print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Demokratie

Politische Gegner:innen als Virus: Die radikale Sprache von Elon Musk und Viktor Orbán

Politische Gegner:innen als Virus: Die radikale Sprache von Elon Musk und Viktor Orbán.

Innerhalb einer Woche haben sowohl Elon Musk als auch Viktor Orbán ihre politischen Gegner:innen als Virus bezeichnet. Was hinter diesen radikalen Sprachbildern der extremen Rechten steckt, erklärt Natascha Strobl.

 

 

Viktor Orbán und das angebliche „progressiv-liberale Virus“

„Wir haben die Migration an unseren Grenzen gestoppt, der Gender-Propaganda an unseren Schulen ein Ende gesetzt und arbeiten ohne Unterlass an Frieden. Das ist die Heilung für das progressiv-liberale Virus“ – Viktor Orbán

Dieses Zitat stammt nicht von irgendeinem verqueren Nazi. Der Satz kommt vom ungarischen Ministerpräsident Viktor Orbán. 

Es ist ein gutes Beispiel für rechtsextreme Ideologie. 

Rechtsextreme Ideologie: Das Volk als kranker Körper

Rechtsextreme Sprache funktioniert über mehrere Strategien. Eine davon ist die Biologisierung und Pathologisierung von gesellschaftlichen Verhältnissen. Das heißt, dass soziale Kämpfe mit vermeintlichen biologischen Ursachen begründet werden. 

Die Gesellschaft wird in diesem Denken als Körper gesehen, der geschwächt wird, wenn wichtige Teile dieses Körpers krank sind. Körperliche und geistige „Schwäche“ (bzw. was dafür gehalten wird) überträgt sich auf die Gesellschaft und schwächt diese als Ganze. Verfall und Dekadenz liegen dementsprechend an der körperlichen wie geistigen Schwäche der aktuell bestimmenden gesellschaftlichen Akteur:innen.

Es ist nicht schwer zu erkennen, wie diese Art der Sicht auf die Gesellschaft historisch bis in den Nationalsozialismus gewirkt hat. Ein organisches Volk wird durch kranke Teile geschwächt, die dementsprechend ausgesondert werden müssen. 

Politische Gegner ausradieren

Die Krankheit kann eine Ideologie sein, wie bei Orbán. „Progressiv-Liberale“ Ideen werden als Virus bezeichnet. Ein Virus, das das Denken vergiftet und schlussendlich tötet. Auswüchse dieses Virus sind, wie Orbán es selbst beschreibt, Migration oder Gender-Propaganda. Diese werden als Symptome desselben Virus gesehen. 

Diese beiden Themen haben nichts ursächlich miteinander zu tun, werden hier aber in einer großen Verschwörung bzw. Opfer- und Krankheitsdarstellung vermengt. Sie werden wortwörtlich als krankhaft bezeichnet. 

Menschen, die sich mit diesen Themen beschäftigten oder direkt betroffen sind, sind dementsprechend keine Menschen mehr, sondern Krankheitssymptome. Und mit Krankheiten kann man nicht verhandeln, sondern sie nur bekämpfen und ausradieren. Das ist eine Strategie, die den politischen Gegner entmenschlichen soll.

Elon Musk und das angebliche „Woke Mind Virus“ 

In dieselbe Kerbe schlägt kürzlich Elon Musk, wenn er vom „Woke Mind Virus“ spricht.

„Wir müssen sehr vorsichtig mit allem sein, das anti-meritokratisch ist – und allem, was in der Unterdrückung der freien Meinung endet. Das sind zwei Aspekte des Woke Mind Virus, die ich für sehr gefährlich halte.“ – Elon Musk

Musk ist viel allgemeiner in seiner Definition und raunt von Cancel Culture und, dass man ja nichts mehr sagen darf. Musk sieht seine Meinung bedroht – und das während er in einem Exklusiv-Interview mit Bill Maher sitzt. Das ist einer der größten Late-Night-Talk-Show-Hosts.

Aber auch er benutzt die Metapher vom Virus, das wütet und Menschen infiziert. Er selbst ist natürlich Opfer und Held zugleich. Quasi aus dem Untergrund heraus stellt er sich dagegen und wird dafür gecancelt. Aber auch er will eine Krankheit bekämpfen und sich eben nicht einer gesellschaftlichen Debatte stellen. 

Radikale Strategien

Musk und Orbán haben im Abstand von einer Woche beide von einem Virus gesprochen, das es auszurotten gilt. Von einem imaginären Virus, das den Ministerpräsidenten eines EU-Landes und den zweitreichsten Mann der Welt angeblich in eine Untergrundposition zwingt. So können sich beide als Märtyrer präsentieren.

Krankheitsmetaphern haben als Lösung immer im Blick, dass man sie heilen soll – also die Auslöschung der Ursache. Es sind radikale Kommunikationsstrategien. Sie sollen es normal machen, Menschen und Menschengruppe auszusondern und zu problematisieren. Es ist das Gegenteil von demokratischem Diskurs. 

Und darum geht es auch: Weder Orbán noch Musk wollen Demokratie, sie wollen einen Kulturkampf gegen alle, die sie als krank empfinden.

 

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 0 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag!