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Das Urteil sei erlaubt: Innsbruck ist schön. Innsbruck ist aber auch die teuerste Großstadt Österreichs. Und wie viele alpine Städte mit begrenztem Raum ist Innsbruck ein Versprechen, das sich nicht mehr für alle erfüllt. In den beliebten Gründerzeitvierteln und neuen Stadtquartieren zugleich zeigen sich die Risse in der Stadtentwicklung der letzten Jahrzehnte.
Die Mischung machts: Geschichte und Landschaft bremsten den gemeinnützigen Wohnbau vergleichsweise stark aus, dazu zieht es relativ viele Studierende in die Stadt – und dort gibt es einen auffälligen Leerstand. All das verknappt den Wohnungsmarkt und sorgt auch für soziale Spannungen.
Die nackten Zahlen lesen sich dramatisch: Auf etwas mehr als 132.000 Einwohner:innen mit Hauptwohnsitz kommen in Innsbruck knapp 80.000 Wohnungen. Gleichzeitig studieren an Innsbrucks Universitäten und Fachhochschulen mehr als 36.000 Menschen – viele davon mit Nebenwohnsitz in der Stadt.
Luca hat die Suche nach einer Wohnung als „ziemlich überwältigend“ erlebt. Dabei war er als Student eh noch recht flexibel. Die enorme Nachfrage nach Wohnraum wird gerade in der Gruppe häufig in Form von WGs gestillt. „WG-Zimmer waren auf Anhieb um die Hälfte günstiger als die kleinsten Garçonnièren“, erzählt Luca, der nach einem Studium im Ausland wieder nach Tirol zurückgekehrt ist. Für ihn bedeutet das: Kompromiss bei der Privatsphäre, dafür ein Zimmer, das halbwegs leistbar bleibt.
Die hohen Mietpreise am freien Markt treffen auf einen kleinen leistbaren Wohnungsmarkt: Die Stadt spricht selbst von rund 17.500 sogenannten „Stadtwohnungen“ — dem Pool aus städtischen und gemeinnützigen Einheiten, die für leistbares Wohnen vorgesehen sind. Das entspricht nur etwa 20 Prozent des gesamten Wohnbestands. Zum Vergleich: In Wien leben rund zwei Drittel der Bevölkerung in geförderten Wohnungen.
Das soziale Gegengewicht, das in Wien spürbar wirkt, ist in Innsbruck also kaum vorhanden. Jahrzehntelang wurden von der Tiroler Landeshauptstadt zu wenige Bauflächen im ohnehin begrenzten Raum für geförderten Wohnbau reserviert, weshalb ein großer Teil aller Mieter:innen dauerhaft am Privatmarkt ausharrt.
Und doch stehen Wohnungen leer. Das Leerstandsmonitoring der Stadt listete zuletzt über 3.800 Wohnungen, die seit mindestens sechs Monaten weder Haupt- noch Nebenwohnsitz hatten. Ein Großteil dieser Wohnungen ist bereits länger als ein Jahr ungenutzt. „In einer Stadt mit so viel Nachfrage darf Wohnraum nicht ungenutzt bleiben“, findet Luca.
Zwar hat die Stadt eine Leerstandsabgabe eingeführt, doch zahlreiche Ausnahmen und bürokratische Schlupflöcher verhindern bislang, dass leerstehende Wohnungen konsequent wieder auf den Markt kommen. Nur 319 Erklärungen gingen für 2024 bei der Stadt ein. Praktisch alle beriefen sich auf eine Ausnahme. Lediglich 68 Mal wurde tatsächlich eine Abgabe geleistet. Das ist nicht gut genug. Auch die Stadtpolitik sieht das. Sie will bei den nicht-erklärten Leerständen selbstständig und genauer hinsehen und hofft auch auf gesetzliche Verschärfungen des Landes Tirol.
Auch jene, die eine geförderte Wohnung ergattern, kommen nicht ohne Abstriche davon. Für kürzere Wege entschied sich die Familie von Elena für eine zentrale Wohnung, nahm dafür aber Lärm in der Nachbarschaft in Kauf. „Man hat auf den Standort einer Sozialwohnung nur sehr bedingt Einfluss“, sagt Elena — die Alternative wären aber noch längere Wartezeiten gewesen.
Elena lebt mit ihrem Partner und Kind in der Wohnung: „Wir sind froh, dass wir eine Sozialwohnung haben, weil es auf dem freien Markt für eine Familie fast unmöglich gewesen wäre, etwas Passendes zu finden.“ Doch selbst hier bleibt die Belastung hoch: Ein großer Teil des Haushaltseinkommens geht für Miete und Nebenkosten drauf. „Wir kommen zwar zurecht, aber nur, indem wir an vielen anderen Stellen stark einsparen“, sagt sie.
Sie findet, auch Neubauten im sozialen Wohnbau müssten deutlich günstiger sein als der freie Markt, sonst verfehle dieses Modell seinen Zweck.
Gemeinnützige Bauträger wie Neue Heimat Tirol oder die Immobilienbestände der Stadt selbst liefern Neubau, doch die Kapazitäten reichen nicht aus, um die Nachfrage zu dämpfen. Zusätzlich bremsen hohe Baukosten, Zinsen und regulatorische Vorgaben.
Die Stadtregierung mit der Liste “JA” von Bürgermeister Johannes Anzengruber, Grüne und SPÖ versucht gegenzusteuern. Zwischen 2024 und 2030 gilt ein „Zukunftsvertrag“, der stärkere Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Bauträgern und Nachverdichtung in allen Stadtteilen vorsieht. Außerdem wurden 2024 neue Vergaberichtlinien für Stadtwohnungen beschlossen. All das sind Schritte, aber noch zu wenig für eine Wende.
Innsbruck steht exemplarisch für eine Entwicklung, die grundlegend auch andere Städte Österreichs betrifft. Praktisch überall steigen die Wohn- und insbesondere Mietkosten schneller als die Einkommen. Besonders stark trifft es junge Menschen, Familien mit mittlerem Einkommen und Beschäftigte in systemrelevanten Berufen.
Die Besonderheit Innsbrucks sind touristische Attraktivität, hohe Studierendenzahlen und eine vergleichsweise kleine gemeinnützige Wohnungswirtschaft. Das macht die Probleme hier größer und auf drastischere Art sichtbar. Der Trend ist jedoch österreichweit ähnlich: Wenn Städte den gemeinnützigen und öffentlichen Wohnbau nicht massiv ausbauen und Leerstand endlich wirksam bekämpfen, wird die soziale Frage beim Wohnen immer größer.
Elena fasst es für sich zusammen. Wohnen sei Grundrecht, nicht Luxus. So müsse es auch behandelt werden. “Wir wollen nicht im Luxus leben, sondern einfach eine Wohnung, die man sich leisten kann, ohne dass man ständig das Gefühl hat, nur für die Miete zu arbeiten.”