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Femizid wird in Italien eigener Strafbestand: Was dafür und dagegen spricht

Femizid wird in Italien eigener Strafbestand: Was dafür und dagegen spricht
In vielen lateinamerikanischen und wenigen europäischen Ländern gilt Femizid als eigener Strafbestand - nun auch in Italien. Was ändert dieses Gesetz in der Praxis und warum ist Femizid in Österreich kein eigener Strafbestand?

Italiens rechtsradikale Ministerpräsidentin Giorgia Meloni verkündete es am Vorabend des feministischen Kampftages in Rom: Ein Gesetzesentwurf der “Femizid als eigenständiges Verbrechen in unser Rechtssystem einführt” sei von der Regierung eingebracht worden. Die Verabschiedung gilt als sicher, alle Parteien im italienischen Parlament befürworten die Änderung.

Femizid ist laut Definition der südafrikanischen Soziologin Diana Russell die vorsätzliche Tötung einer Frau durch einen Mann aufgrund ihres Geschlechts. Oder anders formuliert: Männer töten Frauen, um Kontrolle über sie zu erlangen, sollten sie ihre Rechte ausüben, wie es ihnen nicht gefällt. In den meisten Ländern gibt es keine eindeutige, offizielle Definition von Femizid. 

Italien ist dabei nicht das erste Land, in dem Femizid künftig als eigener Strafbestand gilt. In allen lateinamerikanischen Staaten außer Kuba und Haiti gibt es dementsprechende Regelungen. In Europa ist das eher eine Seltenheit: Nur Zypern, Malta, Kroatien und jetzt auch Italien handhaben Femizid als eigenen Tatbestand. 

Folgen für Italien

In Italien haben künftig Femizide automatisch lebenslange Freiheitsstrafen für die Täter zur Folge. Dieser Mechanismus greift nicht bei allen anderen Tötungsdelikten. Denn diese werden “nur” mit nicht unter 21 Jahren mit der Freiheitsstrafe bestraft. Eine lebenslängliche Freiheitsstrafe kommt sonst nur bei erschwerenden Tatbeständen, wie etwa besondere Grausamkeit oder eine Verstrickung mit der Mafia, in den Einsatz. 

Generell sollen in Italien härtere Strafen für geschlechtsspezifische Gewalt verhängt und das Bewusstsein in der Justiz gestärkt werden. 

Definition fehlt 

Österreich war 2018 im EU-Vergleich bei Femiziden sogar trauriger Spitzenreiter. Warum gilt Femizid in Österreich nicht als eigener Strafbestand? Juristin und Gewaltschutz-Expertin Sophie Rendl sagt, dass es in Österreich noch nicht die notwendige und einheitliche Definition oder sogar rechtliche Regelung gebe, was genau als Femizid gilt. Die neue Regierung will zumindest das laut Regierungsprogramm ändern. Das würde allein schon die Grundlage schaffen, die Taten statistisch und in der Folge auch in der Forschung besser zu erfassen. Auch wenn gar nicht in Planung ist, dass Femizid nach österreichischem Recht ein eigener Strafbestand wird. 

Prävention statt Repression

Rendl fände die Einführung einer gesetzlichen Regelung sinnvoll: “Mit viel Prävention und Sensibilisierung für das Thema “Gewalt gegen Frauen” kann diese Regelung ganz deutlich aufzeigen, dass Femizide ein besonderes, strukturelles Problem sind, das auch besonders behandelt werden muss.” 

Prävention ist aber maßgeblich im Umgang mit Femiziden und nicht erst “wenn schon etwas passiert ist”. “Ich sehe es vor allem als politische Aufgabe, geschlechtsspezifische Rollenbilder und patriarchale Strukturen aufzubrechen”, erklärt Hofmann. Informationen über Gewaltstrukturen müssten niederschwelliger sein und schon in Schulen über eigene Rechte aufgeklärt werden.

Gerade für die ausbleibende Präventionsarbeit wird eben etwa Ministerpräsidentin Meloni in Italien auch jetzt kritisiert. Die Anwältin mit Spezialisierung auf Opfer- und Gewaltschutz Patricia Hofmann sieht die Forderung von Femizid als eigener Strafbestand auch deshalb eher kritisch: “Es liest sich gut, aber ich glaube nicht, dass diese Regelung Präventionsmaßnahmen auf irgendeine Weise ersetzt.” Stattdessen könnte man laut Hofmann darüber nachdenken, geschlechtsspezifische Motive bei Taten als Erschwerungsgrund aufzunehmen. Dies wäre dann auch bei anderen Delikten zu berücksichtigen.

Rendl fügt an: “Einfach nur zu strafen oder höher zu strafen, ohne dass wichtige Präventionsarbeit gemacht wird, finde ich schwierig.“

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