Teurer Schulstart: Ansturm auf kostenlose Schulstartpakete
Immer mehr SchülerInnen leben in prekären Verhältnissen
Gestartet wurde die Aktion mit Mitteln aus dem EU-Hilfsfonds im Jahr 2015. Die Koordination erfolgt durch das Sozialministerium, die Ausgabe hat das Rote Kreuz übernommen. Wurden im Jahr 2015 noch 33.000 Schulpakete verteilt, so hat sich die Zahl im Jahr 2019 auf 45.000 Pakete erhöht. Heuer sind es bereits rund 50.000 SchülerInnen, die einen Anspruch auf ein kostenloses Schulstartpaket haben.
Kostenloses Schulpaket: Angst ist groß, leer auszugehen
Obwohl die Pakete bis zum 18. September vorbestellt und abgeholt werden können, ist die Angst groß, nichts mehr zu bekommen, wie uns eine Mutter von zwei Schulkindern erklärt, die gerade im sechsten Monat mit ihrem dritten Kind schwanger ist: “Wenn ich im September hingehe, gibt es bestimmt nur noch Restposten. Dann sind nur noch Sachen übrig, die ich nicht brauche.” Dringend bräuchte sie die zwei Pakete für ihre schulpflichtigen Kinder, doch heute gibt sie auf: Bis zu vier Stunden beträgt die Wartezeit in der Hitze in der Ausgabestelle im sechsten Bezirk. Das ist zu viel für die Schwangere.
Teurer Schulstart: Rund 300 Euro Zusatzkosten
Wegen Corona werden heuer nur wenige Eltern gleichzeitig eingelassen. Darüber wird auch ausführlich in dem Schreiben informiert. Auch darüber, aufgrund der Pandemie besser nicht im Familienverbund zu erscheinen. Außerdem versichert das Rote Kreuz, dass jeder auch wirklich das Paket erhält, dass vorbestellt wurde. Doch bei den Wartenden lassen sich einfach nicht die Zweifel daran zerstreuen, am Ende des Tages mit leeren Händen nach Hause gehen zu müssen.
Für die Betroffenen geht es schließlich um viel: Ein Schulstart bedeutet für eine Familie pro Kind eine durchschnittliche finanzielle Mehrbelastung von 300 Euro. Und das ist Geld, das diese Eltern einfach nicht haben.
Auch Eltern mit Vollzeitjob stehen hier an
Die Bezieher von Mindestsicherung oder Sozialhilfe sehen sich oft mit Vorurteilen konfrontiert: Sie seien einfach nur zu faul zum Arbeiten. Doch auch wer einen Job hat, verdient mitunter zu wenig, um genügend Geld für seine Kinder und deren Ausbildung übrigzuhaben. Hier in der Schlange steht auch die 52-jährige Marion (Name von der Redaktion geändert).
Die fünffache Mutter arbeitet Vollzeit als Altenpflegerin und möchte für ihre drei schulpflichtigen Kinder die Pakete abholen. Seit diesem Jahr ist ihr Mann, der am Bau gearbeitet hat, in Frühpension. Das gemeinsame Einkommen beträgt nun rund 1.900 Euro. Es ist also so wenig, dass die Familie Anspruch für die Schulstartpakete hat. Doch auch als ihr Mann noch berufstätig war, kam die Familie immer gerade so über die Runden: “Wir bezahlen schon alleine rund 800 Euro für unsere Gemeindewohnung, das ist aber kalt. Strom, Fernwärme und Wasser müssen wir noch extra bezahlen.”
Eltern würden Kindern gerne mehr bieten
Marion beschreibt sich selbst als anspruchslos. Doch ihren Kindern würde sie gerne mehr bieten können: “Einmal einen Urlaub, das würde ich ihnen wirklich vergönnen. Es muss nicht das Meer sein, einfach an einem See in Österreich.” Das hat sich die Familie nämlich noch nie leisten können. Als sogenannte Systemerhalterin hat Marion auf den Corona-Tausender gehofft. Am Ende bekam sie von ihrem Arbeitgeber einen Hofer-Gutschein in der Höhe von 50 Euro. “Wir wurden alle so sehr beklatscht, aber ehrlich, den Applaus sollen sich die Leute wirklich sparen, es wären einmal echte Taten angebracht,” zeigt sich die Altenpflegerin verärgert.
Hätte sie übrigens den Corona-Tausender bekommen, so hätte sie diesen nicht für sich ausgegeben. Sie hätte damit eine Urlaubskasse für die Kinder angelegt.