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Arbeitswelt

Wie Rechte politische GegnerInnen vom Wählen abhalten wollen

Illustration von Nats Analyse.
NatsAnalyse: "Demobilisierung von rechts" anhand von zwei aktuellen Beispiel aus den USA und Österreich.

Wahlkämpfe sind im besten Fall dazu da, das eigene Programm und die eigenen KandidatInnen zu präsentieren. In der besten aller Welten lesen die WählerInnen sich das alles durch und entscheiden dann auf Basis ihrer Interessen und Bedürfnisse. 

Die tatsächlichen Verhältnisse … ? Sie sind nicht so.

Es geht im Wahlkampf nicht nur darum, dass viele Leute die eigenen Positionen gut und richtig finden. Sie müssen auch tatsächlich wählen gehen. Man muss sie also „mobilisieren“ wie es so schön in der Fachsprache heißt. 

Mobilisierungsstrategien gibt es viele: etwa das „Jetzt aber wirklich! Es wird eine ganz knappe Entscheidungswahl!“, wie es die SPÖ in Wien immer wieder nutzt. Oder das nimmermüde „Sie wollen nicht, dass ER ganz oben steht und sind hinter ihm her“, wie es etwa die ÖVP unter Kurz anwendet. 

Es geht bei Mobilisierungen am Ende um emotionale Gründe, zur Wahl zu gehen. Es ist daran nichts Anrüchiges. Jede Partei probiert das. Politik funktioniert eben nicht nur über brav ausgearbeitete und abgestimmte Textwüsten, sondern über die Emotionen dahinter.

„Bitte geht nicht zur Wahl!“

Nun gibt es aber nicht nur die „Mobilisierung“, sondern auch ihre böse Schwester, die „Demobilisierung“: Manche Menschen will man vom Wählen abbringen. Demobilisieren möchte man – nona – vor allem die WählerInnen der anderen Parteien. 

Öffentlich zugeben würde natürlich niemand. Es ist doch eher zumindest ein Graubereich davon, was gemeinhin als „anständiges und sauberes“ Wahlkämpfen gilt. Aber gerade die radikalisierten, konservativen Parteien jenseits und diesseits des Atlantiks arbeiten damit. Mit unterschiedlichen Intensitäten und Erfolgen, aber die Strategien dahinter sind dieselben.

Beispiel 1: Sperrstunden in Wien

ÖVP Wien-Spitzenkandidat (und nebenberuflich Finanzminister von Österreich) Gernot Blümel plädiert seit Tagen dafür die Sperrstunden in der Gastronomie nach vorne zu verlegen. Das taten davor tatsächlich die drei ÖVP-geführten Bundesländer Tirol, Vorarlberg und Salzburg

Was kann das denn nun bringen? Die SPÖ gerät als Bürgermeister-Partei in eine Situation, in der sie nur verlieren kann. Schiebt sie als verantwortliche Partei der Stadt die Sperrstunde nach vorne, so würde sie nur den ÖVP-Ländern und Blümel nachdackeln. Die Maßnahme ist außerdem nicht populär und würde für schlechte Stimmung in der Stadt sorgen. Belässt die Stadt die Sperrstunde, wie sie ist, dann wird der SPÖ die Schuld an steigenden Infektionszahlen zugeschoben. 

In dieser Schere sollen nicht neue WählerInnen für die ÖVP gewonnen, sondern unsichere WählerInnen vom SPÖ Wählen abgehalten werden.

Dass eine allgemeine Gastro-Sperrstunde überhaupt wirklich einen Unterschied für die Zahlen macht, ist nicht einmal bewiesen (dem Virus ist die Zeit egal, für seine Verbreitung geht es um die Art der physischen Kontakte). Das heißt, es geht um gefühlte Wahrheiten. 

Beispiel 2: Die furchtbarste Debatte aller Zeiten

Alle Adjektive, die ich für Donald Trump verwenden könnte, wurden schon unzählige Male genannt. Wir wissen wie er agiert. Er hat trotzdem Zustimmungsraten um die 40%. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch traf Trump nun zum ersten Mal auf seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden. 

Übrig geblieben ist eine entsetzte Stimmung über ein kaum anzuschauendes Fernsehduell. Viele Medien strichen Bidens „Shut up, man“ heraus, um hier den Beleg zu liefern, wie unterirdisch es verlaufen ist. 

Nur: Genau das war wohl Trumps Strategie. Biden wirbt ja mit Versprechungen wie „Anstand“, „Normalität“ und „die Seele Amerikas wiederherstellen“. Also alles, was Trump nicht verkörpert. Eine Schlammschlacht passt da nicht dazu. Für Trump gilt: Wenn du jemanden nicht schlagen kannst, dann zieh ihn mit dir runter. So gab es keinen Austausch über Politikmaßnahmen, sondern er verursachte ein unmoderierbares Chaos von Anwürfen, Beschimpfungen und Unterbrechungen. Dinge, die man von Trump gewohnt ist und die seine KernwählerInnen nicht stören – manche sogar ansprechen.

Das Resultat ist, dass Biden nun dem Anschein nach ebenso in diesem hässlichen Politiksumpf drinnen steckt. Das finden dessen (potenziellen) WählerInnen natürlich nicht gut. Selbst, wenn Trump damit niemanden von sich neu überzeugt hat, so war seine Strategie, dass sich möglichst viele Biden-SympathisantInnen frustrieren lassen. 

Es ist im Übrigen nicht nur ein „Medienversagen“ oder gar ein Problem der WählerInnen, dass das wirkt. Es ist auch ein Versagen der Biden-Kampagne, die das längst hätte kommen sehen und sich gute und unerwartete Gegenmaßen überlegen hätte müssen. 

Im Entsetzen stehen bleiben ist zu wenig.

 

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