlich Projekte der Signa behandelt.

Im November und Dezember erschien die Rubrik “Stadtentwicklung”. Auf insgesamt acht Doppelseiten wurde darin über aktuelle Projekte der Signa Holding berichtet. Und zwar nicht nur über jene in Wien: Auch die Expansion des Unternehmens nach Hamburg und Berlin war Thema. Mehrfach zu Wort kamen darin Signa-Geschäftsführer Christoph Stadlhuber und der CEO der deutschen Tochtergesellschaft Timo Herzberg. 

Nicht immer sind solche Beiträge in eigens dafür geschaffenen Rubriken erschienen. Von Februar bis April 2020 gab es sechs Ausgaben der Beilage “Immowelt”, in der auf zwei von drei Seiten ausschließlich über Signa-Projekte berichtet wurde. Medieninhaber dieser Beilage ist die “inside Wirtschaftskompetenz GmbH”. Deren Geschäftsführer ist Nikolaus Fellner, Chefredakteur von oe24.at.

All diesen Berichten ist gemeinsam, dass es keinen erkennbaren Hinweis auf eine entgeltliche Veröffentlichung gibt.

„Der totale Höhenflug von René Benko“

Auch abseits eigener Rubriken wird in der “Österreich” positiv über Benko und dessen Signa Holding berichtet, wie folgende Beispiele exemplarisch zeigen. Berichte über das neue Kaufhaus im Wiener Lokalteil wurden mit “So gigantisch wird das neue Luxus-Kaufhaus” oder “So cool wird Benkos Luxus-Kaufhaus” betitelt. Über die Neueröffnung des KaDeWe in Berlin wurde im Society-Teil unter dem Titel “Milliardär Benko als König von Berlin” geschrieben: “Der Tiroler Investor René Benko hat jetzt auch in Deutschland das Sagen.” Und in dem Artikel “Der totale Höhenflug von René Benko” wird dem Unternehmer eine glorreiche Zukunft vorausgesagt: “Für diesen Mann gibt es nur mehr eine Richtung: ganz nach oben.”

Schweigen über Benko und den Leiner-Deal

Dass über Benko oder die Signa negativ geschrieben wird, kommt kaum vor. Besonders deutlich wird das, wenn man die Berichterstattung zu Fällen der letzten Jahre heranzieht, bei denen in anderen Medien kritisch berichtet wurde. 

So ein Fall war das Aufscheinen des Kika/Leiner-Deals in den Chats von Thomas Schmid. Die Möbelkette wurde im Juni 2018 von Benko durch ein Pauschalangebot gekauft. Gläubiger:innen wollten allerdings vorher die Insolvenz des Unternehmens erzwingen. Das hätte bedeutet, dass potenzielle Käufer:innen über alle Immobilien einzeln verhandeln hätten müssen. Die Chats legten nahe, dass Schmid das bereits laufende Insolvenzverfahren gebremst hat – zum Vorteil von Benko.

Über die mögliche Beeinflussung berichteten im Juli 2021 alle großen österreichischen Medien. Doch weder in der Gratiszeitung, noch in der kostenpflichtigen Ausgabe von „Österreich“ wurde darüber berichtet. Nur in der Onlineversion wurde die APA-Meldung übernommen.

„Nichts Neues“ von Benko im U-Ausschuss

Als Benko im Oktober 2020 im Ibiza-U-Ausschuss aussagen musste, berichtete auch “Österreich” darüber. Ein Vergleich zu anderen Medien zeigt, dass vor allem die Sichtweise des Signa-Gründers übernommen wurde. Im Beitrag werden fast ausschließlich die Aussagen von Benko selbst wiedergegeben und die Führung des Verfahrens kritisiert: “Die Befragung verlief eher zäh und brachte immer wieder heftige Debatten der Parteien untereinander.”

Dass bei der Befragung allerdings der Verkauf des Leiner-Hauses auf der Mariahilfer Straße zentrales Thema war, erfährt man nur in Berichten anderer Medien. Auch dass Benko in diesem Zusammenhang über eine anonyme Anzeige befragt wurde, laut der die ÖVP Spenden mit Gegenleistungen kompensieren wollte, wird in der „Österreich“ nicht erwähnt. Der Artikel kommt zu dem Schluss, dass es “in der vierstündigen Befragung jedenfalls nichts Neues gab.”

Der Feind meines Feindes

„Österreich“ berichtet auch im Vergleich zu anderen Tageszeitungen sehr viel über die Signa Holding. Inklusive der Extra-Rubriken taucht die “Signa” in der “Österreich” seit Anfang 2017 in 556 Meldungen auf. Bezahlte Werbung wird bei dieser Suche übrigens ignoriert. Niemand sonst erreicht so eine Anzahl – und andere Zeitungen berichten in der Regel auch kritischer. Zum Vergleich: In der  “Heute” tauchte die Signa im selben Zeitraum nur 75 Mal auf. 

Auch in der “Kronen Zeitung” sind es nur 160 Meldungen. Diese Zahlen hängen wohl nicht zuletzt auch mit dem Einstieg von René Benko bei der “Kronen Zeitung” zusammen. 2018 hat Benko über die Funke Gruppe Anteile an Krone und Kurier erworben. Seither gibt es interne Gefechte um die Führung der Krone zwischen Benko und Herausgeber Christoph Dichand, die teilweise auch öffentlich ausgetragen werden. Die Berichterstattung über Signa-Projekte und Benko liest sich in der Krone dementsprechend etwas anders: Da wird das neue Kaufhaus der Signa schonmal als “Betonklotz” und “umstrittenes Projekt” oder Benko regelmäßig als “Immobilien-Jongleur” bezeichnet. 

 
Fellner und Kurz bei Benko-Feier

Ein Bild aus besseren Tagen: „Österreich“-Herausgeber Wolfgang Fellner und Sebastian Kurz beim Signa-Törggelen 2016 mit René und Natalie Benko

Andreas Tischler/picturedesk.com

Wolfgang Fellner, Herausgeber von “Österreich”, trägt ebenfalls seit längerem eine Fehde mit der “Kronen Zeitung” aus. Mittlerweile wird die immer öfter vor Gericht ausgetragen. Der Konflikt könnte Benko zugutekommen. 2019 berichtete die “Österreich” etwa erstmals über eine mögliche Spesenaffäre von Christoph Dichand. Damals wurde das von Beobachter:innen als möglicher Hebel gesehen, um Dichand bei der Krone loszuwerden.

Seit Benkos Einstieg bei der „Kronen Zeitung“ hat die Zahl der Berichte in “Österreich” über Signa auf jeden Fall noch einmal zugenommen. Ab 2019 wurden, soweit ersichtlich, erstmals eigene Rubriken eingeführt, die nur Signa gewidmet waren. Mit den 2021 erschienenen Artikeln in “EXTRA Stadtentwicklung” hat diese Praxis ihren Höhepunkt erreicht.

„Werbung“ darf man dazu aber nicht sagen. Denn Geldflüsse sind von außen keine nachzuweisen – und die „Österreich“-Redaktion könnte theoretisch sehr von den Signa-Projekten begeistert sein. Aber dann ist es zumindest eines: sehr schlechter Journalismus.
 

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