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Fortschritt

Warum 2020 ein gutes Jahr wird

Das neue Jahr steht im Zeichen Ludwig van Beethovens. Auch heute können wir noch viel von dem großen Komponisten lernen.
Das neue Jahr steht im Zeichen Ludwig van Beethovens. Auch heute können wir noch viel von dem großen Komponisten lernen.

7. Mai 1824. An diesem Tag feierte die 9. Symphonie von Ludwig van Beethoven im Wiener Kärtnertortheater seine Uraufführung. Das Publikum war so begeistert, dass es schon vor dem berühmten Schlusschor “Freude schöner Götter Funke” Zwischenapplaus gab. Aufgrund der vielen Jubelschreie und Vivat-Rufe musste ein Polizist sogar die Menge wieder zur Ordnung rufen. Beethoven selbst bekam von alldem nichts mit. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits völlig gehörlos. Er stand mit dem Rücken zum Publikum, beobachtete das Orchester akribisch und las die Worte der Sänger von deren Mündern ab. Eine Sängerin musste ihm am Ärmel ziehen und auf den Zwischenapplaus aufmerksam machen und ihm deuten, sich vor dem Publikum zu verbeugen. 

 

Der Jahreswechsel ist für mich traditionell eine Begegnung mit Beethoven und der Neunten. Dem Komponisten ist das gesamte Jahr 2020 gewidmet, da sich sein Geburtstag zum 250. Mal jährt. Die Wiener Symphoniker lassen aber grundsätzlich immer das alte Jahr mit Beethovens neunter Symphonie ausklingen und läuten damit auch gleich das neue ein. Ich habe die letzten Jahre fast immer als Sopran im Chor der Wiener Singakademie mitgesungen und tue es auch heuer. Ich kann mir keinen schöneren Jahreswechsel vorstellen.

Jedes Jahr, wenn die Proben zur Neunten beginnen, frage ich mich: “Wie zum Teufel hat der das gemacht? Wie kann jemand, der vollkommen gehörlos ist, so etwas vollbringen?”

Doch man muss sich gar nicht so sehr für Beethoven begeistern wie ich, um von ihm einige wichtige Dinge fürs Leben zu lernen.

Musikalische Revolution

Obwohl ihm schon zu Lebzeiten das Publik zu Füßen lag, so waren ihm manche Zeitgenossen und vor allem die Musikkritik gar nicht wohl gesonnen. Einer schrieb etwa, dass der heute so legendäre Schlusschor „monströs und geschmacklos sei“ und es Beethoven überhaupt an „ästhetischer Bildung und an Schönheitssinn fehle“.

Vor allem wurde die neunte Symphonie so derart verrissen, da Beethoven es gewagt hatte, erstmals Gesangssolisten und einen gemischten Chor in einer Symphonie einzusetzen. Eine solche wurde bis dahin als rein orchestrales Werk verstanden. Was Beethoven da gemacht hat, war musikalisch so revolutionär wie Jazz in den 20ern und Punkrock in den 80ern.

Wie jeder, der sich gegen die Normen seiner Zeit auflehnt, wurde auch Beethoven angefeindet. Und tatsächlich war er im Geiste auch ein politischer Revolutionär. Als 1789 die Bastille gestürmt wurde, war er 19 Jahre alt und war begeistert von der plötzlichen Aufbruchstimmung in Europa. Schillers “Ode an die Freude” ist während der Revolutionsjahre entstanden und würde man sie textlich herunterbrechen, so bliebe der Slogan der Revolution übrig: “Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.”

 
Tina und Ludwig

„Wie hast du das gemacht?“, frage ich ihn jedes Jahr. Ludwig schaut aber immer nur grimmig zurück.

Aufgeben? Oder lieber Geschichte schreiben?

Beethoven selbst wollte angesichts seine fortschreitenden Schwerhörigkeit schon längst aufgeben. Gerade als er als Klaviervirtuose berühmt geworden war, begann sich sein Gehör zu verschlechtern. Frustriert schrieb er damals einen Brief an seine Brüder: „Es fehlte wenig, und ich endigte selbst mein Leben – nur sie die Kunst, sie hielt mich zurück, ach es dünkte mir unmöglich, die Welt eher zu verlassen, bis ich das alles hervorgebracht, wozu ich mich aufgelegt fühlte.“

Beethoven hat Musik so sehr geliebt und konnte sie nicht aufgeben. Und als er nicht mehr Klavier- und Bratschespielen konnte, konzentrierte er sich umso mehr auf das Komponieren. Und deshalb kommen wir alle noch heute in den Genuss dieser unfassbaren Meisterwerke.

Was lernen wir also aus Beethovens Geschichte?

Es ist mitunter viel mehr möglich, als wir zu träumen wagen. Manchmal müssen wir uns nur einfach selbst überwinden. Aufgeben ist keine Option. Um Neues zu schaffen, müssen wir neue Wege begehen, alte Muster durchbrechen – auch zur Empörung unserer Zeitgenossen. Wenn Beethoven vollkommen gehörlos das Komponieren nicht aufgab – dann haben auch wir keine Ausreden. Für egal was.

In diesem Sinne wünsche ich dir einen guten Rutsch ins Beethoven-Jahr! Oder um es mit den Worten der Neunten Symphonie zu sagen: Seid umschlungen, Millionen! Diesen Kuss der ganzen Welt!

 

 

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