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Klimakrise

Die Konferenz, auf der Gaskonzerne über unsere Zukunft entscheiden

Die Gaskonferenz in Wien gibt es schon lange. Und ebenso lange wurde sie kaum beachtet und versteckte sich fast vor der Öffentlichkeit. Nun formiert sich Protest gegen die "European Gas Conference".

 
Wien ist Schauplatz des europaweit wichtigsten Treffens der globalen Gasbranche. Aber wenige wissen davon. Getagt wird hinter verschlossenen Türen. Die Presse wird ausgeladen. Die Protestbewegung „Block Gas“ will nun Öffentlichkeit schaffen.

Hast du von der “European Gas Conference” schon gehört? Wenn nicht, bist du damit nicht allein. Die Konferenz findet seit 15 Jahren in Wien statt. Aber sie fliegt ziemlich unter dem Radar. Und die öffentliche Unbekanntheit scheint bei diesem Treffen einflussreicher Menschen aus der Gas- und Energieindustrie durchaus Absicht zu sein. 

Das sollte sich ändern.

Von 27. bis 29. März findet sie wieder statt. Klimakrise und Ukraine-Krieg steigern die Brisanz der Gas-Versorgung und der damit gemachten Profite. Die österreichische OMV ist Co-Gastgeberin. Die Entscheidungen, Diskussionen und Kontakte, die vor Ort stattfinden, haben weltweite Auswirkungen. Zu Wort kommen vor allem die Konzerne und ihre Banken. Vertreter:innen von Vattenfall bis OMV, von Blackrock bis Raiffeisen, von EU-Kommission über das deutsche Kanzleramt bis zum österreichischen Energieministerium werden da sein. Beschäftige, Konsument:innen und Betroffene von Klimakrise und neu gebauter fossiler Infrastruktur haben hier augenscheinlich keine Stimme.

Ich wollte deshalb zumindest als Journalist davon berichten, was vor Ort passiert. Meine vor Monaten erteilte Akkreditierung wurde kurz vor Beginn aber wieder zurückgerufen. Der Andrang sei zu groß, heißt es. Man bitte um Entschuldigung. Doch es bleibt ein fahler Beigeschmack. Denn die Konferenz gibt sich allgemein recht geheimniskrämerisch. Nicht einmal der Veranstaltungsort ist öffentlich bekannt. 

European Gas Conference: Private Debatten über öffentliche Anliegen

Die Veranstaltung ist trotz der öffentlichen Bedeutung des Themas und der Teilnahme politischer Entscheidungsträger:innen grundsätzlich privat. Sie wird auch mit dem Versprechen von “über 100 privaten Meetings” beworben. Veranstaltet wird die European Gas Conference von einem Londoner Unternehmen namens Clarion. Das gehört dem globalen Mega-Investmentkonzern Blackstone. Für Verena Gradinger, Sprecherin der Klimagerechtigkeitsorganisation “System Change not Climate Change”, ist die Anwesenheit von Finanzkonzernen wie Blackrock oder Blackstone kein Zufall. “Hier wird auch über riesige und langfristige Investitionen in fossile Infrastrukturen gesprochen. Das sind Infrastrukturen, die erst nach jahrelangem Betrieb Gewinn abwerfen. So wird fossile Energieproduktion für lange Zeit festgeschrieben.”

Auch das Energie- und Klimaschutzministerium ist auf der Konferenz vertreten. Für den Umbau des österreichischen Energiesystems brauche es “eine Veränderung der bestehenden Infrastruktur für Erdgas im Hinblick auf die Produktion, Lagerung und den Transport von erneuerbaren Gasen”, so ein Ministeriumssprecher auf Nachfrage. Außerdem werde auf der Konferenz “über den gemeinsamen Gaseinkauf der EU gesprochen”, ein Vorgehen, das Österreich unterstütze.
 

LNG: Klimaschädliches Flüssiggas für Europa

Unternehmen wir eine kleine Reise durch das Veranstaltungsprogramm. Am Tag eins dreht sich alles um „Liquified Natural Gas“. (Was ist LNG?) Es wird von der Gas-Industrie als Alternative zu russischem Erdgas angepriesen. Es wird zum Beispiel in den USA hergestellt.  Das amerikanische Energieministerium ist auf der Gaskonferenz zu Gast. Statt über Pipelines kommt es über Tankschiffe nach Europa. Anschließend wird es in LNG-Terminals gelagert. Zwei neue derartige Terminals wurden Ende vergangenen Jahres vor der Küste Deutschlands aus dem Boden gestampft.

 
LNG wird per Schiff nach Europa transportiert

LNG wird per Schiff nach Europa transportiert

Es mag bei kurzfristigen Gas-Engpässen nötig sein. Klimafreundlich, umweltschonend und Teil einer nachhaltigen Energiewende kann LNG nicht sein. Die Herstellung braucht enorm viel Energie. ”LNG-Gas ist deshalb in der Regel sehr viel klimaschädlicher als Gas, das über Pipelines geliefert wird”, heißt es in einem Global 2000-Bericht. Besonders “bei Gaslieferungen aus den USA, weil dort besonders umweltschädliches Fracking verwendet wird“. 

Aus Sicht der Gasindustrie scheint LNG dennoch eine große Zukunft zu haben. Eine Veranstaltung auf der Konferenz will laut Titel „die langfristige Rolle von LNG im zukünftigen Energiemix Europas positionieren“. An einer Debatte über die Zukunft von LNG nehmen unter anderem die Vizepräsidenten von TotalEnergies und Vattenfall Energy Trading teil. Am Abend gibt es einen Runden Tisch bei Champagner. Dort sollen die Teilnehmer:innen sich über die “LNG Dilemmas, die Sie nachts nicht schlafen lassen” austauschen.

Neue Infrastruktur für Erdgas?

Der zweite Konferenztag steht ganz im Zeichen der Zukunft des Erdgases in Europa und seiner Infrastruktur. Matthew Baldwin, der für Energiefragen zuständige stellvertretende Generaldirektor der Europäischen Kommission, wird den Anwesenden Rede und Antwort stehen. Es geht um die Frage der Unabhängigkeit Europas von russischem Gas. Anschließend wird unter anderem über den Stand der Dinge beim Bau der „trans Adriatic Pipeline“ diskutiert. Dabei handelt es sich um eine neue, von Anwohner:innen heftig bekämpfte Pipeline durch Griechenland und Italien.

Am Nachmittag geht es um die „Herausforderungen bei Handel und Infrastrukturen in Süd- und Osteuropa.“ In dieser Session soll besonders die „wichtige Rolle von natürlichem Gas (gemeint ist Erdgas) in Zentral- und Südeuropa“ hervorgestrichen werden. Ein Diskussionsteilnehmer ist hier Gottfried Steiner, der CEO der „Central European Gas Hub AG (CEGH)“. Bei der CEGH handelt es sich um eine seitens der Wiener Börse und der OMV gemeinsam betriebene Handelsplattform für Gas. 

Mit dabei ist auch Szabolcs Ferencz, der CEO des ungarischen Pipelinebetreibers FGSZ. Ungarn spielt eine wichtige Rolle, wenn es um die Pipelines zwischen West- und Osteuropa geht. Die rumänische OMV-Tochter Petrom arbeitet zum Beispiel derzeit an der Ausbeutung neuer Gasfelder im Schwarzen Meer vor der rumänischen Küste.) Das für Westeuropa bestimmte Gas müsste dann durch Ungarn fließen. Ob auch das auf der Gaskonferenz besprochen wird? Gesichert wissen können wir es nicht.

Wasserstoff: Die scheinbare Alternative

Am finalen Tag wird die Gaskonferenz zur “Wasserstoffkonferenz. Die Veranstalter:innen rufendie  „European Hydrogen Conference“ aus. Wasserstoff wird gerne als grüne, klimaschonende Alternative zu Erdgas angepriesen – auch von der Gasindustrie. Denn für Wasserstoff könnte man deren Gas-Pipelines weiter verwenden. Wasserstoff kann “grün” sein. Aber nur, wenn er mit Ökostrom hergestellt wird. Und dafür braucht man viel mehr davon, als wir auf absehbare Zeit haben. Problematisch ist außerdem, dass dem Wasserstoff oft bei der Produktion Erdgas beigemengt wird. 

Wasserstoff könne zwar eine Rolle bei der Energiewende spielen, nötig sei aber vor allem eine Senkung des Energieverbrauchs, hier vor allem auch in der Industrie, erklärte dazu der Global 2000-Experte Johannes Wahlmüller bei einer an der Universität für Bodenkultur abgehaltenen Veranstaltung. 

Das Profitinteresse scheint jedenfalls auch bei diesem Thema vorhanden. „Wie machen wir die Wasserstoff-Lieferketten investitions- und bankfähig?“, fragt eine Diskussionsrunde. Mögliche Investor:innen sind auf der Konferenz auch anwesend. Neben der Raiffeisenbank nimmt mit BlackRock einer der weltweit mächtigsten und schlagkräftigsten Finanzkonzerne an der Konferenz teil.

Alternativkongress schafft Gegenöffentlichkeit

Während die einen die Öffentlichkeit scheuen, suchen sie die anderen bewusst. Vom 24. bis 26. März gibt es auch eine Art Gegenkonferenz: Auf der “Power to the People” -Konferenz werden jene Fragen gestellt, die auf der „European Gas Conference“ nicht Thema sind. Zivilgesellschaftliche Akteur:innen aus aller Welt kommen hier zusammen, um sich über Alternativen zur Gasförderung auszutauschen.

Für die großen Diskussionsveranstaltungen wurde mit dem Hörsaal C1 im Campus der Uni Wien ein symbolträchtiger Ort gewählt: Im Herbst 2022 wurde er über Wochen hinweg von Klima-Aktivist:innen besetzt gehalten. Am 24. Juni werden dort Aktivist:innen der britischen “Don‘t Pay” Kampagne sprechen. Sie werden erzählen, wie sie Millionen Menschen dazu bringen wollen, ihre überteuerten Gasrechnungen nicht zu bezahlen. Am Samstag wird darüber diskutiert, wie der Energiesektor vergesellschaftet werden könnte. Am Sonntag treten Aktivist:innen der “Don‘t Gas Africa”-Kampagne auf. Sie wollen verhindern, dass der afrikanische Kontinent zur „Tankstelle Europas“ wird, indem Afrikas fossile Ressourcen für den europäischen Energiebedarf ausgebeutet werden. “Wir wollen auf unserer Konferenz die neoliberale und neokoloniale Seite der EU-Politik in Afrika sichtbar machen”, so eine Sprecherin von “Power to the People” ergänzend.”

Daneben finden zahlreiche kleinere Veranstaltungen in den Wiener Bezirken Ottakring und Hernals statt. Während sich die Gaskonferenz an einem geheimen Ort versteckt, geht die Klimabewegung an Orte des öffentlichen Lebens. Weil hunderte Gäste aus dem Ausland erwartet werden, suchen die Organisator:innen noch dringend Menschen, die Schlafplätze anbieten können

Große Demo soll Aufmerksamkeit auf Gaskonferenz richten

Vom 26. bis 29. März heißt es dann, “Block Gas”. In ganz Europa mobilisiert die Klimabewegung, um die Gaskonferenz zu blockieren und lahmzulegen. “Wir müssen verhindern, dass Konzerne und Lobbyist:innen uns weiterhin an fossiles Gas ketten, unseren Planeten zerstören, Menschen ihrer Lebensgrundlage berauben und zahllose Menschen im globalen Süden töten“, heißt es in einem Aktionsaufruf. Gruppen wie „System Change not Climate Change“ oder der „Jugendrat“ stehen dahinter. Strukturen, die auch die “Lobau Bleibt”-Bewegung gegen den Bau der Wiener Stadtstraße maßgeblich mitgetragen haben. 

Für den 28. März ist ab 17:30 Uhr eine Großdemo vom Wiener Stephansplatz aus geplant. 

Die Gaskonferenz hat sich lange genug aus der Öffentlichkeit geduckt. Spätestens da sollte das vorbei sein.

 

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