print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Ungleichheit

Wie man Rechtsextreme interviewt

NatsAnalyse Cover zeigt ein gezeichnetes Porträt von Natascha Strobl mit zwei Sprechblasen. In dieser Ausgabe geht es um "Dogwhistling".
In der NatsAnalyse kommentiert Natascha Strobl das politische Geschehen.

Es gibt eine sehr kurze und eine etwas längere Antwort darauf. 

Die kurze Antwort: Gar nicht.

 

Die lange Antwort: Wenn man denn schon unbedingt muss, dann gibt es vier wichtige Punkte, die zu beachten sind.

1. Stärke nicht das „Reiz des Badboy“-Motiv

Rechtsextreme sehen sich gerne als kontroverse Badboys (weit weniger oft -girls), die mit dem verstaubten Politiksystem jetzt so richtig aufräumen. Aber hält dieses Image der Realität Stand? Sind das nicht viel mehr mittelalte, spießige und wohlsituierte Männer, die in ihrem ganzen Leben noch nicht ansatzweise in die Nähe von Rebellion oder Auflehnung gekommen sind? Dann sollte man sie auch nicht jetzt in ihren autoritären Ansätzen zu den rebellischen Badboys der Politik adeln.

Also soll man so ein Interview bitte nicht so inszenieren als würde man als Erster überhaupt, unerlaubterweise (aber oh so aufregend) mit James Dean am Motorrad mitfahren. Verkaufsargumente wie „Wir trauen uns“, „Keiner hat bisher“ oder „Exklusiv, wir haben gewagt“ dienen der eigenen Selbstbesoffenheit genauso wie der Inszenierung der Rechtsextremen, tragen aber nichts zur einer sinnvollen Auseinandersetzung bei.

2. Vorbereitung, Vorbereitung, Vorbereitung

Das ist kein flockiges Gespräch über dies und das. Das mag mit PolitikerInnen anderer Parteien (längst nicht mit allen) möglich sein – nicht aber mit Rechtsextremen. Die haben eine enge Agenda und die wollen sie anbringen. Eine minutiöse Vorbereitung ist sehr wichtig, wenn man nicht in die Falle tappen will, dass man wieder nur über Migration, Flucht, Islam mit ihnen spricht. Was sagt der Interviewte zu Pensionen? Wie steht er zu Klimaschutz? Was sind die Argumente? Decken sich diese Aussagen mit ExpertInnen-Meinungen? Gibt es eine kohärente Linie dazu in der Partei? Auf jedes Ausweichmanöver muss es eine entsprechende Nachfrage geben, die durch Wissen und Vorbereitung untermauert ist. 

3. Erkenne die Strategien

Nicht nur die Inhalte sind relevant, sondern auch die Strategien. Rechtsextreme wenden ein Arsenal an rhetorischen Strategien an, um den demokratischen Diskurs zu (zer)stören. Das fängt bei Wortneuschöpfungen wie „Teddy-Bären-Werfer“ oder „Asylforderer“ an und geht über perfide NLP-Manöver bis zu autoritären Sprachbildern und falschen Äquivalenzen. Es ist sehr schwierig das alles zu durchblicken und live zu dechiffrieren. Einen Überblick sollte man sich deshalb schon vorher verschaffen. Wenn diese Strategien zur Anwendung kommen, ist es wichtig, sie offenzulegen und dem Publikum zu erklären, was hier gerade versucht wird.

4. Kein Raum für Selbstinszenierung

Weder die Bilder noch das Gesagte sollten Raum für Selbstinszenierung geben. Das heißt, dass man als JournalistIn keinesfalls die Macht über die Bilder aus der Hand geben sollte. Weder bei Fernsehbeiträgen, aber auch nicht bei Print- oder Online-Interviews. Spaziergänge im Wald, Bilder im Herrgotts-Winkerl und Einspieler beim Ziegenmelken sind inszenierte Realität und haben in einem kritischen Interview nichts zu suchen. Schon gar nicht, wenn die Idee nicht aus der Redaktion kommt, sondern Bedingung des zu Interviewenden war.

Das sind die grundsätzlichen vier Punkte, an denen Interviews mit Rechtsextremen, wenn sie denn schon geführt werden müssen, gemessen werden. Auch als LeserIn kann ich sie als Parameter anlegen und prüfen, wie ernsthaft und mit welcher Herangehensweise so ein Interview geführt wurde. Geht es lediglich darum, einen Aufreger zu produzieren, was sowohl dem Journalist/der Journalistin als auch dem Rechtsextremen hilft? Oder geht es um Erkenntnisgewinn, was eigentlich die ureigenste Aufgabe des Journalismus ist? 

 

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 0 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag!