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Kapitalismus

Eine Verkäuferin erzählt: "Weihnachten ist für mich der pure Horror"

Illustration mit handgeschriebenem Titel Was ich wirklich denke
Eine Verkäuferin aus Oberösterreich erzählt uns, wie sie sich in der Adventszeit von gestressten Kunden beschimpfen lassen muss - und was sie und ihre Mitarbeiter sonst noch in der "stillen Zeit" des Jahres durchmachen müssen.

Die Verkäuferin eines Discounters aus Oberösterreich erzählt vom alljährlichen Kaufrausch zur Weihnachtszeit und was das für sie und ihre KollegInnen bedeutet.

 

Es beginnt schon im September, da kommen die ersten Weihnachtslieferungen. Ab November wird es dann immer schlimmer. Ab diesem Zeitpunkt haben wir dann auch Urlaubssperre bis Ende Dezember. In dem Geschäft, in dem ich arbeite, verkaufen wir Textilien, Deko und sonstige Geschenke. Das erste und zweite Adventswochenende gehen noch, aber das letzte und die wenigen Tage vor Weihnachten sind der pure Horror.

Leute warten bis zuletzt

Viele Kunden warten bis zur letzten Minute mit ihren Einkäufen und beschimpfen uns dann heftig, wenn einen Tag vor Weihnachten die Christbaumkugeln aus sind oder es ein Kleidungsstück nicht mehr in der gewünschten Größe gibt. Sie erwarten, dass alles bis zur letzten Minute in riesigen Mengen vorhanden ist. Wenn nicht, dann kriegen sie die Krise, weil ja eben am nächsten Tag die Bescherung ist und sie keine Geschenke haben – das dürfen wir dann ausbaden. Die oft wirklich üblen Beschimpfungen müssen wir mit einem Lächeln wegstecken und höflich darauf verweisen, dass wir eben in wenigen Stunden schließen und morgen der Heilige Abend ist. Dafür haben sie aber kein Verständnis.

Es ist normal, dass Verkäufer und Verkäuferinnen irgendwann nicht mehr können und heulend am Klo oder sonst wo sitzen.

Ein wirklich bizarres Erlebnis habe ich vergangenes Jahr hautnah mitbekommen. Da haben sich zwei Frauen wegen der letzten Rolle Geschenkpapier heftig gestritten und irgendwann sogar an den Haaren gezogen. Die eine meinte, sie hätte doch Kinder und ein Recht darauf, weil sie unbedingt noch deren Geschenke einpacken müsse. Die andere wollte aber auch nicht nachgeben. Wir Verkäuferinnen konnten die zwei einfach nicht trennen, sie haben uns nicht einmal wahrgenommen. Ich war kurz davor die Polizei zu rufen. Es hat wirklich lange gedauert, bis sie aufgehört haben.

Jedes Jahr mehr Umsatz

Auch die Zahlen bestätigen, was wir jedes Jahr ohnehin live mitbekommen – die Menschen geben immer mehr Geld zu Weihnachten aus. Vor allem für Kinder. Doch da geht es oft nur darum, mehr zu schenken, als ein anderes Familienmitglied. Das bekommen wir auch unverblümt in sämtlichen Gesprächen mit. Ich finde, dass sich Menschen mehr Zeit schenken sollten. Vor allem ihren Kindern. Die können doch diese vielen Geschenke nicht mehr wertschätzen und beginnen selbst nur noch darauf zu achten, von wem sie mehr bekommen.

Nach Weihnachten ist vor dem Schlussverkauf

Ich selbst feiere mit meiner Familie ohne großen Aufwand, nach der Bescherung liegen wir auf der Couch. Darüber bin ich sehr froh, denn ab dem 27. Dezember geht dann immer der Abverkauf los, außerdem kommen viele und wollen Geschenke umtauschen. Diese Tage sind genau so ein Horror wie jene kurz vor Weihnachten. Die Kunden werden ungeduldig, weil sie in der Schlange stehen müssen, sie regen sich auf, wenn wir ihre Größe nicht mehr lagernd haben. Auch wenn wir noch so höflich darauf hinweisen, dass wir eben gerade wegen der Feiertage keine Lieferungen bekommen haben, bleiben sie unfreundlich und klagen weiter.

Unser Arbeitgeber gibt uns zwar Gutscheine, aber diesen Stress und diesen Horror kann eigentlich niemand aufwiegen. Unser Kollektivvertrag liegt bei 1.548 Brutto. Das ist nicht die Welt. Aber abgesehen vom Geld würde ich mir wirklich mehr Respekt wünschen: Wir sind auch nur Menschen und tun unser Bestmöglichstes. Ein bisschen mehr Herzlichkeit und Freundlichkeit würden keinem weh tun.

 

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