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Demokratie

Donald Trump: Gefressen vom selbst erschaffenen Monster

Donald Trump: Gefressen vom selbst erschaffenen Monster
Der Epstein-Skandal war ein wichtiges Wahlmotiv für Trumps Anhänger:innen. Foto: Marc Nozell/Wikimedia, Creative Commons Attribution 2.0
Jahrelang surfte Donald Trump auf der Verschwörungswelle. Sie war einer der entscheidenden Faktoren für seinen Erfolg. Jetzt überrollt sie ihn selbst. Natascha Strobl kommentiert.

Im Jahr 2016 macht eine abstruse Geschichte in den sozialen Medien die Runde. In einer Pizzeria in Washington, D.C., gebe es einen Eingang zu unterirdischen Tunneln. In diesen Tunneln unter der US-Hauptstadt halte jemand entführte Kinder gefangen und zapfe ihnen Blut ab. Das würden sich die politischen und kulturellen Eliten spritzen, um ewiges Leben zu erhalten. Der Pizzagate-Verschwörungsmythos ist geboren. 

Er ist eine von vielen abstrusen ausgedachten Geschichten, die im Internet kursieren. Bis das Umfeld des republikanischen Kandidaten für die US-Präsidentschaft eingreift und Pizzagate für einige Wochen zum Haupt-Wahlkampfthema befördert. Die engsten Berater Donald Trumps suggerieren oder sagen ganz offen, dass Ex-Außenministerin Hillary und Ex-Präsident Bill Clinton sowie weitere demokratische Politiker:innen federführend an dieser Verschwörung beteiligt seien.

Die real existierende Pizzeria, in der sich der erfundene Tunneleingang befinden soll, wird angegriffen, und Pizzagate wird für fast die Hälfte der republikanischen Wähler:innen zur unumstößlichen Wahrheit. Trump selbst wird in den folgenden Jahren immer wieder die Hauptverbreiter:innen des Pizzagate-Mythos ins Weiße Haus einladen und mit Aufmerksamkeit ehren.

Ein sehr realer Täter

Ein Jahrzehnt zuvor hatte ein US-Gericht Anklage gegen einen sehr realen Täter erhoben. Der prominente und gut vernetzte Investmentbanker Jeffrey Epstein musste sich wegen Menschenhandels, sexueller Gewalt und Kindesmissbrauchs verantworten. Er hatte über Jahrzehnte jugendliche Mädchen auf seine Privatinsel einfliegen lassen, wo seine Kunden und Freunde sie sexuell missbrauchten.

Epsteins Liste an prominenten Freunden aus Politik, Wirtschaft, Medien und Unterhaltungsbranche ist lang. Fotos und Passagierlisten belegen, dass viele von ihnen ihn auf seiner Insel besuchten. Der britische Prinz Andrew zog sich nach einem desaströsen Interview zu dem Thema weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück. Epstein selbst beging 2019 Suizid, bevor er vor Gericht zu Details befragt werden konnte. Seine Handlangerin Ghislaine Maxwell sitzt im Gefängnis.

Ohne Verschwörungsmythen wäre Trump nicht Präsident

Teile der Epstein-Akten stehen – vor allem aus Opferschutzgründen – unter Verschluss. Trump und sein Umfeld nutzten das als „Beleg” für ihre wabernden Mythen von einer großangelegten Verschwörung. Kurz gesagt: Alle pädophil, alle schuldig, das ganze amerikanische Establishment involviert; Trump ist die einzige Hoffnung, mit diesem Verbrechen aufzuräumen. Trump musste das gar nicht selbst aussprechen – es reichte, dass er die Behauptungen stehen und den Mob gewähren ließ und die Protagonist:innen mit seiner Aufmerksamkeit belohnte.

Der Verschwörungssumpf rund um Pizzagate und den QAnon-Mythos – auch er handelt von einer dunklen, geheimen Elite, die die USA mit Hilfe eines „tiefen Staates” kontrolliere – wurde zum Motor von Trumps MAGA-Bewegung. Ohne diese Bewegung würde Trump nicht erneut im Weißen Haus sitzen.

Und die MAGA-Bewegung sah die Epstein-Akten als endgültigen Beweis für eine tiefgehende Verschwörung pädophiler Eliten. Trump lehnte sich tief in diese Verschwörungserzählung hinein und versprach die Herausgabe aller Akten, sollte er wieder Präsident werden. Damit war nach seinem Wahlerfolg für die MAGA-Bewegung klar: Die Clintons und diverse Hollywood-Lieblinge würden nun ihr blaues Wunder erleben.

In der MAGA-Logik gibt es nur einen möglichen Grund

Das blaue Wunder erlebt aber nun Trump selbst. Ihm wurde die Sache zu heiß, und er hielt die Akten unter Verschluss. Er dachte wohl, er könnte auf der Welle surfen, solange sie ihm nutzt, und das Thema dann wieder hinter einem anderen (die Grenzen, Einwanderung, was auch immer) verschwinden lassen.

Aber der Verschwörungsmythos ist größer als Trump, und er droht nun selbst von der Welle überrollt zu werden. Denn nach der MAGA-Logik gibt es nur einen möglichen Grund dafür, dass Trump nun die Akten, die angeblich alles aufklären und so viele Mächtige in Bedrängnis bringen könnten, doch nicht herausgeben will: Er hat Epsteins kriminelle Angebote selbst genutzt. Dieser Verdacht wird durch Recherchen der letzten Tage genährt. Widmungen, Bilder und Hochzeitsfotos zeigen eine durchaus enge Beziehung zwischen einer der meistgehassten Personen der MAGA-Bewegung und ihrer Ikone.

Trump droht also von dem Monster gefressen zu werden, das er selbst mitgeschaffen hat. Der Fall zeigt: Ist eine Verschwörungsideologie einmal in der Welt, ist sie nicht wieder einzufangen. Schon gar nicht, wenn es ganz reale Verbrechen gibt, deren Aufklärung durch den Verschwörungsmythos behindert wird.

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    Kommentare 1 Kommentar
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  • frizzdog
    30.07.2025
    ich fürchte, wir sind viel zu naiv zur bewahrung einer demokratie. die mythen gehören historisch substanziell zum rechtsradikalismus und noch viel substanzieller zum faschismus. wir wollen das nur nicht wahrhaben! man schaue sich doch bloss einmal die grafischen sujets der boomenden tätowierungen an! historisch gewinnt der faschismus immer die oberhand durch den naiven bis fanatischen glauben der massen an mythen. merke: auch Hitler wurde GEWÄHLT!
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