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Demokratie

Sind Nazis einfach doof?

Der gesellschaftliche Rechtsruck ist ein Klassenproblem - nämlich eines der Elite. Politologin Natascha Strobl stellt daher die Frage: Sind Nazis doof?

Gerade macht wieder ein Video der FDP die Runde, das sich vermeintlich satirisch mit Rechtsextremismus auseinandersetzt. Überall sind fürchterliche Graffiti zu sehen. Der Clou: sie weisen massive orthografische Schwächen auf. „Sieg Hail” ist nur eines der gravierenden Rechtschreibvergehen. Zum Glück gibt es die FDP, die das schnell auf „Heil“ ausbessert. Damit die Nazis wenigstens in korrekter deutscher Rechtschreibung ihre Menschenverachtung verbreiten. Am Ende wird Bildung zum Allheilmittel gegen „Extremismus“ ausgerufen.

In dieser Erzählung des dummen, gewaltvollen Nazis steckt viel Falsches. Es wird das Bild der Skinheads aus den 90ern bemüht, die keinen geraden Satz bilden können, dauerbetrunken und ständig auf Stress aus sind. Dieses Bild wird als bestimmend für den Rechtsextremismus an sich gesetzt. Der Rechtsextremismus wird auf diese Weise nur in der Unterschicht verortet. Die, die kein Geld und keine hohe formale Bildung besitzen sind dann folgerichtig auch politisch und moralisch verkommen. Dementsprechend verlachenswert ist es, wenn sie ihre eigenen Sprüche nicht korrekt schreiben können. 

 

 

Sind Nazis doof? Der Rechtsextremismus der Elite.

Rechtsextreme Einstellungen sind natürlich in der Unterschicht vorhanden, oft brutal und manifest. Wer Rechtsextremismus aber als Unterschichtsphänomen abtut, verschleiert wichtige Zusammenhänge. 

In Deutschland zeigen die so genannten Mitte-Studien, dass rechtsextreme Einstellungen tief in der Gesellschaft verankert sind und nicht ausschließlich an irgendeinem extremen Rand stattfinden. Es ist aber nicht nur eine Unterschicht und eine vermeintliche Mitte, die Menschenfeindlichkeit propagiert. 

In der Elite der Gesellschaft sind ebenfalls menschenverachtende, rechtsextreme Einstellungen vorhanden. Im Unterschied zu anderen gesellschaftlichen Schichten verfügt diese Klasse aber über mehr Möglichkeiten, um ihre Ideale gesellschaftliche Wirklichkeit werden zu lassen. Diese Menschen sind auch formal bestens gebildet. Bildung ist kein Faktor gegen rechtsextreme Überzeugungen. Das war sie nie. 

Rechtsextreme Eliten zerstören die Republik

Historisch gesehen gab es immer entscheidende Teile einer gesellschaftlichen Elite, die den aufkommenden Faschismus aktiv unterstützt haben oder selbst daran beteiligt waren. Die intellektuelle Vorarbeit für den Nationalsozialismus wurde ja nicht von den Ausgestoßenen der Gesellschaft geschaffen, die verarmt und chancenlos ihr Dasein in der Weimarer Republik fristen mussten. Es waren die Bildungseliten, die die junge Republik zerschrieben und dem Nationalsozialismus den Weg bereiteten. 

Genau das findet heute wieder statt. Es sind hochangesehene Bildungseliten, die Stück für Stück den demokratischen Diskurs nach rechts kippen und einem autoritären System dem Weg bereiten. Dazu reicht ein Blick in die Zentralorgane des politischen Konservativismus, in denen aber sicherlich keine Rechtschreibfehler zu finden sind.

Spott für mangelnde Rechtschreibung

Selbst, wenn Nazis mangelnde Rechtschreibung auf Grund ihrer fehlenden formalen Bildung aufweisen, ist es fragwürdig, wie witzig das wirklich ist. Über was macht man sich hier lustig? Dass es Menschen gibt, denen nicht die selben Türen im Leben offen standen wie einem selbst? Ist dieser Spott nach unten wirklich witzig oder nicht eher grausam? Die Punchline ist, dass Menschen arm sind und keinen Zugang zu Bildung haben. Das wird dann auch gleich mit dumm gleichgesetzt. Als ob Intelligenz, Empathie, Sympathie, Weisheit etc. nur anhand von Bildungsabschlüssen messbar sind. Das stimmt weder für die obere Richtung, wie beschrieben. Es stimmt aber auch nicht für unten. 

Arme Menschen ohne formale Bildung sind nicht automatisch dumm, roh und gewaltbereit. Dieses neoliberale Stereotyp dient der Entmenschlichung. Alles Schlechte in der Gesellschaft wird nach unten abgeladen. Die, die oben sind repräsentieren hingegen alles Erstrebenswerte.

Rechtsextremismus ist kein Bildungsproblem. Rechtsextreme Einstellungen gibt es in der ganzen Gesellschaft. Umso weiter oben jemand ist, umso mehr Ressourcen gibt es, diese Interessen durchzusetzen. Der gesellschaftliche Rechtsruck ist durchaus ein Klassenproblem, nämlich eines der Elite.

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