Taylor Swift: Eine Absage, drei Erkenntnisse
Teil 1: Täglich gehen Frauen in der Öffentlichkeit Männern aus dem Weg. Aber wohin sollen wir gehen?
Jeder unserer Safe Spaces wird von Männern zerschlagen. Ihre Nachricht dahinter: Die Welt gehört uns.
In der Arbeitswelt wird uns das Wort abgeschnitten. Wir sollten zu Hause bleiben. Der Raum gehört Männern.
Vom Club zurück in unsere Wohnung werden wir verfolgt. Wir sollten zu Hause bleiben. Die Straßen gehören Männern.
Beim Konzert unserer weiblichen Lieblingskünstlerin gibt es eine Terrorwarnung. Wir sollten zu Hause bleiben. Der öffentliche Raum gehört den Männern.
Selbst das zu Hause, in das wir immer wieder zurückgedrängt werden, ist für uns Frauen kein sicherer Ort. Jede dritte Frau erlebt besonders dort Gewalt durch Männer. Auch tödliche. In den eigenen vier Wänden.
Die Bedrohung, die wir sonst individueller wahrnehmen, haben bei der Absage des Taylor Swift Konzerts 200.000 Besucher:innen gleichzeitig gespürt.
Es gibt keinen Raum für uns.
Wo sollen wir bitte hin?
In einer Welt, in der Frauen* und queere Personen im Alltag keine Sicherheit finden, sollte der Ansturm auf ein Konzert mit einem geringen Männeranteil nicht überraschen. Taylor Swifts Veranstaltungen bieten einen von wenigen Safe Spaces, in dem Menschen frei von männlicher Dominanz sind. Das wird jedoch nicht toleriert und sogar mit Gewalt verhindert.
Bei Veranstaltungen, die für männliche Machtdemonstrationen bekannt sind, besteht hingegen keine solche Angst vor Anschlägen. Das Schlimmste, was bei einem Rammstein-Konzert passieren kann, ist eine friedliche Gegendemonstration. Bei der man sich als Teilnehmer:in vor der Gewalt von Konzertgehern fürchten muss.
Neidisch auf männliche Freiheit
In letzter Zeit erdrückt mich die fehlende Bewegungsfreiheit als Frau. Zur Ablenkung schaue ich mir auf “TikTok Live” Männer an, die nachts verlassene Orte erkunden – völlig allein, völlig entspannt, völlig ohne Angst. Ob es alte Krankenhäuser, verlassene Wohnhäuser oder düstere Wälder sind, mein Neid wächst. Es muss befreiend sein, das Unheimlichste zu sein, was da draußen herumläuft.
Teil 2: Warum Männer Taylor Swift nicht mögen dürfen
Die Taylor Swift-Konzerte in Wien wurden abgesagt, so mancher Mann hat viel dazu zu sagen. Und bestätigt dabei leider ein Klischee: Was junge Frauen lieben, ist nichts wert.
Als echter Mann steht man über diesen emotionalen Taylor Swift-Fans und ihrer Musik. Eh alles lieb, sie sind auch sehr arm. Aber es ist halt Mädchenkram, den man nicht ernst nehmen darf.
Klingt nach einem Klischee? Ist es auch. Aber ein immer noch sehr lebendiges. Das haben einige Männer nicht erst in den Stunden nach der Absage auf mehreren Ebenen wiedermal bewiesen.
Da hätten wir einerseits die “harmlose” Reaktion: Gleich zu Beginn betonen, dass man mit der Musik von Taylor Swift nichts anfangen kann. Aus welchem Grund das wichtig ist? Wohl nur, um sich klar davon abzugrenzen.
Dann gibt es auch noch die “Also ICH kenne nichts von Taylor Swift!”-Ebene. Warum man sogar stolz darauf ist, nichts von der aktuell größten und erfolgreichsten Künstlerin weltweit zu kennen? Weil sie eine Frau ist, die populäre Musik macht und deren Fans vor allem junge Frauen sind. Eine sehr schwierige Kombination für viele Männer, wie es scheint.
Dann gibt es noch die bösartige Ebene. In der macht sich ein Mann über Taylor Swift und ihre Fans lustig, weil … ja, warum eigentlich? Weil sie, laut Verfasser, eben “verspottungswürdig” sind. Recht viel offener kann man die Ablehnung von fröhlichen junge Frauen eigentlich nicht formulieren.
Es sind natürlich nur Ausschnitte. Die bestätigen aber ein bekanntes Phänomen: Was – speziell junge – Frauen lieben, ist für Männer und die Gesellschaft nicht wirklich ernstzunehmen. Fans werden als emotional belächelt. Ihre Freude genau wie ihre Trauer verspottet. Die Musik, die sie lieben, ist oberflächlich, künstlich, lächerlich. Weil Frauen eben dann doch nicht so ganz ernst genommen werden.
Dass sich abertausende Fans seit Monaten auf ein Event freuen, können manche Männer nur müde belächeln, während sie sich in ihrer eigenen kulturellen Überlegenheit suhlen. Bei Großevents wie der Europameisterschaft, bei der vor allem Männer kollektive emotionale Ausbrüche haben, wird niemand belächelt. Dann werden Bezeichnungen wie “leidenschaftlich” verwendet. Denn was Männer machen, zählt.
Get off your white horse
Taylor Swift ist längst zu groß und bedeutend, als dass solch naserümpfende Abwertung noch länger ernst genommen werden kann. Dass ältere Männer ihre Idole über alles andere stellen können und damit durchkommen, verpufft zum Glück immer mehr. Übrig bleibt Verbitterung. Lasst sie bloß nicht wissen, dass es „keine relevanten männlichen Rockmusiker mehr gibt.“
Man muss Taylor Swift übrigens nicht zwingend mögen. Ich bin auch kein Fan von ihr. Aber das muss man nicht ständig betonen, sondern kann ihr die Bedeutung zugestehen, die sie für sehr viele Menschen hat. Und ich kann gemeinsam mit Menschen traurig sein, die sich seit Monaten auf ein einzigartiges Event gefreut haben.
Lesetipp: Unsere Kolleg:innen von der Chefredaktion haben das Thema hier sehr gut aufbereitet.
Teil 3: Die Anschläge machen Angst. Wie Rechte darüber sprechen auch.
Der Anschlag auf das Taylor Swift Konzert macht mir als Frau Angst. Die Rhetorik danach macht mir als migrantische Person Angst.
Der Täter ist aus Niederösterreich und besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft. Das Hauptaugenmerk liegt nicht darauf, warum er sich in Österreich radikalisiert hat. Viel wichtiger ist, ob er trotz Staatsbürgerschaft eigentlich Ausländer ist. Bei den gezielten Betonungen der Wurzeln der Verhafteten spüre ich die rassistische und antimuslimische Anfeindung. Kurz vor der Wahl wird sie nochmal ordentlich befeuert.
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hätte sich bei der heutigen Pressekonferenz darauf fokussieren können, wie wir jungen Männern helfen können, gesündere Wege für ihre Entwicklung als Radikalisierung und Gewalt zu finden. Stattdessen richtet sich seine Sprache auf eine Bedrohung aus dem Ausland.
Er spricht in der Pressekonferenz von islamistischen Terroranschlägen und zählt auf: Den Anschlag auf Ariana Grandes Konzert in Manchester, den Anschlag in der Konzerthalle Bataclan 2015 in Paris. Und er nennt das Attentat in England bei einem Taylor-Swift-Tanzkurs. Letzteres war allerdings kein islamistisches Attentat, wie fälschlicherweise behauptet wurde. Falschnachrichten hatten das Gerücht in Umlauf gebracht, es handele sich um einen illegal eingereisten muslimischen Asylbewerber. Laut Polizei wurde der Tatverdächtige in Großbritannien geboren, seine Eltern sollen aus Ruanda stammen – einem zu über 90 Prozent christlichen Land. Der Innenminister verbreitet damit Falschinformationen.
Fremdenfeindliche Rhetorik und diese Falschinformation führten in England zu “Unruhen”, wie der Innenminister sie nennt. Er verharmlost damit auch noch rechtsextreme Ausschreitungen und Anschläge.
Rechtextreme rufen auf den Straßen Englands “Kill them all”. Sie machen Jagd auf migrantische Menschen. Sie zünden Lokale, Bäckereien, Autos und Hotels an, in denen angeblich Asylsuchende untergebracht sind.
Migrantische Menschen sind für sie immer zuerst potenziell gefährlich. Von Unschuldsvermutung keine Spur. Schuld am Terror haben für sie alle Migrant:innen.
Diese Einstellung sehe ich auch bei uns in Österreich. Ich lese sie, höre sie und ich spüre sie. Auch hierzulande gibt es fremdenfeindliche Rhetorik. Auch hier werden Falschinformationen verbreitet – sogar von Politiker:innen.
Es wundert mich leider nicht, dass Rechte in Österreich die Absage der Taylor Swift Konzerte für sich nutzen. Dabei interessieren sie sich weder für Taylor Swift, noch für die Sicherheit von Frauen. Sonst hätten wir heute (8. August 2024) nicht den 16. Femizid in Österreich zu verzeichnen. Es geht um die Möglichkeit, Hass auf migrantische Personen zu schüren, auch für politische Zwecke. Dafür wird das hohe Potential für rechtsextremen Terror in Kauf genommen.
Gewalt ist ein Problem. Dass radikalisierte junge Männer diese Attentate planten, ist furchtbar. Die Attentate, die nicht verhindert wurden und bei denen Menschen gestorben sind, sind furchtbar. Ich möchte nichts davon verharmlosen. Als migrantische Frau weiß ich aber, dass die Herkunft nicht der gemeinsame Nenner dieser Gewalt ist. Es ist vor allem ein Problem der Gewalt, die von Männern ausgeht. Von Männern auf der ganzen Welt. Egal welcher extremen Ideologie.