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Ungleichheit
Fortschritt

Zu viel Pride Month? Das steckt hinter diesem Spin.

Konservative und Rechte behaupten, es gibt "zu viel Pride Month". Was steckt hinter diesem Spin? Das erklärt dir Politologin Natascha Strobl in einer neuen Ausgabe #NatsAnalyse.

 

 

Zu viel Pride Month?

Haben wir für die Akzeptanz und Rechte von LGBTIQ-Gruppen schon alles erreicht? Sollen die jetzt endlich mal still sein? Konservative und Rechte behaupten: ja, es reicht langsam. Das ist nichts als ein gemeiner Dreh.

Juni ist zum Pride Month geworden. Das ist sehr gut so. Aus konservativen Zeitungen tönt dazu ein Widerspruch. Der Spin lautet:  Natürlich sei man gegen Diskriminierung. Aber die gebe es ja auch gar nicht mehr. Deshalb nervt das Feiern des Pride Months. Der sei nun quasi ein Höherstellen von Homosexualität gegenüber Heterosexualität.

Das ist schon sehr perfide. Da wird in einer der größten Zeitungen des Landes gemunkelt, „Homosexuelle“ (für andere queere Personen reicht offenbar der Denkhorizont nicht) würden sich zu Fleiß über Heterosexuelle stellen. Das sei das, was die Pride nun in Wahrheit aussagen möchte. Hier kommen gleich mehrere Strategien zusammen.

Zum Einen ist es ein Banalisieren und Relativieren. Es ist doch ganz „normal“, was muss man da noch groß drüber reden? Und das in einem Land, in dem zum Beispiel die Ehe für alle erst seit 2019 gilt. Und die dabei gar nicht von der Politik und demokratischen Mehrheiten beschlossen wurde, sondern vom Verfassungsgerichtshof durchgesetzt werden musste. In einem Land, wo sich eine Regierungspartei davor sogar partout geweigert hat, die eingetragene Partnerschaft am Standesamt zuzulassen. Das war erst mit 1. April 2017 möglich. 

Die liberale Gesellschaft, die hier so selbstverständlich angerufen wird, stand und steht einer tief reaktionären politischen Praxis gegenüber. Das Blutspende-Verbot für schwule Männer und trans Personen ist sogar noch in Kraft und soll erst im Herbst fallen. (Und das, obwohl Blutkonserven dringend benötigt werden – geht bitte Blut spenden!)

Warum ist der Pride Month immer noch wichtig?

Es kann keine Rede sein von einer langen und gefestigten anti-diskriminierenden politischen Praxis für LGBTIQ-Personen. Der Verweis, man möge Diskriminierungen, falls sie denn noch bestehen, diskret und ohne Aufhebens beseitigen, klingt da wie Hohn. Jeder einzelne politische Meilenstein wurde lange und hart erkämpft und war mit viel Aufmerksamkeitsarbeit verbunden. Alle diskriminierten und ausgebeuteten Gruppen wissen das: Geschenkt bekommt man nichts. Dazu kommen immer wieder Angriffe und Einschüchterungen gegen einzelne Personen oder queere Menschen als Gruppe an sich.

Auch hier ist es ein Hohn, dass die konservative Chefredakteurin der Zeitung süffisant auf „religiös geprägte Kulturen“ verweist, die „zuziehen“. Das ist mittlerweile ein beliebter Dreh: Man sei selbst so tolerant, aber das Böse käme von woanders her. Das größte Spektakel aus ihren antifeministischen und anti-queeren Positionen macht aber immer noch die hiesige religiöse Rechte. Sie ist es, die provokante Gegenveranstaltungen zur Pride macht oder mit Anti-Abtreibungsrechts-Märschen durch die Innenstadt zieht. Immer auch prominent besucht von Abgeordneten und Funktionär:innen zumindest zweier im Parlament vertretener Parteien.

In dieser Relativierung und Ablenkung werden Opfer zu Täter:innen gemacht. Warum braucht es denn überhaupt noch eine Pride? Kann man das nicht sein lassen? Ist doch eh alles super. Nein, eben nicht. Und da muss man noch gar nicht in die USA sehen, wo nun in manchen Staaten wieder Gesetze gegen das Sprechen über LGBTIQ-Identitäten beschlossen werden. 

Anfang Juni sabotierten Rechtsextreme auch in Österreich eine Veranstaltung der Büchereien Wien. Es war eine Kinderbuchlesung einer Drag Queen. Das zeigt, wie hoch das Aggressionspotential gegen queere und feministische Veranstaltung ist. Das zeigt auch, wie sehr diese Gruppen für den Kulturkampf der extremen Rechten missbraucht werden.

Solange das so ist, solange braucht es eine Pride. So lange ist eine Pride kein Marketing-Event für ein paar Unternehmen, auch wenn die das gerne vereinnahmen würden. Nein, solange und vielleicht darüber hinaus ist die Pride ein politisches Bekenntnis. Für eine Gesellschaft fernab starrer heterosexueller Normen, die viel zu lang als einzige Normalität akzeptiert wurden – und von vielen immer noch wird. Vor allem auch denen, die sich schon angegriffen fühlen, wenn ein paar Wochen im Jahr andere normale Lebensweisen die Aufmerksamkeit bekommen.

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