Demokratie

Vermeintliches Zigarettenverbot der EU: Das steckt wirklich dahinter

Geht es nach österreichischen Boulevardzeitungen, will die EU ein Zigarettenverbot umsetzen. Das sorgt für viel Empörung, stimmt aber nicht. Was steckt hinter dem angeblichen Verbot?

Gegen zwei Feindbilder mit einem Thema schreiben - das ist für die “Krone” eine Gelegenheit, die sie sich selten nehmen lässt. So auch nicht beim vermeintlichen Zigarettenverbot: Das sei auf dem Mist der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gewachsen, die EU-Kommission habe es übernommen und wolle es jetzt den Bürger:innen aufzwingen.

Ende September berichtet die Krone darüber, dass die WHO die Zahl der Trafiken verringern wolle. Anfang Oktober steht für sie fest: “EU-Kommission für Verbot von Zigarettenfiltern!”, am 12. November sieht sie das Verbot von Zigarettenfiltern immer noch als “Zündstoff”. “Heute” und “oe24” berichten ähnlich aufgeregt über das Vorhaben.

Will uns die EU jetzt also sogar die Tschick wegnehmen? Wer den österreichischen Boulevard und sein Verhältnis zur EU kennt, weiß: Bei so viel Aufregung steckt meistens mehr Motiv dahinter - aber weniger Wahrheit.


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Will die EU Zigaretten verbieten?

Nein. Die EU-Kommission hat auf Nachfrage klargemacht, dass kein Verbot geplant ist.

Will die WHO ein Zigarettenverbot?

Die Weltgesundheitsorganisation wünscht sich eine “zigarettenfreie Generation”. Alles andere wäre für eine Gesundheitsorganisation auch absurd. Alleine in Österreich sterben täglich etwa 35 Menschen an den Folgen von Tabakkonsum.

Die WHO setzt sich für Maßnahmen dagegen ein, hat aber keinen direkten Einfluss auf die Herstellung, den Verkauf oder den Konsum von Zigaretten. Sie ist eher wie ein Arzt, der dazu rät, mit dem Rauchen aufzuhören.

Es gibt ein “Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs”. Der völkerrechtliche Vertrag wurde 2003 bei der Weltgesundheitsversammlung angenommen. Auch EU und Österreich haben ihn unterzeichnet. Darin einigte man sich auf verpflichtende Maßnahmen wie der Kampf gegen Passivrauchen, strengere Regulierung von Inhaltsstoffen und ein Verbot von Tabakwerbung. Wenn man sich nicht an diese “Verpflichtung” hält, passiert: praktisch nichts.

Ab 17. November findet die WHO Konferenz (“COP11”) statt, bei der die unterzeichneten Staaten über Maßnahmen diskutieren.

Will die EU ein Verbot von Zigarettenfiltern?

Die EU-Kommission steht einem Verbot von Zigarettenfilter zumindest nicht negativ gegenüber - und genau das hat zur Aufregung der Boulevardmedien geführt.

Vor der COP11 hat die Kommission in einer Arbeitsgruppe ein Positionspapier erarbeiten lassen. Darin werden auch Vorschläge der WHO kommentiert, die unter anderem ein Verbot von Zigarettenfiltern will. In dem Arbeitspapier wird das “zur Kenntnis genommen” und nicht grundsätzlich abgelehnt. Auch Österreich “begrüßt den ausgewogenen Vorschlag für die gemeinsame Position”, was sich aber nur auf das allgemeine Positionspapier bezieht.

Nur: Von so einem Arbeitspapier ist es ein sehr weiter Weg zu jedem Gesetz - insbesondere zu einem möglichen Verbot. Noch dazu, wo das bereits von mehreren Ländern abgelehnt wurde.

Speziell in finanziell angespannten Zeiten wie diesen werden sich die Mitgliedsstaaten die Einnahmen aus Tabaksteuern vermutlich nicht nehmen lassen. Die Tabakindustrie befürchtet jedoch, dass die zustimmende Position der Kommission ein erster Schritt in Richtung Verbot sein könnte. Die Krone und andere Boulevardzeitungen haben daraus gleich ein fix geplantes Verbot gemacht.

Was ist das Problem mit Zigarettenfiltern?

Für die WHO sind Zigarettenfilter irreführend, da sie ein niedrigeres Risiko vortäuschen. Das ist grob gesagt aber ein ziemlicher Werbegag.

Diese Filter wurden in den 1950er-Jahren eingeführt, da der Zusammenhang zwischen Zigaretten und Lungenkrebs langsam der breiten Öffentlichkeit immer deutlicher wurde. Die Tabakindustrie reagierte mit einer Maßnahme, die das Rauchen “gesünder” wirken lassen sollte. Tatsächlich verringern Zigarettenfilter die Aufnahme von schädlichen Stoffen nur minimal und verleiten Raucher:innen zum stärkeren Inhalieren. Das bringt die verbleibenden Gifte wiederum tiefer in die Lunge. Das Verbot von Filtern würde Rauchen hingegen weniger attraktiv machen.

Auch der Umwelt schaden Zigarettenfilter. Sie sind das häufigste Abfallprodukt weltweit und hinterlassen Mikroplastik sowie darin gesammelte Schadstoffe. Die landen wiederum in der Natur und führen dort zu mehr Schäden als bisher gedacht.

Warum kritisiert die Krone die EU immer wieder mit Falschinformationen?

Kurz gesagt: Weil sich die Menschen in Österreich gerne über die EU aufregen - und sich diese Aufregung gut verkauft.

Beim EU-Beitritt Österreichs sprach sich die Krone noch klar für die EU aus. In den Jahren darauf drehte sich der Wind. Eine Studie von 2008 kam zum Schluss, dass die Krone die EU nicht nur negativ darstellt, sondern die Berichterstattung auch stark zu einem negativen Bild der EU bei den Leser:innen beiträgt.

Mit diesem Kurs hat die Krone auch den Aufstieg der FPÖ begünstigt. Die war sehr lange ebenfalls für einen Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft, springt heute aber gerne auf EU-Kritik auf - egal ob sie gerechtfertigt ist oder nicht. Auch beim aktuellen Thema hat sich die Partei bereits zu Wort gemeldet und warnt vor einer vermeintlichen “Bevormundung aus Brüssel”.

Boulevardmedien und FPÖ agieren auch bei diesen Kampagnen gerne und regelmäßig im Gleichschritt. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit gab es Anfang des Sommers. Da hat die Kronen Zeitung etwa in mehreren Artikeln gegen vermeintlich skandalöse EU-Gelder für NGOs angeschrieben. Wie solche Kampagnen über ein Jahr hinweg aussehen, haben sich unsere Kolleg:innen von kobuk für 2018 angesehen.


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