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Ungleichheit
Kapitalismus

Was wirklich hinter Susanne Raabs Aussagen zu "Chinatown" und "Little Italy" steckt

NatsAnalyse Cover zeigt ein gezeichnetes Porträt von Natascha Strobl mit zwei Sprechblasen. In dieser Ausgabe geht es um "Dogwhistling".
In der NatsAnalyse kommentiert Natascha Strobl das politische Geschehen.

#NatsAnalyse: Natascha Strobl analysiert, was politisch gesagt wird - und wie es gemeint ist und verstanden wird.

Die österreichische Integrationsministerin Susanne Raab hat vor wenigen Tagen auf einer Pressekonferenz den Integrationsbericht vorgestellt. Dabei traf sie folgende Aussage:

Raab wolle in Österreich keine Parallelgesellschaften, die Nährboden für Gewalt seien. Sie wolle kein „Chinatown“ und kein „Little Italy“. In dieser Aussage sind mehrere Frames verpackt, die ich kurz erläutern möchte.

Gewalt wird als Herkunftsfrage gedeutet

„Parallelgesellschaften“ werden mit Gewalt gleichgesetzt.

Parallelgesellschaften sind in diesem Zusammenhang ausschließlich ethnisch und nicht sozial gemeint. Es gibt viele Parallelgesellschaften oder Subkulturen mit eigenen Schulen, eigenen Erkennungsmustern und eigener Sprache, die glauben, dass für sie eigene Gesetze gelten. Etwa für reiche Menschen. Integration bedeutet soziale Integration und das heißt, dass Privilegien, die ab einem gewissen Vermögen entstehen, weg gehören. Das meint Raab natürlich nicht.

Sie sieht Parallelgesellschaften ethnisch begründet und als Gefahr. Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger weist auf Twitter hingegen darauf hin, dass das, was Raab diffus „Parallelgesellschaften“, nennt viele positive Effekte hat. Eine Community, die einem hilft in einer neuen Stadt, einem neuen Land, einer neuen Kultur anzukommen, ist gut und gibt Halt.

Begriffe bewusst unklar lassen

Raab liefert keinerlei Spezifizierung dafür, was mit „Parallelgesellschaft“ genau gemeint ist und hält den Begriff bewusst diffus. So fällt jede Art von Community, also jedes Zusammenkommen von Menschen z.B. eines bestimmten Herkunftslandes, darunter. Das ist als sprachliche Strategie eine bewusste Begriffsverwischung, um einen Begriff umzudeuten und neu zu befüllen.

Gewalt wird – so als wäre das ganz selbstverständlich – den Parallelgesellschaften und der Integration zugeschrieben. Raab sieht die Ursachen von Gewalt in den „Parallelgesellschaften“. Das würde bedeuten, dass gut integrierte Menschen (die nicht Teil einer ominösen Parallelgesellschaft sind) weniger gewalttätig sind. Das würde auch bedeuten, dass Menschen, von denen keine Integration erwartet wird, weil Integration rein rassifiziert und ethnisch gedeutet wird, weniger gewalttätig sind.

Gewalt ist ein vielfältiges Problem

Diese eine große Ursache für Gewalt gibt es aber nicht. Es gibt sehr, sehr viele Faktoren, die dazu führen, dass Menschen gewalttätig werden: Von der Sozialisation über prekäre Lebensumstände und Medikamenten- und Alkoholkonsum bis zu autoritären Weltbildern. Es gibt viele Erklärungen, die jeweils auch miteinander agieren. Teil einer migrantischen Community zu sein, führt jedenfalls nicht notwendigerweise zu Gewalt.

„Chinatown“ und „Little Italy“ sind in dieser Aussage nur Platzhalter. Alle wissen, was eigentlich damit gemeint ist. Was es ist, das Raab nicht ausdrücklich sagen wollte, um nicht einem Rassismusvorwurf ausgesetzt zu sein. FPÖ-Chef Norbert Hofer zieht den Schleier weg und vermeldet, dass es doch überhaupt kein Problem mit „Zuwanderern aus China oder Italien“ gäbe. 

Genau die waren ja auch nicht gemeint. Raab hat „Chinatown“ und „Little Italy“ gesagt, aber „Syriatown“ und „Little Istanbul“ gemeint. Diese Strategie nennt sich Insinuation.

Etwas sagen ohne es zu sagen

Was diese Strategie bewirkt: Alle wissen was gemeint ist. Aber wenn es Empörung gibt, dann können SprecherInnen sich jedoch auf den reinen Wortlaut zurückziehen und behaupten, eine andere Deutung wäre ihnen nie in den Sinn gekommen.Sie werden aber auch nichts tun, um die Deutung zu berechtigen. Auch Raab wird das nicht tun.

In dieser Aussage ist auch ein Anti-Amerikanismus verborgen. „Little Italy“ und „Chinatown“ evozieren Bilder US-amerikanischer Großstädte – im speziellen von New York City. Raabs Aussage transportiert also auch „So wie es dort ist, so soll es hier nicht sein.“ NYC und andere Großstädte dienen nicht als Vorbild, sondern als Warnung. Raab selbst zieht sich sprachlich auf die Banlieus in Paris zurück, aber in Paris gibt es weder ein Chinatown noch ein Little Italy.

Das sind klare Codes für US-amerikanische Städte. Das ist insofern beachtlich, weil Antiamerikanismus eigentlich ein Forte der FPÖ ist. Diese hat in den 1990ern mit dem Spruch „Wien darf nicht Chicago werden“ gewahlkämpft. In beiden Fällen ist klar, dass die Städte aufgrund ihrer Multikulluturalität abgelehnt werden. Das ist interessant, da es gerade Trump ist, der diesen Kampf gegen die (demokratisch regierten) Städte führt und dabei ein Bild von Gewalt und Chaos zeichnet.

So schließt sich der Kreis. 

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