Teurer Einkauf, billige Ausreden

In Österreich zahlen wir für dieselben Lebensmittel mehr als Menschen in Deutschland. Das ist kein Bauchgefühl, sondern gut belegt. Die Bundeswettbewerbsbehörde dokumentiert systematische Preisaufschläge und spricht von Praktiken, die einen „Österreich-Aufschlag“ begünstigen können. Wer also so tut, als sei alles nur Psychologie, verwechselt Meinung mit Evidenz.
Sobald aber jemand konkrete Maßnahmen vorschlägt, die Abhilfe schaffen könnten, wie jüngst Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ), ertönt es im Chor: „Der heilige Markt regelt das!“ Tut er manchmal. Aber nicht immer, nicht überall und schon gar nicht automatisch zugunsten der Konsument:innen. Wer hinschaut, sieht: Andere Länder haben längst ausprobiert, was gegen hohe Lebensmittelpreise wirkt – befristet, eng zugeschnitten, sauber kontrolliert. Und siehe da: Die Preise gehen runter, ohne dass die Regale leer werden.
Ein einfacher Hebel
Kroatien hat im September 2022 einen einfachen Hebel gewählt. Pro Warengruppe hat das Land genau ein Standardprodukt mit Höchstpreis festgelegt. Für die Warengruppe „Milchprodukte” zum Beispiel waren das 98 Cent für einen Liter Haltbarmilch. Das senkt Orientierungspreise und lässt den Rest des Regals in Ruhe. Eine Studie der kroatischen Nationalbank zeigt am Beispiel der preisregulierten Haltbarmilch, dass sie in Kroatien im Beobachtungszeitraum der Studie bis Frühjahr 2023 um rund ein Drittel billiger war als in den Nachbarländern. Entscheidend ist die saubere Definition der Standardprodukte, damit es keine „Shrinkflation“ über verkleinerte Packungsgrößen gibt.
Auch Steuersenkungen können entlasten, sofern sie wirklich im Geldbörsel ankommen. Viele Länder haben das im Zuge der Corona-Krise ausprobiert. Deutschland hat 2020 für einige Monate seine Mehrwertsteuer gesenkt, rund 70 Prozent der Senkung gaben die Supermärkte an die Kund:innen weiter. In Portugal gab der Handel 2023 eine Steuersenkung bei 46 Grundnahrungsmitteln sogar praktisch vollständig weiter, dank klarer Ausweisung im Handel und öffentlicher Kontrolle. So wird aus Fiskalpolitik handfeste Preispolitik.
Rumänien greift an anderer Stelle ein und begrenzt die Bruttogewinnmargen großer Handelsketten bei Grundnahrungsmitteln. Für kleine Betriebe gibt es Ausnahmen. Zugleich verpflichtet der Staat die Ketten, ausreichende Mengen dieser Produkte zur Verfügung zu stellen. Das ist kein Allheilmittel gegen hohe Preise, aber kann ein wirksamer Dämpfer gegen Aufschläge in einer stark konzentrierten Branche sein.
Werkzeugkasten statt Ideologiestreit
Wer behauptet, Eingriffe in Lebensmittelpreise sei „unmöglich”, sollte die Praxis dieser Länder studieren, bevor er die Idee vom Tisch wischt.
Es braucht beim Thema Lebensmittelpreise keinen großen Ideologiestreit, sondern einen schlichten Werkzeugkasten.
Erstens kann die Regierung einen Preisanker setzen. Also einen Höchstpreis für je ein Standardprodukt pro Grundnahrungsmittel, wie Brot, Öl oder Milch, monatlich überprüft und klar gekennzeichnet.
Zweitens müssen wir über befristete Limits für Bruttomargen dort nachdenken, wo Marktmacht offenkundig ist, wie bei den Supermärkten. In kaum einem Land ist der Lebensmittelhandel so konzentriert wie hierzulande.
Drittens braucht es eine zeitlich befristete Mehrwertsteuersenkung auf Grundnahrungsmittel. Selbstverständlich mit Weitergabepflicht, gut sichtbaren Preisschildern für die Produkte mit Fixpreis und einem öffentlichen Preis‑Dashboard, über das alle Konsument:innen die Preise in verschiedenen Supermärkten leicht online vergleichen können.
Dafür braucht es auch eine Wettbewerbsbehörde mit Biss, die Preisstrategien mit „Österreich‑Aufschlag“ anders als bisher nicht nur untersuchen, sondern auch sanktionieren kann.
Der Bonus dieser drei Maßnahmen: Sie sind sozial treffsicher und helfen vor allem jenen, die ein Drittel ihres Budgets für Essen und Trinken ausgeben müssen und daher jeden Cent spüren. Und sie sind rechtskonform, weil zeitlich befristet, verhältnismäßig und präzise gesetzt. Dass sie funktionieren, belegen Studien und die europäische Praxis. Wer jetzt noch reflexartig abwinkt, argumentiert nicht ökonomisch, sondern ideologisch.