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Kapitalismus

Bauen für die Rendite – Leistbares Wohnen ist in Graz Luxus

Leistbare Wohnungen sind in Graz Mangelware. Hier beherrschen Investor:innen den Wohnungsmarkt und treiben die Preise in die Höhe. Am Sonntag wird in der steirischen Landeshauptstadt gewählt. Die hohen Wohnpreise sind heißes Thema im Wahlkampf.

„Graz ist für Investoren interessant geworden“, sagt der Architekt und Projektentwickler Hermann Eisenköck. „Hier lassen sich noch Renditen von fünf Prozent erwirtschaften, in Wien ist das kaum noch möglich.“

Tatsächlich werden in Graz auf Teufel komm raus, Wohnungen gebaut. Nur leider die falschen, wie Wohnungssuchende immer wieder erleben. Zu klein und zu teuer sind sie, und für viele schlicht und einfach nicht leistbar. Für eine 60- Quadratmeter-Wohnung zahlt man in Graz inzwischen gut 900 Euro. Für Alleinstehende, wie die Kindergartenpädagogin und Alleinerzieherin Margarethe F. ein Betrag, der mit ihrem Gehalt nicht unter einen Hut zu bringen ist.

Was die Situation von Menschen wie Margarethe F. zusätzlich erschwert, ist der Mangel an Gemeindewohnungen: Graz hat davon nur rund 11.000, 4200 gemeindeeigene und 6800 Genossenschaftswohnungen mit Zuweisungsreicht. Also das Recht der öffentlichen Hand, Wohnungen Ansuchenden zuzuweisen. Zum Vergleich: In der Stadt Wien lebt jede:r Fünfte in einer Gemeindewohnung.

Angebot und Nachfrage stehen in Graz also in einem bedenklichen Missverhältnis. Deshalb stehen viele Wohnungen in der Stadt leer. Die Neos schätzen, dass es bis zu 30.000 sein könnten. Wie viele es tatsächlich sind, darüber kann man nur spekulieren.

Anlegerwohnungen verursachen Leerstand

„Man könnte den Leerstand recht einfach ermitteln, indem man den Stromverbrauch überprüft“, sagt der Gemeinderat Hans-Peter Meister von der KPÖ. „Das verbietet aber das Datenschutzgesetz.“ Meister hat Mitte September im Gemeinderat einen dringlichen Antrag für eine Leerstandsabgabe eingebracht, den die Abgeordneten mit Mehrheit angenommen haben. „Ein Grund für den zunehmenden Leerstand sind die Anlegerwohungen“, heißt es in der Begründung des Antrags. „Einige Investoren denken überhaupt nicht daran, ihre Wohnungen zu vermieten. Sie sehen sie als Wertanlage, die möglichst nicht durch Abnutzung geschmälert werden soll.“

Eine Abgabe auf ungenutzte Wohnungen kann die Stadt aber trotzdem nicht einheben. Denn dazu braucht es ein Bundesgesetz. Immerhin hat Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) einer sogenannten Leerstandserhebung zugestimmt. Als ersten Schritt in den gutbürgerlichen Bezirken Geidorf und St. Leonhard. Grüne, SPÖ und KPÖ kritisieren, dass Nagl den falschen Bezirk ausgesucht hat. „In Geidorf gibt es vor allem Häuser aus der Gründerzeit, wenn dort Wohnungen leer stehen, dann wahrscheinlich deshalb, weil sie saniert werden müssten und nicht, weil sie von Anlegern als Betongold gesehen werden.“

Kleinwohnungen für Investor:innen

Was es Städten wie Graz so schwer macht, in den Wohnungsmarkt einzugreifen, hat vor allem mit fehlenden Kompetenzen zu tun. Die liegen entweder beim Land, wie bei der Bebauungsplanpflicht, also der Mitsprache des Gemeindesrats bei Bauprojekten, oder auf Bundesebene, wie bei der Frage von Besteuerung von Leerstand.
Was Graz aber von anderen Städten unterscheidet, ist das Fehlen von Mindestgrößen im Wohnbau. Und gerade das befeuert die Attraktivität sogenannter Anlegerwohnungen. Möglichst viele Wohnungen auf möglichst wenig Quadratmetern, lautet die Devise. „37 Prozent der Wohnungen, die 2021 in Graz fertig werden, haben weniger als 50 Quadratmeter“, heißt es in einer Erhebung der Bauträger Datenbank Exploreal. Im kommenden Jahr werden es schon 40 Prozent sein.

Dass Anlegerwohnungen aus dem Boden schießen, hat auch mit den ansehnlichen Steuervorteilen zu tun, auf die die Kommunen ebenfalls keinen Einfluss nehmen können, obwohl es für deren Abschaffung in Graz eine Mehrheit im Gemeinderat gibt. SPÖ-Spitzenkandidat Michael Ehmann fordert daher einen Baustopp für Investorenprojekte. Grüne und KPÖ unterstützen dies. Was Graz aber tatsächlich helfen würde, wären massive Investitionen in den kommunalen Wohnbau als Infrastruktur der sozialen Gerechtigkeit.

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