print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Demokratie

Gegen rechte Koalitionen: Was ist die Vranitzky-Doktrin?

Gegen rechte Koalitionen: Was ist die Vranitzky-Doktrin?
Franz Vranitzky legte den antifaschistischen Schutzwall für die SPÖ fest. Foto: Gregor Tatschl/ wikimedia/CC BY-SA 2.0
Hetzerisch und menschenverachtend. Rechtsradikale Parteien und ihre Politik widersprechen demokratischen Grundwerten. Die SPÖ hat sich deshalb schon vor längerer Zeit eine Zusammenarbeit mit den Rechten selbst verboten. Das war aber nicht schon immer so und wird immer wieder diskutiert. Was steckt hinter der Vranitzky-Doktrin? Und sollten nur Linke dieser Haltung folgen?

Seit wann gibt es die Vranitzky-Doktrin?

Von 1970 bis 1999 war die SPÖ nach jeder Nationalratswahl in Österreich die stärkste Partei. Unter Bruno Kreisky gab es sogar eine Alleinregierung der Sozialdemokraten. Die absolute Mehrheit verlor die SPÖ jedoch bei den Nationalratswahlen 1983. Von 1983 bis 1986 kooperierte sein Nachfolger Fred Sinowatz erstmals mit den Freiheitlichen.

Aber es sollte das letzte Mal sein. 1986 änderte sich die FPÖ. Es kam der Rechtspopulist Jörg Haider an die Spitze. Sinowatz‘ Nachfolger Franz Vranitzky (SPÖ) schloss 1986 eine erneute Zusammenarbeit mit Haider und der FPÖ aus. Bis heute heißt dieser Beschluss deshalb Vranitzky-Doktrin.

Gilt die Doktrin auch für Bundesländer?

Seit der Festlegung dieser politischen Leitlinie wurde die Doktrin immer weiter aufgelockert. Landespolitiker:innen sind demnach freigestellt, eine Zusammenarbeit mit der FPÖ einzugehen. Im Jahr 2004 gab es in Kärnten erstmals wieder seit 1986 eine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ. 2015 einigten sich SPÖ und FPÖ im Burgenland auf eine gemeinsame Regierung. Seither regierten in mehreren größeren und kleineren Städten in Österreich rot-blaue Bündnisse.

Richtlinien in der Zusammenarbeit mit Rechten

Auf Bundesebene gibt es Richtlinien, wie mit den Rechten umgegangen werden soll. 2017 wurde ein Kriterienkatalog ausgearbeitet, der die Bedingungen für eine etwaige Zusammenarbeit mit der FPÖ festsetzte. 2018 wurde dieses Papier durch den sogenannten „Wertekompass“ ersetzt. Dieser schließt eine Zusammenarbeit mit der FPÖ nicht mehr grundlegend aus. Aber solange die FPÖ eine rechtsextreme Ausrichtung lebt, führt die SPÖ auf Bundesebene keine Regierungsverhandlungen mit ihr.

Kritik an der Doktrin

Seit sich die SPÖ eine Regierungszusammenarbeit mit den Rechten selbst verboten hat, wird immer wieder laut, dass die Rechte dadurch erst stark werden konnten. Auch in der Kritik: Die “Ausgrenzung” der Freiheitlichen stärke die Position der ÖVP bei Regierungsverhandlungen. Da nur sie als einzige Partei mit zwei Großparteien verhandeln kann. 

Das würde die SPÖ leichter erpressbar machen. Tirols scheidender Landeshauptmannstellvertre­ter Georg Dornauer (SPÖ) fordert seit kurzem wieder eine Öffnung hin zur FPÖ, um sich nicht länger der ÖVP “auszuliefern”. Das sind also vor allem wahltaktische Überlegungen.

Warum keine Kooperation mit Rechtsradikalen?

Die FPÖ hat bei Wahlen immer wieder gute Ergebnisse – sie hat aber alleine nie eine Mehrheit. Und gewählt zu werden, macht eine Partei noch lange nicht demokratisch. Schaut man sich den Aufstieg von antidemokratischen Parteien an, erkennt man: Viele wurden mindestens einmal demokratisch gewählt. 

Die Einbindung rechter Parteien in demokratischen Prozesse greift in der Folge aber die Demokratie und den Rechtsstaat selbst an. Bei grundlegenden Unterschieden nicht mit einer Partei zu koalieren, ist immer eine legitime und logische Haltung. Insbesondere, wenn diese Partei gefährlich für die demokratische Gesellschaft und ihre Institutionen sind, ist sie sogar wichtig.

Eine Demokratie besteht im Kern aus freien Wahlen, einer unabhängigen Justiz, freien Medien, Gewaltenteilung und einer freien Zivilgesellschaft. Rechtsradikale Parteien haben konkrete Vorstellungen, wie dieser Kern immer weiter zerstört werden soll.

Was ist, wenn Konservative mit Rechtsradikalen koalieren?

Diese grundsätzlichen Überlegungen zu demokratischer Haltung sollten auch nicht nur für Linke eine Rolle spielen. Sie wäre auch für und von konservativen Parteien wichtig. 

Denn die Forschung deutet sogar darauf hin, dass diese eine “Schlüsselrolle” für die Gesundheit einer Demokratie haben: Wenn Konservative selbstbewusst die Werte der Demokratie hochhalten, kommen sie bei Wahlen möglicherweise auch unter Druck, aber die Chancen stehen gut, dass die Demokratie insgesamt hält.

Wenn Konservative selbst hingegen zunehmend rechtsradikale Positionen einnehmen, ist die Demokratie in echter Gefahr. Nehmen Rechtsextreme immer mehr Platz in der politischen Debatte und Regierungsämter ein, wird es gefährlich. Für den Sozialstaat, für Minderheiten, für Frauen und Arbeitnehmer:innen. Für unsere Demokratie

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 4 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

  • Alpha Phoenicis
    17.12.2024
    Zur Korrrektur: Vranitzky schloß 1986 nicht "eine erneute Zusammenarbeit" mit der FPÖ aus, sondern beendete, als Haider in der FPÖ an die Macht kam, von heute auf morgen die Koalition und rief vorzeitige Neuwahlen aus, trotz gerade sehr schlechter Umfragewerte für die SPÖ. Er setzte alles auf eine Karte und bewies damit eine Größe zu der die ÖVP niemals imstande wäre, ja die sie bis heute nicht einmal verstehen kann. Und es sind nicht speziell die Konservativen, die eine "Schlüsselrolle" innehaben. Wenn die Sozialdemokraten oder eine andere große Partei mit der FPÖ zusammenarbeiten, und deren Ansichten eine Mehrheit verschaffen würde, hätten wir doch dasselbe Problem. Bitte nicht immer so tun, als wären die Konservativen irgendwie wichtiger als die anderen. Dieser Eindruck ensteht eben nur, weil sie es sind, die regelmäßig nach rechts umfallen, und die anderen nicht.
    Antworten
    • Tom Schaffer
      17.12.2024
      Den Konservativen kommt laut der der geschichts- und politikwissenschaftlichen Forschung aber eben tatsächlich eine Schlüsselrolle zu. Das ist aber etwas komplexer als in der Kürze darstellbar. Im Prinzip geht es darum, dass sie eine klarere ideologische Anschlussfähigkeit an die Rechtsradikalen haben. D.h., wenn sie stabil demokratisch bleiben, tun das auch ihre Anhänger:innen eher und den Rechtsradikalen fehlt eher ein Koalitionspartner. Zum Vergleich: Bei der SPÖ heute ist es ja z.B. so, dass die Partei auf Bundesebene (oder auch in Wien) eine Koalition mit der FPÖ vermutlich nicht einmal eingehen könnte, wenn sie wollte - zumindest nicht, ohne einen massiven Preis zu zahlen. Vielleicht würde die Parteispitze direkt abgesetzt, vielleicht würden massenhaft Menschen austreten, vielleicht sogar eine Parteispaltung passieren. Bei der ÖVP ist das in diesem Jahrhundert schon mehrmals gegangen. Das ist kein rechnerischer Unterschied, aber ein wesentlicher. Rein rechnerisch oder normativ gesehen sind Konservative natürlich nicht "wichtiger" als alle anderen Parteien. Wer auch immer Rechtsradikalen die Mehrheit (nicht) verschafft, hat dieselbe Bedeutung und nimmt dieselbe demokratiepolitische Verantwortung wahr. Realpolitisch entscheidet sich aber halt schon sehr oft an Konservativen, ob Rechtsradikale an die Macht kommen - oder nicht.
  • Elisabeth Kuchling
    17.12.2024
    Die Regierung Schüssel hat die Republik erheblich und nachhaltig geschädigt. Mit Rot-Blau, hingegen, wäre Österreich besser dran gewesen.
    Antworten
  • frizzdog
    17.12.2024
    ...werte, werte, werte,... oder besser haltung, haltung, haltung...?
    Antworten