Wer ist Karol Nawrocki?

Nawrocki ist ein politischer Quereinsteiger ohne politische Vorerfahrung. Vor seinem Einstieg in die Politik war er Historiker und Leiter des Instituts für Nationales Gedenken (IPN). Währenddessen war er bereits für seine konservative und dementsprechend politisierte Geschichtspolitik bekannt.
Nun trat er für die rechtsnationalistische Partei “Recht und Gerechtigkeit” – PiS bei der Präsidentschaftswahl an und gewann ein knappes Rennen gegen den liberalen Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski.
Wofür steht Karol Nawrocki politisch?
Nawrocki steht für eine nationalistische, konservative und EU-skeptische Politik. Er betont traditionelle katholische Werte, ist gegen das Recht auf Abtreibung und die Einführung von eingetragenen Lebenspartnerschaften für LGBTQI+ Paare und fordert eine restriktivere Migrationspolitik.
Der Historiker und Polen-Experte Timothy Garton Ash beschreibt Nawrocki als einen „42-jährigen, nationalistischen Historiker und historischen Propagandisten mit praktisch keiner internationalen Erfahrung und einer extrem dubiosen Vergangenheit als junger Mann“. Im Lauf der Präsidentschaftskampagne wurde bekannt, dass er früher an Hooligan-Schlägereien teilgenommen hat.
Was bedeutet Nawrockis Sieg für die polnische Politik?
Karol Nawrocki ersetzt den ebenfalls der PiS entstammenden Andrzej Duda. Dieser muss im August nach zwei Amtszeiten als polnischer Präsident zurücktreten. Die politische Situation in Polen bleibt daher angespannt. Denn die Regierung unter Premierminister Donald Tusk verfolgt im Gegensatz zu Duda und Nawrocki einen pro-europäischen und liberaleren Kurs.
Seit Dezember 2023 ist Tusks Amtszeit als Premierminister neben Streitigkeiten in der Koalition durch den ideologisch gegnerischen Präsidenten von Schwierigkeiten geprägt – und das wird mit Nawrocki im Amt auch weiterhin so bleiben. Der Präsident hat in Polen nämlich einige bedeutende Befugnisse. Darunter das Ernennen von politischen Ämtern und ein Veto-Recht bei Gesetzen. Damit hat der Präsident Einfluss auf die Außen- und Verteidigungspolitik sowie die entscheidende Macht, neue Gesetze zu blockieren – denn das Vetorecht kann nur mit einer 60-%-Mehrheit im Parlament aufgehoben werden und über die verfügt Tusks Regierung nicht.
Alle geplanten Reformen unter Tusk wurden bereits durch Duda oder Unstimmigkeiten in der eigenen Koalition blockiert. Darunter eine Justizreform, welche die Justiz wieder unabhängiger gestalten sollte, nachdem diese unter der vorherigen PiS-Regierung stark politisiert wurde. Auch das Recht auf Abtreibungen in Polen konnte nicht umgesetzt werden – der Beschluss scheiterte bereits im Parlament. Duda kündigte jedoch vorab an, ein Veto einzulegen, sollte die Rücknahme des fast vollständigen Abtreibungsverbots beschlossen werden. Unter Nawrocki ist Ähnliches zu erwarten.
Was bedeutet die polnische Wahl für die EU und internationale Politik?
Polen spielt in der EU und der NATO eine wichtige Rolle. Es ist mit knapp 37 Millionen Einwohner:innen das fünftgrößte Land der EU. Während sich die Tusk-Regierung um eine stärkere Integration Polens in die EU und die Freigabe von Fördermitteln bemüht, vertritt der designierte Präsident Nawrocki eine offen EU-skeptische Haltung.
Er betont die “polnische Souveränität”, eine konservative Werteordnung und kritisiert Brüssel für vermeintliche “Einmischung” in innere Angelegenheiten – etwa bei den Justizreformen oder Minderheitenrechten. Sollte Nawrocki als Präsident die Reformen weiterhin blockieren verschlechtert sich nicht nur die Beziehungen zwischen Polen und der EU weiter – es hätte auch wirtschaftliche Konsequenzen: Mehrere Milliarden Euro aus EU-Fonds, die an Justizreformen gebunden sind, könnten weiterhin eingefroren bleiben.
Polen ist außerdem ein zentraler Akteur an der östlichen Außengrenze der EU und ein wichtiger Unterstützer des Nachbarlandes Ukraine. In diesem Punkt waren sich Duda und Tusk zumindest einig – das könnte sich allerdings mit Nawrocki als Präsident ändern. Zwar spricht sich der designierte Präsident weiterhin für eine Unterstützung der benachbarten Ukraine aus – diese Unterstützung könnte künftig aber an Bedingungen geknüpft werden.