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Klimakrise

Klimakrise greift Wasser in Österreich schon jetzt an: "Es wird zu viel verbaut"

In Österreich leiden bereits jetzt Seen und Flüsse unter der Klimakrise. Um die Ressource Wasser wird zukünftig wohl mehr gestritten werden. Das sagt Thomas Hein, der Leiter des Instituts für Hydrobiologie und Gewässermanagement der Universität für Bodenkultur Wien. Und er erklärt, was dringendst getan werden muss, um diese Entwicklung einzubremsen.

MOMENT: Wie sehr leiden die österreichischen Gewässer unter der Klimakrise und seit wann sind Effekte überhaupt messbar?

Thomas Hein: Die Veränderung der Gewässer hat bereits vor 150 Jahren massiv begonnen, damals wurden zum Beispiel die Donau und andere Fließgewässer reguliert. In den letzten sechzig Jahren haben diese menschlichen Eingriffe massiv zugenommen. Die Menschen haben dabei auch gutes getan: In den 60ern und 70ern wurde aktiv durch Nährstoffanreicherungen die Verschmutzung von Seen saniert, denen geht es jetzt weitaus besser als den Flüssen und Bächen.

Was die Klimaveränderung betrifft, so sehen wir seit den 70ern einen massiven Anstieg der Lufttemperatur, der  vor allem im ostalpinen Raum stärker zu tragen kommt. Während die Durchschnittstemperatur weltweit bereits ein Grad höher ist, beträgt sie hier oft schon zwei Grad. Dieser Effekt ist im Sommer stärker als im Winter.

MOMENT: Aber wirkt sich der Temperaturanstieg in der Luft automatisch auch auf die Wassertemperatur aus?

Der Anstieg der Lufttemperatur hat natürlich auch Auswirkungen auf die Wassertemperatur. Wir sehen hier alle zehn Jahre einen Anstieg der Wasserdurchschnittstemperatur um 0,1 Grad. Derzeit liegen wir bei einem Plus von 0,8 Grad! 

Doch das ist nur ein direkter Effekt des Klimawandels. Mit dem Temperaturanstieg kommen auch indirekte Faktoren dazu, die sich nochmals negativ auf den Zustand der Gewässer auswirken.

MOMENT: Die wären?

Mit der Veränderung der Temperatur geht auch eine Änderung der Niederschlagsmuster einher. Es regnet im Sommer viel weniger. Vor allem im Südosten Österreichs, also der Steiermark und dem Burgenland. Damit werden die Flüsse und Seen weniger Wasser führen – und eine geringe Menge an Wasser erwärmt sich wiederum schneller. Im Winter vereisen die Seen und Flüsse seltener, was bedeutet, dass die Temperaturen dann im Frühjahr schneller steigen. 

Wir müssen uns darauf einstellen, dass mehr Trockenperioden zu weniger Wasser und höheren Wassertemperaturen führen. Wir werden zum Beispiel öfters sehen, dass die Schifffahrt auf der Donau aufgrund des niedrigen Wasserstandes nur sehr eingeschränkt möglich sein wird.

MOMENT: Welchen Effekt hat nun die Klimakrise auf die Fischpopulation?

Einen enormen. Auch wenn ein Plus von 0,8 Grad nach wenig klingt, so sehen wir jetzt schon, dass der Lebensraum für viele Fischarten zurückgeht. Die Bachforelle ist zum Beispiel nur sehr eingeschränkt an kaltes, sauerstoffreiches Wasser angepasst. Sie müssen jetzt weit flussaufwärts ziehen. Dort ist das Wasser noch kühler. Aber obere Flussabschnitte sind auch immer schmäler, das bedeutet weniger Lebensraum für diese Fischarten.

Nehmen wir zum Beispiel den Lunzer See in Niederösterreich: Dort hat es ziemlich exakt die beschriebene Erwärmung von durchschnittlich 0,8 Grad gegeben – und die Fischgemeinschaft hat sich komplett verändert. Früher gab es dort den Seesaibling, eine Reliktpopulation aus der Eiszeit. Die ist wie die Seeforelle fast verschwunden. Nun finden wir dort das Rotauge, die Rotfeder oder als Raubfisch den Hecht als die dominierenden Arten. Das Leben in den Seen und Flüssen wird homogener, die Artenvielfalt wird verschwinden.

MOMENT: Die Feuerwehr muss immer öfter im Sommer während Hitzewellen zu Seen und Teichen ausrücken, da die Fische mehr oder weniger im Wasser “ersticken”. Sie müssen dann Wasser mit Sauerstoff anreichern und zurückpumpen. Muss zukünftig wirklich die Feuerwehr immer öfter die Fische retten?

Hier sehen wir eine Wirkung, die spiralartig durch den Klimawandel angeheizt wird: Wasser wird weniger und wärmer. Bei höheren Temperaturen kann es weniger Sauerstoff lösen und Fische wie die Forelle sind an solche Lebensbedingungen schlecht angepasst. Dazu kommt, dass mit der steigenden Temperatur auch mehr Algenbiomasse in den Gewässern entstehen kann, wenn mehr Nährstoffe verfügbar sind. Und Bakterien verbrauchen beim Abbau der Biomasse Sauerstoff aus dem Wasser. Zudem gibt es auch Virenerkrankungen bei Fischen – und die Infektionen nehmen auch mit steigender Temperatur zu. Die Forelle ist also auch durch Krankheiten mehr gefährdet.

Es gibt mit den steigenden Temperaturen also tatsächlich immer mehr Faktoren, die Fischarten bedrohen.

MOMENT: Wir haben es aber in Österreich ebenso mit mehr Unwettern und Hochwassern zu tun. Gleichen die nicht diese niedrigen Wasserstände aus?

Bei Hochwasser gibt es auch einen negativen Effekt. Man nennt das “Browning”. Das Wasser wird braun und trüb. Bei starkem Regen tragen Abschwemmungen mehr Nährstoffe und organischen Kohlenstoff in Seen und Flüssen. Das ist quasi Futter für die Algen und die Bakterien. Und die ziehen weiter Sauerstoff aus dem Wasser und setzen dadurch Fische noch stärker unter Stress. 

Da geht es wieder um die Regulierungen: Um Überschwemmungen bei Hochwasser in Siedlungsgebieten oder von Straßen zu verhindern, wurden Flüsse verbaut. Das hatte bislang einfach Priorität. So wurden biologisch betrachtet nackte, kahle Abflussrinnen geschaffen. Und die müssten wir dringend rückbauen. Wir brauchen einerseits mehr Pflanzen am Ufer. Die beschatten Flüsse und Bäche und bremsen die Erwärmung. Anderseits brauchen Flüsse auch dringend mehr Fläche zur Verfügung, das Wasser muss sich ausbreiten können. Damit das Hochwasser nicht schnell abläuft, sondern länger in der Landschaft bleibt und auch wieder besser ins Grundwasser einsickert. Wir müssen es schaffen, dass unsere Wasserspeicher wieder besser gefüllt werden.

Eines dürfen wir nicht vergessen: Es geht nicht nur um den Schutz der Gewässer, sondern um den Schutz der Ressource Wasser an sich.

MOMENT: Geht uns denn das Wasser aus?

Nicht unbedingt, aber die Nutzungskonflikte um Wasser werden größer werden. Es wird zu viel verbaut und reguliert! Österreich ist ja leider ein Weltmeister in der Flächenversiegelung. So kommt Wasser immer schneller in Bäche und Flüsse und durch die Verbauungen fließt es dort schnell ab. Noch wird in Österreich in der Landwirtschaft nicht viel bewässert, aber das wird mit dem Klimawandel regional verstärkt nötig sein. Es schmelzen ja auch unsere natürlichen Wasserspeicher, die Gletscher, massiv ab. Und im Winter haben wir weniger Schnee und so fehlt auch das Schmelzwasser im Frühling, dass die Wasserspeicher und den Grundwasserspiegel auffüllt. Es gibt immer weniger Wasser und wir müssen es besser zurückhalten und speichern. Landwirtschaftliche Bewässerung darf dann nicht auch noch auf Kosten und Lasten der Fließgewässer gehen.

MOMENT: Wird derzeit genug rückgebaut? Tut Österreich genug, um die Gewässer gegen die Klimakrise zu wappnen?

Es wird viel diskutiert, aber eine breite Akzeptanz haben die Rückbauten noch nicht. Es wurde gut begonnen, aber dann wurden öffentliche Förderungen wieder eingestellt und so geriet alles ins Stocken. Ich hoffe sehr, dass hier aber wieder Schwung in die Sache kommt. Wir können dem Temperaturanstieg in der Luft schwer etwas entgegensetzen, aber lokal und aktiv die Situation in den Gewässern stabilisieren. Studien zeigen deutlich, dass natürliche Ufer, Tiefenbereiche in Gewässer, Ufervegetation und Beschattung die negativen Effekte des Klimawandels auf die Gewässer abfedern können.

Die Regierung zeigt hier auch gute Absichten, aber ich befürchte, dass aufgrund der Corona-Krise im Umweltschutz wieder einiges zurückgestellt wird. Aber wenn wir in den nächsten fünf Jahren keine Maßnahmen setzen, sind die negativen Effekte wie das Artensterben und damit die Verschlechterung unserer Gewässer kaum mehr zu verhindern.

 
Porträt von Thomas Hein, Hydrobiologe und Forscher der BOKU Wien.

Thomas Hein ist Leiter des Instituts für Hydrobiologie und Gewässermanagement der Universität für Bodenkultur Wien. Außerdem ist er Geschäftsführer des WasserCluster Lunz am See.

 

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