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Ungleichheit

Warum der Staat beim Wohnraum eingreifen darf

Der Markt ist nicht in Gefahr, nur weil der Staat beim Wohnraum eingreift.

Die Mieten in Österreich am freien Mietmarkt steigen. Wenn sich junge Familien in größeren Städten neu einmieten wollen, müssen sie einen wesentlich größeren Teil ihres Haushaltsbudgets für die Miete aufwenden als früher. Im Schnitt zahlten die ÖsterreicherInnen 2014 noch unter einem Drittel des Haushaltseinkommens (31%), nun liegt der Anteil schon darüber (35%). Für MieterInnen mit den niedrigen Einkommen (jede/r Vierte), ist es sogar die Hälfte des verfügbaren Haushaltseinkommens.

In ländlichen Gegenden Österreichs ist die Situation teils ähnlich – dort kommt es auf die Lage an. In Gegenden mit Grundstücksmangel wie in Tirol ist der kreditfinanzierte Kauf eines Eigenheims völlig unerschwinglich, weil die Grundstückspreise horrend gestiegen sind. Da kann sich nicht einmal mehr die obere Mittelschicht einen Bauplatz leisten, sondern nur mehr sehr reiche Familien oder Kinder von Bauern mit schon vorhandenem Grundstück.

Wohnungen sind keine Waschmaschinen

Wie kommt es dazu? Der Wohnungsmarkt kein normaler Markt ist wie jener für Äpfel oder für Waschmaschinen. Sind im Elektrofachgeschäft die Waschmaschinen ausverkauft, bestellt der Handel nach, und die Waschmaschinen-Produzenten können in relativ kurzer Zeit liefern. Ein Preisanstieg bei Waschmaschinen ist dann allenfalls kurzfristig. Das Angebot reagiert rasch auf die höhere Nachfrage. Sobald mehr produziert ist, sinkt der Preis schnell wieder ab.

Das gleiche mit Äpfeln: Gingen uns die Äpfel aus und könnten nicht vom Ausland oder aus gelagerten Beständen nachbestellt werden, so müssten wir zwar auf die nächste Ernte warten. Allzu dramatisch ist das aber nur für latent Apfelsüchtige. Denn es ist relativ einfach, von Äpfeln auf Bananen oder anderes Obst umzusteigen. Den Preisanstieg bis zur nächsten Ernte kann man so relativ leicht auslassen, das Haushaltsbudget bleibt unbelastet.

Land ist knapp

Am Wohnungs- und Mietmarkt ist das anders. Wohnungen benötigen Baugrundstücke. Doch diese, welche das „Angebot“ am Wohnungsmarkt“ darstellen, sind begrenzt – vor allem in den benötigten Lagen nahe an Ballungszentren, in denen sich die Arbeitsplätze konzentrieren. Gibt es also zu wenig Angebot an Wohnungen, werden nicht einfach einmal schnell so viele Wohnungen wie benötigt gebaut. Land ist nicht beliebig vermehrbar und zumeist schon im Besitz von einigen wenigen.

ÖkonomInnen nennen das ein „inelastisches“ Angebot, weil es nicht so einfach mit der gestiegenen Nachfrage mitziehen kann. Die Folge ist: Bei einer Knappheit an Wohnungen steigen stattdessen die Preise für Grundstücke. Höhere Verkaufspreis für Grundstücke bedeuten, dass der Bau von Wohnungen mit leistbaren Mieten generell teurer und schwieriger wird. Der Preis bleibt hoch und die Menge an neu gebauten Wohnungen, die auf den Markt kommt, reicht nicht aus, um ihn wieder hinunterzudrücken. Als Folge steigen auch die Mieten stark an.

Kein Entrinnen

Ausweichen kann man dem nicht. Wenn generell die Mietpreise steigen, sind fast alle MieterInnen über kurz oder lang betroffen. Die Möglichkeit, einfach von Äpfel zu Birnen zu wechseln, wie am Markt für Obst, gibt es am Mietmarkt nicht. Denn Wohnen muss jeder und jede.Am meisten und unmittelbarsten leiden jene, die eine neue Wohnung suchen (müssen). Personen mit befristeten Verträgen sehen die höheren Mietpreise, sobald ihr Vertrag ausläuft. Nur im sozialen Wohnbau – Gemeindebauten und Genossenschaften – ist die Bevölkerung großteils vor Mietsteigerungen geschützt. Man möchte sich gar nicht vorstellen, wie die Situation in Wien heute aussehen würde, wenn nicht so viele Menschen dort wohnen würden.

 
Sozialer Wohnbau in Österreich

Sozialer Wohnbau in Österreich – Grafik: (C)Matthias Schnetzer (@matschnetzer)

Die Erfahrung höherer Grundstückspreise machen die genossenschaftlichen Bauträger schon seit Jahren. Wie kann man noch Genossenschaftswohnungen mit günstigen Mieten pro Quadratmeter bauen, wenn der Quadratmeter Grundstück exorbitant teuer ist? In Wien wurde das bisher noch durch bereits vorhandenen Grundbesitz der Stadt abgefedert. Doch auch dieser ist mittlerweile größtenteils zur Neige gegangen. Darum kann in diesem Bereich nicht nur das privatrechtliche Profitinteresse der Wohnungseigentümer gelten, die ein Interesse daran haben, Preise und Mieten hinaufzutreiben. Dazu kommt, dass private Bauträger und Grundstückbesitzer  bei einer Knappheit am Markt fast ausschließlich für das zahlungskräftige Klientel bauen, aber nicht günstig für die, die es am meisten benötigen.

Die staatlichen Möglichkeiten

Der private Markt schafft es nur, ausreichend leistbare Wohnungen bereitzustellen, wenn es genug Grundstücke gibt. Er versagt, wenn er völlig frei bei Grundstücksknappheit agiert. Dann steigen stattdessen die Preise, Mieten, und die Obdachlosigkeit. Staatliche Eingriffe und Regulierungen sind daher notwendig, um Menschen vernünftige Wohnungen zu einem angemessenen, leistbaren Preis zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören: Großflächiger sozialer Wohnungsbau, Mietobergrenzen, Raumordnungsmaßnahmen, bis hin zur Enteignung derjenigen professionellen Immobilienkonzerne, die gezielt Mieten in die Höhe treiben wollen.

Die Marktwirtschaft an sich wird durch solche Eingriffe nicht infrage gestellt. Eine Gesellschaft ist dann am wirtschaftlich erfolgreichsten, wenn sie für jeden Bereich der Wirtschaft festlegt, ob marktwirtschaftliche oder soziale Prinzipien den Ton angeben sollen. Äpfeln oder Waschmaschinen gehören ganz deutlich in den kapitalistischen Teil der Wirtschaft, weil private Unternehmen dort besser wissen, wie und wieviel erzeugt werden soll. Bei Mietwohnungen und dem Grundstückmarkt in Ballungsräumen ist es umgekehrt.

 

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