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Ungleichheit
Kapitalismus

Befristet wohnen – wie unsichere Mietverhältnisse zum Normalfall werden

Befristet wohnen – wie unsichere Mietverhältnisse zum Normalfall werden
Befristete Mieten bedeuten unsichere Wohnverhältnisse
Wo und für wen Wohnen in Österreich besonders unsicher ist. Unser neuer Befristungs-Monitor zeigt es dir.

Beinahe jede zweite Wohnung in Österreich wird derzeit nur mehr befristet vermietet. Befristungen sind kein Randphänomen mehr, sondern ein strukturelles Problem am österreichischen Mietmarkt. In jenen Städten, wo die Mieten ohnehin schon am höchsten sind, ist der Anteil sogar deutlich größer. 

Das zeigt die Auswertung zehntausender Online-Inserate durch das Momentum Institut.  Mit dem neuen Wohnungs-Befristungs-Monitor gibt es erstmals einen laufend aktualisierten Online-Überblick über befristete Mietangebote in Österreich. Er belegt, was frühere Analysen des Momentum Instituts bereits angedeutet hatten.

Wo am meisten befristet wird

Besonders stark befristet wird in Wien und Vorarlberg: In beiden Regionen liegt der Anteil der befristeten Inserate bei rund 70 %. Auch in Tirol, Kärnten und Salzburg überwiegt die Befristung deutlich gegenüber unbefristeten Verträgen. Am anderen Ende der Skala liegt das Burgenland, wo nur rund ein Viertel der Inserate befristet ist.

Diese regionalen Unterschiede haben System: Je teurer und nachgefragter eine Wohnung ist, desto wahrscheinlicher ist sie auch befristet. In städtischen Ballungszentren, wo Wohnraum knapp ist, nutzen Vermieter:innen die rechtliche Möglichkeit, Mieter:innen in kurzen Abständen neu zu binden und wieder loszuwerden, um somit die Mieten leichter an das aktuelle Marktniveau anzupassen. In ländlichen Gebieten, wo das Angebot größer und die Konkurrenz geringer ist, überwiegen dagegen unbefristete Verträge.

Befristete Mietverträge sind im Schnitt deutlich teurer als unbefristete. Frühere Studien des Momentum Instituts zeigten, dass im Altbau die Miete pro Quadratmeter bei befristeten Verträgen rund 8,70 €, bei unbefristeten jedoch nur 6,80 € beträgt. Die aktuelle Datenerhebung bestätigt dieses Muster: Mit steigender Miete wächst auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Vertrag befristet ist. Wer mehr zahlt, wohnt also oft sogar trotzdem unsicherer.

Auch die Wohnungsgröße spielt eine Rolle: Kleinwohnungen bis 50 m² sind besonders oft befristet - also jene Wohnungen, die besonders oft von jungen Menschen oder Einpersonenhaushalten gesucht werden. Gerade jene Gruppen, die ohnehin weniger finanzielle Stabilität haben, werden so zusätzlich durch unsichere Vertragsverhältnisse belastet.

 

Warum Befristungen problematisch sind

Befristete Mietverträge sind einer der zentralen Gründe für soziale Unsicherheit am Wohnungsmarkt. Mieter:innen müssen regelmäßig um ihre Wohnung bangen, öfter die Kosten für Umzüge tragen und können sich seltener langfristig im Bezirk oder in der Nachbarschaft verwurzeln. Die Befristungen erschweren den Aufbau stabiler sozialer Strukturen und machen das Leben schlechter planbar – von Familiengründung bis Arbeitsplatzsuche. Am Ende schaden sie dem Wohlbefinden.

Häufige Neuvermietungen treiben die Preise nach oben: Jede Vertragsverlängerung oder Neuvergabe ist eine Gelegenheit, den Mietpreis zu erhöhen. Dadurch wird der Markt insgesamt nach oben getrieben. Das betrifft vor allem junge Menschen und Frauen mit unsicheren Einkommen. Diese Gruppen zahlen überdurchschnittlich hohe Mieten und haben gleichzeitig am wenigsten Verhandlungsmacht.

Hinzu kommt eine ungleiche Machtverteilung: Während Vermieter:innen durch Befristungen nach eigenem Gutdünken flexibel sind, haben Mieter:innen keine Sicherheit, auf Wunsch auch längerfristig bleiben zu dürfen. Deshalb verzichten Mieter:innen oft auf rechtliche Ansprüche - wie zum Beispiel Mietzinsüberprüfung oder Instandhaltungen - um einer Nichtverlängerung zu entgehen. Befristungen schwächen also nicht nur die soziale, sondern auch die rechtliche Position der Mieter:innen.

 

Unsicherheit ist kein Naturgesetz

Angesichts dieser Probleme brauchen Mieter:innen eine stärkere Regulierung von Befristungen. Sie waren ursprünglich als Ausnahmesituation gedacht, aber sind heute längst Normalfall. Der Anteil von rund 70 % befristeter Mietverträge in Wien zeigt das.

Eine mögliche Lösung wäre, Befristungen nur noch in begründeten Ausnahmefällen zuzulassen. Zum Beispiel wenn Eigentümer:innen die Wohnung tatsächlich selbst nutzen wollen oder größere Umbauten geplant sind. Alternativ könnten wiederholte Befristungen derselben Wohnung gesetzlich eingeschränkt werden, um „Kettenverträge“ zu verhindern.

Befristungen sollten streng reglementiert werden, auch vor dem Hintergrund, dass laufend neue Verträge es den Vermieter:innen vereinfacht, bewusst oder unbewusst unlautere Mietzinsanhebungen vorzunehmen. Mietende stehen dann vor der Entscheidung, die Wohnung nicht zu verlängern und umziehen zu müssen oder unlautere Bedingungen zu akzeptieren, gegen die dann nur im Nachhinein auf juristischem Wege angekämpft werden kann. Was aber viel Wissen und auch Ausdauer voraussetzt sowie Kosten für einen etwaigen Prozess verursacht.

Und schließlich fordert das Momentum Institut mehr Transparenz und Datenerhebung: Nur wenn bekannt ist, wo und unter welchen Bedingungen befristet vermietet wird, können gezielte Gegenmaßnahmen greifen.

 

Daten für Fakten

Der neue Wohnungs-Befristungs-Monitor zeigt mit datenbasierter Klarheit, wie weit verbreitet unsichere Mietverhältnisse in Österreich inzwischen sind. Fast jede zweite Wohnung ist befristet - in Wien und Vorarlberg sogar mehr als zwei von drei. Besonders betroffen sind kleine, teure Wohnungen in Ballungsräumen. Damit trägt die Befristungspraxis erheblich zur sozialen Spaltung des Wohnungsmarkts bei.

Wohnen darf jedoch keine Frage von Glück, Kurzzeitverträgen oder Marktzyklen sein. Der Staat muss Mieter:innen schützen. Dazu muss er Befristungen begrenzen, Transparenz schaffen und langfristige Mietverhältnisse fördern. Nur dann kann Wohnen wieder das werden, was es sein sollte: ein sicherer Ort zum Leben und kein Preiskampf mit Ablaufdatum.

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