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Ungleichheit
Demokratie
Kapitalismus

Sind Superreiche zu reich, um Steuern zu zahlen?

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Wer viel hat, soll auch seinen Beitrag zum Allgemeinwohl leisten. So ist die Idee hinter unserem Steuersystem. In der Wirklichkeit entziehen sich die Reichen aber diesem Prinzip - und "wir" lassen sie. Moment mal, sagt Barbara Blaha.

Wer hackeln geht, zahlt Steuern. Das ist ja auch gut so. Denn: “Ich zahle gerne Steuern. Ich kaufe mir damit Zivilisation.” (Das Zitat wird US-Bundesrichter Oliver Wendell Holmes Jr. zugeschrieben.) Jetzt könnte man meinen. Je mehr Schotter man hat, desto mehr sollte die Gemeinschaftskassa davon haben. 

Blöd nur … dass es genau andersrum ist: Wer richtig viel Schotter hat – zahlt am wenigsten Steuern. Moment mal!

Schauen wir uns das mal im Detail an. Es ist auch eigentlich ganz einfach. 

Die Idee hinter unserem Steuersystem ist ja schon so: Wer mehr verdient, also mehr hat, kann auch mehr beitragen. Wer winzig wenig verdient, der braucht echt jeden Euro, da hauen wir kaum oder keine Steuer drauf. So weit, so klar. 

Wie legen wir fest, wer wie viel Steuern zahlt? Das regeln wir über die Steuerstufen. Je mehr man verdient, desto höher die Steuerstufe, in der man ist. 

Wie funktionieren Steuerstufen?

Wer Null bis 12.816 Euro im Jahr verdient, der zahlt in Österreich gar keine Steuern. 

Ok, easy. 

Wer mehr als 12.816 Euro verdient, zahlt 20 Prozent. Aber: Nur jeden Euro über 12.816 Euro. Weil Euro bis 12.816 sind steuerfrei – immer und für alle.

Ab 20.818 Euro werden 30 Prozent fällig – aber wieder nur für alle Euros über 20.818 Euro. 

Und ab 34.513 Euro sind dann 40 Prozent fällig – und zwar, jetzt erkennt man dann langsam ein Muster,  wieder nur für jeden Euro ab dem 34.514.

Der Steuersatz steigt mit dem Einkommen. Wer über eine Million Euro verdient, zahlt für jeden Euro über der Million dann 55 Prozent Steuern. 

Leistungsgerechte Steuern

Unser System für die Einkommenssteuer basiert auf dem Prinzip der Leistungsgerechtigkeit. Das heißt nichts anderes als: Wer mehr hat, kann mehr beitragen. Je mehr jemand für seinen Job bezahlt bekommt, desto höher ist die Steuer, die dafür fällig wird. 

So weit die Theorie. In der Realität schaut das aber ganz anders aus. 

Wenn wir nämlich nicht nur auf die Einkommenssteuer schauen, sondern auch die Beiträge zur Sozialversicherung mitberücksichtigen, dann zeigt sich: Wir sind ein Hochsteuerland für Menschen mit mittleren und geringen Einkommen. Die zahlen im internationalen Vergleich mit die höchsten Steuern und Abgaben auf ihr Arbeitseinkommen. Die schupfen den Laden also.

Österreich: Niedrigesteuerland für Superreiche

Für die da oben schaut es ganz anders aus. Und schauen wir uns nicht nur das Einkommen, sondern den gesamten steuerlichen Beitrag von Überreichen an, ist Österreich ein echtes Niedrigsteuerland – aber eben nur für die Reichen.

Das liegt an der Frage, WAS genau WIE hoch besteuert wird: Kaum ein anderes Land in der EU besteuert Arbeit stärker und Vermögen geringer als Österreich. Das hat Konsequenzen, wie jüngst auch die Europäische Zentralbank bestätigt hat. Österreich gehört zu nur drei Ländern der Eurozone, in denen die reichsten fünf Prozent mehr Nettovermögen besitzen als die ganze ärmere Hälfte der Bevölkerung. 

Je reicher, desto weniger Steuern

Das Momentum Institut hat sich das für Österreich jetzt ganz genau angesehen. In der Studie kommt raus: Eine Durchschnitts-Familie in Österreich trägt von ihrem Brutto-Einkommen  rund 42 Prozent als Steuern und Abgaben zu unserem gemeinsamen Staatshaushalt bei.

Ein durchschnittlicher Millionärshaushalt hingegen nur rund 30 Prozent. 

Mehr Geld, weniger Steuern: Wie geht das?

Der Steuerbeitrag der Mittelschicht-Familie besteht nahezu ausschließlich aus Steuern und Abgaben des Arbeitseinkommens – 97 Prozent. Bei einem Millionärshaushalt kommen hingegen zwei Drittel des Steuerbeitrags aus Steuern aus unternehmerischer Tätigkeit.

Der große Unterschied: Während das Arbeitseinkommen wie beschrieben progressiv besteuert wird – also je höher das Einkommen, desto höhter der Steuersatz – werden die Unternehmensgewinne und Kapital-Erträge zur Freude des Muster-Millionärs mit einem einheitlichen Satz besteuert. Der ist schön niedrig … und wird auch noch laufend weiter gesenkt. 

Der durchschnittliche Steuersatz eines Muster-Milliardärs ist sogar noch niedriger als der Millionärs-Dreißiger! Er liegt bei sogar nur 26 Prozent. Der Steuerbeitrag eines Milliardärs liegt also weit unter jenem der Durchschnitts-Familie und – und ist weniger als die Hälfte des Einkommen-Spitzensteuersatzes von 55 Prozent.

Milliardäre ohne Arbeitseinkommen

In seinem Fall spielt Arbeitseinkommen de facto keine Rolle mehr – und damit auch nicht mehr die Idee der progressiven Besteuerung. Weil der Milliardär ja nur die Flat-Tax für seine Unternehmensgewinne beiträgt. Zusätzlich können sie über Stiftungen und Holding-Strukturen ihre Steuersätze noch weiter drücken – und das ganz legal. Und wenn man die ganzen tollen Unternehmensbeteiligungen dann vererbt, dann fällt überhaupt keine Steuer an dafür. 

Dass Reiche so wenig beitragen, ist die Konsequenz politischer Entscheidungen. Der Anteil der Vermögensteuern an den gesamten Steuereinnahmen der Republik ist seit den Sechziger Jahren von 4 auf nur noch 1,3 Prozent gesunken.

Ungerechtes Steuersystem ist kein Naturgesetz

Das ist übrigens nicht nur in Österreich ein Problem. Das Tax Observatory hat errechnet, wie viel Steuern Milliardäre und Milliardärinnen weltweit auf ihr Einkommen und Vermögen zahlen. Das Ergebnis: Weltweit liegt der Schnitt zwischen 0 und 0,5 Prozent. Das liegt daran, dass in vielen Ländern extremer Reichtum kaum oder gar nicht besteuert wird. 

Und an dieser Stelle muss man immer wieder dazu sagen: Es ist kein Naturgesetz, dass wir Arbeit hoch besteuern und extrem Vermögende auslassen. Das ist das Ergebnis von politischen Entscheidungen. 

Die Redaktion von ProPublica, einem US-amerikanischen Onlinemagazin, hat geheime Unterlagen der US-Steuerbehörden veröffentlicht. Die umfangreichen Daten zeigen: Die Reichsten umgehen das US-Steuersystem noch dreister als bisher angenommen. Sie überschreiben ihr Vermögen ihren Kindern – und schwupps, sind keine Steuern mehr fällig. 

Der liebste Steuertrick von Jeff Bezos

Oder: Wer vermögend ist, kann steuern, wann er auf Vermögenszuwächse Steuern zahlt – nämlich erst dann, wenn man sie – durch Verkäufe – realisiert. Das ist besonders praktisch, wenn man gleichzeitig an einer anderen Stelle Verluste “realisieren” kann, um so die Steuern insgesamt zu drücken. Amazon-Gründer Jeff Bezos macht das liebend gern. 2011 hat er in seiner Steuererklärung angegeben, dass er leider, leider am Aktienmarkt Geld verloren hat. Ergebnis: eine Steuergutschrift von 4.000 Dollar für seine Kinder. Sein Vermögen damals: 18 Milliarden Dollar.

Bezos ist mit seinen Steuertricks natürlich nicht allein. Überreiche müssen gar nicht illegal Steuern hinterziehen – sie vermeiden sie routinemäßig und VÖLLIG legal. Investor Warren Buffett zum Beispiel hat zwischen 2014 und 2018 nur 0,1 Prozent Steuern auf seinen Vermögenszuwachs beigetragen. Sein Vermögen ist um fast 25 Milliarden Dollar angewachsen. Buffett ist übrigens einer der wenigen, der sich auch offen dazu bekennt: „Es gibt einen Klassenkampf, aber es ist meine Klasse, die reiche Klasse, die Krieg führt, und wir gewinnen.“

Eigentum verpflichtet

Das Prinzip, nach dem unser Steuersystem funktioniert, wäre so einfach: Jeder muss einen Beitrag leisten. Und wer mehr hat, soll auch mehr für die Gemeinschaft tun. Oder, wie es das deutsche Grundgesetz normiert: “Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.” Das scheint in den letzten Jahren in den Hintergrund getreten zu sein. 

Immerhin: Seit 2017 gibt es endlich den automatischen Austausch von Bankdaten – weltweit. Zumindest Privatpersonen haben es seither deutlich schwieriger, ihr Vermögen unbemerkt in Steuersümpfen verschwinden zu lassen. Der Steuerraub sehr reicher Privatpersonen ist seither um zwei Drittel zurückgegangen. Der Chef des Tax Observatory, Gabriel Zucman, sagt: „Steuerflucht lässt sich effizient bekämpfen, wenn es den politischen Willen gibt.“

Er schlägt vor, eine globale Mindeststeuer von 2 Prozent für Milliardär:innen einzuführen. Weltweit wären weniger als 3.000 Menschen davon betroffen – und es würde trotzdem über 200 Milliarden Euro an Steuereinnahmen bringen. Eine Menge Geld, die wir in den Ausbau des Sozialstaats und in Klimaschutz stecken könnten.

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    Kommentare 2 Kommentare
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  • Oldenburg men
    26.04.2024
    Es ist höchst an der Zeit eine gerechte Verteilung der Besteuerung einzuleiten.es geht um unser aller Bedürfnisse die finanziert werden müssen. Dazu braucht es Steuern von allen, denn alle Infrastruktur die der Staat bereit zu stellen hat, darf nicht nur zur Belastung einer Gesellschaftsgruppe alleine führen.
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  • Ernst Dorfner
    20.04.2024
    Babler und die Erkenntnise der Postkeynesianer und Linkssozialisten aus den 1960ige-Jahren Der Linkssozialist Erwin Weissel hat 1962 im Europa-Verlag Überlegungn der Postkeynesinarin Joan Robinson unterv dem Titel "Über Keynes hinaus veröffentlicht. In dem Bitrag "Anmerkungen zur Theorie der wirtschaftliche Entwicklung" schreibt sie unter "Die Akkumulation von Kapital" auf Seie 99: "Der Gewinn aus der Tätigkeit während des Jahre ist gleich dem Wert dessen, was während des Jahres zum Kapital zugeschlagen wurde, aber da die Wirtschaft sich ständig ausweitet, sind die Investitionen in jedem Jahr größer als im Vorjahr. .....Die Investitionen im laufenden Jakr übersteige den Gewinn, der im Vorjahr erzielt wurde. Daher müssen die Untrenehmer ständig über die Gewinne hinaus finnzielle Mittel investieren ....Es muss daher eine ständige Expansion des Kreditvolumens geben. Solange die Unternehmer fortfahren zu investieren, erzielen sie ständig Gewinne, und die Tätigkeit in jedem Jahr befähigt isie sie, die Darlehen zurückzuzahlen, mit denen diese Tätigkeit finanziert wurde. So kann die Wirtschaft dauernd expandieren." Schlicht und einfach heisst das, dass die Unternehmer heute bereit sein müssen, morgen höhere Schulden asl heute aus den ab heute aufzunehmenden Krediten zu haben, um damit die alten Schulden samt Zinsen zurückzuzahken, und zudem einen Gewinn schreiben zu können. Die ist ein Hasardspiel, das aber nur dann angegangen wird, wenn nicht noch weitere Hindernisse wie eine Vermögennsteuer abverlangt werden. Frau Blaha sollte sich mit dem hier im gewerkschaftsnahen Europa.Verlag Aufgezeigten asueinandersetzen - und Andy Babler vermitteln. Karl Marx ist an der Antwort auf der Frage gescheitert, woher das Geld für den Mehwert kommt. Rosa Luxemburg hat sich mit der Frage befasst, und dazu mit ihre "Theorie der Akkumulation" die Überlegunge von Marx umfassend nachvollzogen, um dann im Kapitel 9 ihr "Theorie" festzuhalten, dass Marx damit eine "schiefe Frage" gestellt habe. Marx hätte, so meint sie, nicht nach der Herkunftdes Geldes fürden Mehrwert fragen müssen, sondern nach den "finanzierungsfähigen Bedürfnissen" fragen müssen, aus denen die effektive und profitbringende Nachfrage nach den industriell hergestellten Massenpodukte hervorgeht. Für mich finden sich hier die Einsicjten und Zusammenhänge , aus der die heutige Sozialpartnerschaft hevorgegangen ist. Ich fürchte, dass Babler diese zerstören könnte.
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