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Gesundheit
Kapitalismus

TRIPS-Waiver: Welche Staaten sind gegen die freie Herstellung von Corona-Impfstoffen?

Impfungen, Medikamente, Beatmungsgeräte, Masken und anderes Equipment. Dinge, die in der Corona-Pandemie dringend gebraucht werden, werden oft durch Patente geschützt. Das sorgt für hohe Preise und einen schlechteren Zugang zu diesen Produkten. Ausgerechnet die Reichen blockieren einen Vorschlag der betroffenen armen Länder, der die Situation verbessern soll.

Update: Auch am 12. März wurde ein Antrag vor der WTO wieder von reichen Ländern abgeblockt. Die Verhandlungen sollen im kommenden Monat weitergehen.

Update: Am 5. Mai gaben die USA bekannt, eine Aussetzung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe bei der WTO zu unterstützen. Tags darauf schwenkten auch Australien und Neuseeland um.

Während in den reicheren Staaten die Impfungen gegen Corona längst laufen und Hoffnung auf ein Ende der gröbsten Maßnahmen gegen die Pandemie in einigen Monaten besteht, warten große, ärmere Teile der Welt noch auf ihre Impfstoffe. 

Ein Grund für diese Verzögerung sind Patente auf Impfstoffe, Medizin und auf anderes Equipment, das gegen das Coronavirus und die COVID-Erkrankung eingesetzt werden kann. Sie werden durch das sogenannte TRIPS-Abkommen (auf Deutsch: Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums) geschützt.

Patente sollen Fortschritt schützen, aber behindern ihn auch

Patente stellen geistiges Eigentum her. Sie beschützen theoretisch die Profite von ErfinderInnen, die die Welt mit guten Ideen weiterbringen. So soll ein Anreiz für diese guten Ideen bewahrt werden. Tatsächlich behindern sie aber auch den Zugang von anderen zu den neuesten und bestmöglichen Ideen – und damit auch die Verbreitung von Produkten.

„Wenn ein Produkt auf den Markt geht, wird Wissen nicht mehr geteilt“, sagt die darauf spezialisierte, internationale Top-Juristin Ellen ‚t Hoen gegenüber MOMENT dazu. Patentrechte sind deshalb immer wieder umstritten, aber KritikerInnen sagen, dass sie gerade in Pandemiezeiten uns nicht die beste Reaktion ermöglichen. Denn in einer Pandemie bedeutet das: Auch wenn eine Firma zum Beispiel eine Impfung (oder auch Beatmungsgeräte, Masken oder Tests) herstellen könnte, darf sie das nur, wenn sie dem Konzern, der das Patent darauf hat, eine Lizenz abkauft. Das verzögert im besten Fall die Herstellung, verhindert sie aber im schlimmsten Fall auch ganz. Und es kann die Preise für die betroffenen Erzeugnisse in die Höhe treiben. Und das, obwohl viele dieser Dinge mit staatlicher Unterstützung und öffentlichen Geldern erforscht wurden.

Arme Länder leiden mehrfach, reiche sollte das aus Eigennutz stören

In Entwicklungsländern wird deshalb weniger produziert, als möglich wäre. Und gerade diese Entwicklungs- und Schwellenländer müssen oft mehr pro Impfung zahlen, als reiche Staaten. Die ärmeren Ländern werden auch noch ziemlich lange darauf warten müssen, ihre Bevölkerungen durchimpfen zu können, während reichere Staaten sich zur Sicherheit hunderte Millionen an Extra-Dosen bestellt haben.

Dass andere Länder die Pandemie noch viel länger ertragen müssen, ist auch für uns in Europa ein Problem, denn wenn das Coronavirus in anderen Teilen der Welt weiter kursiert, schränkt das die internationale Bewegungen von Menschen und den Handel ein. Außerdem könnten neue Mutationen entstehen, die wiederum auch bereits immunisierte Regionen wieder gefährden könnten.

TRIPS-Waiver: Arme Länder wollen etwas ändern, reiche Länder verhindern es

100 Staaten der Welt haben auf internationaler Ebene bei der Welthandelsorganisation (WTO) einen Antrag eingebracht. Die angesprochenen Patente – eine Form von geistigem Eigentum – sollen für die Zeit der Pandemie ausgesetzt werden. Diese sogenannten „TRIPS-Waiver“ sollen die vollen Kapazitäten der Welt freisetzen, um so schnell wie möglich, so viel wie möglich und so günstig wie möglich Impfungen herzustellen. Unterstützt wird die Kampagne von Nichtregierungsorganisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“, die die Versorgung armer Teile der Welt dadurch ebenfalls gefährdet sehen.

Der Vorstoß wird leider ausgerechnet von reichen Staaten blockiert. Die EU (inkl. Österreich) und Japan stemmen sich gegen die einstweilige Freigabe der Patente, die USA, Australien und Neuseeland waren bis Mai 2021 ebenfalls dagegen, kündigten dann aber eine geänderte Haltung an. Die größten Pharma-Konzerne, die davon betroffen wären, sitzen natürlich in diesen reichen Staaten. Die Verhandlungen sind leider nicht öffentlich, deshalb sind nicht von allen Staaten die genauen Standpunkte bekannt. Aber diese Karte zeigt, wer sich bisher wie zu den Verhandlungen geäußert hat.

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