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Ungleichheit
Demokratie
Kapitalismus

Wenn Staatsschulden Gewinne bringen, werden Zukunftsinvestitionen zur Pflicht 

Die Lage war noch nie so gut für Staatsschulden und Investitionen in Dinge, die Österreich in der Gegenwart und Zukunft dringen braucht.

Die Republik Österreich macht einen Gewinn, wenn sie sich Geld ausborgt. Wie passt das zusammen? Ist normal nicht der Schuldner derjenige, der einer Geldgeberin für die ausgeborgte Summe Zinsen überweisen muss? Zahlt man nicht immer mehr zurück, als man sich ausborgt?  

Was für Konsumkredite noch sehr wohl gilt, ist bei Staatsanleihen längst nicht mehr der Fall. Die Wirtschaft steht aktuell so schlecht da – und die Zentralbanken unterstützten sie deswegen so sehr – dass sich der Staat zu „Negativzinsen“ Geld leiht. Die AnlegerInnen bezahlen also dafür, dass sie dem Staat Geld geben dürfen. Weil Staatsleihen in Krisenzeiten die sicherste Geldanlage sind, und die Zentralbank den Wert der Anleihen de facto garantiert. Denn wer als Versicherung, Pensionsfonds oder Finanzfirma am im wild gewordenen Aktien-Roulette und Bitcoin-Kasino nicht mitspielen will, sondern eine stabile Rückzahlung des Geldes benötigt, dem bleibt nicht viel anderes übrig als sichere staatliche Anleihen. 

Österreich macht Gewinn mit seinen Staatsschulden

Alleine in diesem Jahr wird der Staat deshalb 37 Mio. Euro an den neuen Anleihen aus 2020 verdienen. Denn die sogenannte Rendite (wieviel AnlegerInnen erhalten) auf neu ausgegebene österreichische Anleihen des Bundes sank im vergangenen Jahr erstmals in den negativen Bereich.  

In den folgenden Jahren verdient er ebenso jährlich mit. Doch eigentlich ist diese Summe noch viel zu gering. Gerade für eine längere Betrachtung muss man die Inflation – die Geldentwertung – abziehen. Gibt der Staat eine Anleihe von einer Milliarde Euro aus, muss er die Milliarde am Ende der Laufzeit – beispielsweise in zwanzig Jahren – zwar wieder zurückzahlen.  

Aber die gleiche Summe ist nach zwei Jahrzehnten viel weniger Wert. Jeder, der sich im Jahr 2000 noch mit drei Euro zwei Eisbecher zum Mitnehmen leisten konnte, kennt das. Denn heute geht sich mit der gleichen Summe von drei Euro nur mehr ein Eisbecher aus. Mit Staatsanleihen sieht es ähnlich aus. Je nach Inflationsrate wird die Republik zwischen 9 und 20 Prozent des Gesamtwertes nicht mehr zurückzahlen müssen. Ein ausgezeichnetes Geschäft.  

Mehr Eisbecher kaufen?

Was bedeutet das nun? Dass der Staat seiner Bevölkerung mehr Eisbecher kaufen soll? Nein, das nicht. Denn Eisbecher bringen zwar der heutigen Bevölkerung einen Genuss, aber sie schaffen wenig Wert für die Zukunft. Solche Konsum- oder Transferausgaben können zwar sehr sinnvoll sein – etwa, wenn wir während Corona Arbeitsplätze in Unternehmen und die Einkommen der Menschen zum Überleben stützen. Aber besser wäre es, mit staatlichen Krediten bzw. Anleihen etwas Bleibendes für die Zukunft zu schaffen, damit sowohl wir als auf künftige Generationen davon profitieren können. 

Historisch befinden wir uns in einer einmaligen Situation. Die finanziellen Bedingungen für staatliche Investitionen in Bildung, Klimaschutz, Infrastruktur, und Daseinsvorsorge waren noch nie so günstig wie heute. Durch Negativzinsen und leichte, aber stetige Inflation werden volkswirtschaftlich viele öffentliche Investitionsprojekte wesentlich rentabler als noch vor einigen Jahren. Sie finanzieren sich tendenziell eher selbst und zahlen sich so mehr denn je aus.  

Wie wir zwei U-Bahn-Stationen gratis kriegen

Was heißt das konkret? Beispiel Wiener U-Bahn. Die Kosten der ersten Ausbaustufe der Wiener U-Bahn (U2/U5) belaufen sich laut der Stadt Wien auf rund EUR 2,1 Mrd. Dabei werden sechs neue Stationen samt den dazwischen liegenden Strecken gebaut. Angenommen dieser Ausbau wird durch neu ausgegebene Anleihen mit einer Laufzeit von 20 Jahren finanziert und die Inflation würde in dieser Zeitspanne im Schnitt 1 % betragen. Damit lässt sich errechnen, dass der Staat von den EUR 2,1 Mrd. nur knappe EUR 1,7 Mrd. zurückzahlen müsste. Dies entspricht den Kosten von 5 Stationen. Bei einer Inflationsrate von 2 % müsste der Staat sogar nur 4 der 6 Stationen finanzieren. Im besten Fall klebt also auf dem Wiener U-Bahn-Ausbau ein Pickerl: “U-Bahn im Sonderangebot, -33%! Selbst wenn es schlecht läuft, sind es immer noch knapp -17%. Wenn nicht jetzt die Zeit ist für einen Investitionssprint, wann dann? 

Eine staatlich angeschobene Investitionsoffensive schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Denn sie steigert unsere Lebensqualität und unsere zukünftigen Produktionsmöglichkeiten durch Investitionen wie eine U-Bahn. Außerdem braucht eine durch Corona geschwächte Wirtschaft in den kommenden Jahren aber auch staatliche Ausgaben zur Wiederbelebung. Sonst bleiben die vielen zusätzlichen Arbeitslosen zwangsweise daheim untätig sitzen, anstatt dass wir dafür sorgen, dass sie zu unserer Wirtschaft und unserem Wohlstand beitragen können.  

Der Staat muss anschieben

Schon in den letzten Jahren ist das nur schlecht gelungen. Viele Gemeinden tätigen unter Aufsicht der Länder nur mehr die notwendigen Ersatzinvestitionen, auch der Bund könnte mehr tun. Vor allem, weil mit der Alterung der Gesellschaft viele mehr Pflege- und Altersheime, anzuschaffende Rettungswägen oder Gesundheitszentren notwendig werden. Auch weil der Klimaschutz Investitionen in Infrastruktur dringend benötigt: Im Verkehr mehr Bahn, Elektrobusse sowie Straßenbahnen und weniger Autos, im Energiebereich hunderttausende Anlagen für Photovoltaik.  

Nicht alles kann der Privatsektor leisten. Der Staat muss hier als Vorreiter selbst anführen, der breiten Masse an Unternehmen und Haushalten mit dem Zuckerbrot helfen, und die säumigen Nachzügler mit der Peitsche verpflichten. Dann kann die Bekämpfung des der Klimaerhitzung gelingen. Voraussetzung aber ist, dass ein öffentlicher Investitionsfonds gegründet wird. Er könnte die Investitionsschwäche der vergangenen Jahre überwinden und einen Sprint durch öffentliche Investitionen auf der Laufbahn Richtung Zukunft hinlegen. 

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