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Gesundheit

Aggressive Menschen bei den Corona-Kontrollen: Angestellte werden bespuckt, angemault und attackiert

Trotz hoher Infektionszahlen fällt am 12. Februar die 2G-Regel im Handel. Zumindest die Angestellten dürften erleichtert sein, denn Kund:innen zeigen immer öfter aggressives Verhalten.

„Was soll das? Eine Frechheit ist das!“ Es ist Samstagnachmittag. Am Eingang eines Schuhgeschäftes in der Lugner-City lassen Minus-50-Prozent-Aufkleber an den Schaufenstern eine lange Schlange entstehen. Einfach hineingehen ist momentan nicht möglich. Eine Mitarbeiterin muss zuerst das Impf- oder Genesungszertifikat scannen und die Identität der wartenden Kund:innen überprüfen.

Es dauert kaum zehn Sekunden, als schon die ersten Beschwerden laut werden. Eine Frau Mitte 50, schwer bepackt mit Einkaufstaschen, ist am lautesten. „Dazu sind Sie doch gar nicht berechtigt!“, redet die Frau laut und scharf auf die junge Mitarbeiterin ein, Kund:innen weiter hinten in der Schlange steigen in die Schimpferei ein – ein Dominoeffekt.

„Manchmal bin ich überfordert“, sagt die rund 20-jährige Mitarbeiterin Lena (Name von der Redaktion geändert), während sie sich weiter dem nicht enden wollenden Kund:innen-Strom stellt. Jede:r Dritte hat bei der 2G-Kontrolle zumindest einen negativen Kommentar parat. Lena allerdings bleibt ruhig, wiederholt ihren zurechtgelegten Text immer wieder. „Ich muss das machen, so sind die Regeln, da können wir nichts machen…“ Egal wie aggressiv ihr die Kund:innen begegnen, Lena bleibt freundlich.

„Das macht schon etwas mit dir“, erzählt sie nach ihrem intensiven Arbeitstag. „Ich habe danach noch vier Stunden kontrolliert und musste dann eine Kollegin bitten, für mich zu übernehmen. Ich habe das psychisch einfach nicht mehr ausgehalten.”

2G-Kontrolle: Geringer Lohn, hohe Belastung

Dass derartige Vorfälle keine Einzelfälle sind, kann auch die Gewerkschaft bestätigen. Peter Traschkowitsch, Projektleiter von „Tatort Arbeitsplatz“ der Gewerkschaft Vida, hält fest: „Übergriffe im Handel haben durch die Maskenkontrollen und dann noch einmal verstärkt durch den 2G-Nachweis deutlich zugenommen. Außerdem kommt es auch immer öfter vor, dass Kund:innen die Mitarbeiter:innen bei den Kontrollen filmen und das Material dann auf Kanälen wie Telegram oder Facebook veröffentlichen “.

Es ist die Politik, die notwendige Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie beschließt. Die Last der Masken- und 2G-Kontrolle tragen aber die Angestellten vor Ort in Arbeitsbereichen wie Gastronomie, Tourismus und eben auch im Einzelhandel – zusätzlich zu ihrem tatsächlichen Job. Es sind dadurch oft bereits Menschen in Berufen mit niedrigen Löhnen, die diese Belastung und wichtige Aufgabe stemmen sollen. Durchschnittlich bekommen Angestellte im Einzelhandel, die häufig in Teilzeit arbeiten, laut Statistik Austria 1.480 Euro brutto pro Monat. Außerdem sind der Großteil der Angestellten Frauen (72 Prozent), die im Schnitt noch weniger verdienen, nämlich nur 1.387 Euro brutto.

Gewerkschaft: Mehr Übergriffe wegen 2G-Kontrolle

Es brauche dringend höhere Löhne und Deeskalationsseminare für das Personal, betont Traschkowitsch. Auch kostenlose Psychotherapie für Betroffene sei angebracht. „Die Mitarbeiter:innen müssen geschützt werden. Es wäre da schon sinnvoll, vermehrt Securitys einzusetzen, die zumindest eine kleine Ausbildung dafür haben und denen mehr Respekt entgegengebracht wird als vielleicht einem Verkäufer oder einer Verkäuferin“.

Sicherheitspersonal ist allerdings gerade Mangelware. Das weiß Erich Kreissler, Branchenvorsitzender der Gewerkschaft Vida im Bereich Bewachung. Mit Beginn der Pandemie seien die Aufträge stark gestiegen: Circa 50 bis 60 Prozent des Sicherheitspersonals beschäftigt sich derzeit mit Zutrittskontrollen. „Auch hier kommt es oft zu aggressiven Konfliktsituationen”, sagt Kreissler, „Wir bekommen mehrmals pro Tag Meldungen, dass Mitarbeiter:innen bespuckt oder geschlagen wurden. Natürlich belastet das stark und die Arbeit ist auch sehr schlecht bezahlt. Deswegen haben wir ja diesen Mitarbeitermangel“.

Von verbalen Attacken bis physischer Gewalt

Manche leiden so sehr unter den aggressiven Kund:innen, dass sie sogar den Job wechseln. Ein Jahr lang arbeitete Julia beim Bio-Supermarkt Denns an der Kassa, bis es ihr zu viel wurde. Der Lebensmittelhandel ist zwar von der 2G-Kontrolle ausgenommen, die Maskenpflicht alleine bot allerdings genug Konfliktpotenzial.

„Die Leute haben sich aufgeregt und sind sehr oft laut geworden. Auch dass jede:r einen Einkaufswagen braucht, damit wir wissen, wie viele Leute sich im Laden befinden, haben viele nicht verstanden.“

Besonders mit Beginn der Anti-Corona-Demonstrationen sei es besonders schlimm gewesen: „Wenn dann große Gruppen von der Demo gekommen sind, war es dann nochmal unangenehmer, etwas zu sagen. Da habe ich mich schon bedroht gefühlt.“

„Hat mir Münzen ins Gesicht geworfen“

Ein Kunde wurde sogar handgreiflich: „Ein Mann hat an der Kassa die Maske abgenommen. Als ich ihn darauf hingewiesen habe, hat er mich angeschrien, warum wir das so streng nehmen, dass die Regierung Scheiße ist und dass es Corona nicht gibt. Am Ende hat er mir dann die Retourmünzen ins Gesicht geworfen. In dem Fall war ich sehr froh, dass ich meine Maske aufhatte, die hat das abgefedert“.

Zwar wird nur ein Teil der Maßnahmen-Gegner:innen wie in Julias Fall wirklich gewalttätig, aber immer wieder werden die Corona-Regeln – meist laut und aggressiv – auf Kosten der Mitarbeiter:innen kritisiert. Dass weder Julia noch Lena die Regeln gemacht haben, scheint manche nicht zu kümmern.

Mit dem Ende der 2G-Kontrollen im Handel kann zumindest Lena etwas aufatmen. Sie betont, dass sie auch viele positive Kontakte mit Kund:innen in der Arbeit hat, diese geben ihr Kraft: „Natürlich gibt es die, mit denen man negative Erfahrungen macht. Auf der anderen Seite kommen aber auch Leute, die begrüßen, dass kontrolliert wird und die mir das auch rückmelden. Das hilft mir extrem und gibt mir Energie für die nächsten Kunden“.

 

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