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Demokratie

Viktor Orbans Propaganda-Inserat? Für "Presse" und "Bild" kein Problem, andere Medien taten das Richtige

Die ungarische Regierung versucht in ganz Europa propagandistische Inserate in Medien unterzubringen. Viele zeigen Haltung und lehnen ab - die "Presse" und "Bild" nicht.

Am Donnerstag ist in Ungarn ein Gesetz in Kraft getreten, das die Aufklärung über LGBTQIA+-Themen für Jugendliche verbietet. Das Propagandagesetz brachte der rechtspopulistischen Regierung von Regierungschef Viktor Orban in der EU viel Kritik und Gegenwind ein.

Nun kontert Orban mit EU-feindlichen Propaganda-Inseraten, die er offenbar in den vergangenen Tagen in zahlreichen Medien in Europa zu platzieren versucht hatte. Auch in Österreich wollte die ungarische Regierung bei Medien buchen – zumindest teilweise mit Erfolg.

Polemische, rechtspopulistische Propaganda

Das Inserat gibt sich als Beitrag für „Vorschläge zur Zukunft der EU“, besteht allerdings vor allem aus unsachlichen Angriffen und unhaltbaren Behauptungen. Orbans eigene Unterschrift ist unter diesem 7-Punkte-Angriff angebracht. Darin attackiert Orban ganz vage „Brüssel“, einen „Superstaat“ und ein angebliches „europäisches Imperium“, greift Nichtregierungsorganisationen und das EU-Parlament an, er setzt sprachlich Pandemien mit Migration gleich und fordert das Ziel einer „immer engeren Einheit zwischen den Völkern Europas“ aus den EU-Verträgen zu streichen.

Man ist solche Aussagen vom nationalistischen Orban mittlerweile gewohnt. Sie sind als politischer Standpunkt eines EU-Mitgliedsstaates dennoch schwer zu ertragen und Orban bekam zuletzt zunehmend den Hinweis, die EU doch zu verlassen. Das EU-Parlament hatte zuletzt gefordert, die EU-Mittel für Ungarn wegen der Verstöße gegen die rechtsstaatlichen Prinzipien – unter anderem wegen seines Anti-LGBTQIA+-Propagandagesetzes – zu kürzen. 

Orbans nationalistische und antidemokratische Politik sorgt bei pro-demokratischen Kräften in Europa seit langem für Sorgenfalten. Die OSZE spricht in Ungarn von „freien, aber nicht fairen Wahlen“, bei denen Orban dank eines auf ihn zugeschnittenen Wahlrechts 2014 und 2018 mit 44 bzw. 49 Prozent jeweils zwei Drittel der Mandate erhielt und im Alleingang die Verfassung umschreiben konnte. Die Medien im eigenen Land werden auf Linie gebracht und unterdrückt. Demokratisch-orientierte Medien hätten allein deshalb jedes Recht, den Abdruck des Inserats abzulehnen. 

„Die Presse“ druckte das Inserat

Trotzdem haben einige Medien Orbans Geld genommen und sein Pamphlet gedruckt. Eine Forscherin der Uni Groningen sammelt, wer das Inserat geschaltet und wer es abgelehnt hat. Nach aktuellem Wissensstand ist es in vorrangig rechten und konservativen Medien in elf EU-Staaten tatsächlich erschienen – etwa in der deutschen Boulevardzeitung „Bild“ und der französischen „Le Figaro“.

Auch die konservative, österreichische „Presse“ druckte das Inserat ab. Zahlreiche Redakteure des Blattes verteidigten das vielfach kritisierte Vorgehen auf sozialen Medien. Sie verwiesen dabei auch auf kritische redaktionelle Berichte über die ungarische Politik, die zuletzt in der Presse erschienen sind. Andere behaupteten, man könne so ein Inserat gar nicht so leicht ablehnen.

Es muss auch anders gehen

Dass es natürlich problemlos anders gehen würde, zeigen aber viele europäische Medien. So haben etwa alle belgischen Medien das Inserat abgelehnt. In „De Standaard“ erschien sogar ein Eigeninserat des Mediums in Regenbogenfarben, das Orban für seine LGBTQIA+-feindliche Politik kritisierte.

Andere Medien reagierten auf die Inseratsanfrage mit dem Angebot, Orban könne sich stattdessen ihren JournalistInnen stellen und ein kritisches Interview akzeptieren. Der Chefredakteur der „Times of Malta“ schrieb in einem Leitartikel, Orban trete viele Menschenrechte, Rechtsstaat und Demokratie sowie Pressefreiheit mit Füßen. Er habe der freien Presse im eigenen Land den Krieg erklärt, man werde als Zeitung nicht still sein Geld nehmen und zusehen, wie er sie anderswo missbrauche.

All diese Optionen sind der Presse leider nicht eingefallen. Vielleicht beim nächsten Mal.

Ob das Inserat auch in anderen österreichischen Medien geschaltet werden sollte, ist derzeit nicht bekannt.

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